Pflanzenhaare in der Entwicklungsbiologie
Bild 1: Unser Referent Dr. Sven Schellmann trägt vor
Bonn, der 19.09.2024
Seit einiger Zeit hat die Botanik ihre Fruchtfliege bekommen: die Acker- schmalwand (Arabidopsis thaliana) dient in der Pflanzenforschung genau so als Modellorganismus wie die Fruchtfliege in der Zoologie. Dafür sprechen die folgenden Eigenschaften der Pflanze: sie ist klein, sie produziert in einer Gene- ration sehr viele Samen, ist gentechnischen und genetischen Methoden einfach zugänglich und ist genügsam, also experimentell einfach zu handhaben. Ausserdem wurde das komplette Genom der Pflanze bereits im Dezember 2000 komplett sequenziert (Nature 908, 14.12.2000).
Anhand der Trichome dieser Pflanze zeigte uns unser Referent Sven Schellmann von der Univerität Köln auf, wie Genetiker daran arbeiten, die Funktion einzelner Gene und die Chemie hinter der Bildung der dazugehörigen Ausprägungen in der Anatomie einer Pflanze zu entschlüsseln.
Bilder 2a-c: Die Ackerschmalwand
Die Fragestellung hier lautet, wie einzelne Zellen ausgewählt werden, eine spezielle Funktion zu übernehmen (hier die Bildung eines Trichoms - Pflanzenhaars - auf der Epidermis des Blattes) und welche genetischen Programme ablaufen, damit diese Zellen ihre finale Funktion erhalten. Dabei ist es zunächst wichtig, herauszufinden, welche Gene für die beobachteten Ausprägungen aktiv werden um dann in einem zweiten Schritt den Mechanismus zu erforschen, mit dem dies geschieht.
Der Trick hier ist es, Gene durch Mutation unbrauchbar zu machen und mit den Varianten weiter zu arbeiten, die interessante Mutationen hervorgebracht haben. Dazu muss man zunächst wissen, wie die normale Anatomie der Wildform aussieht: die Trichome stehen einzeln in regelmäßigem Abstand auf der Blattoberseite und verzweigen sich genau 2 mal, haben also 3 einzelne Seitenästchen oder Spitzen.
Nun werden die Pflanzen einem Mutagen in Form speziell präparierter Viren ausgesetzt, die zu Veränderungen im Genom der Samen führen. Diese werden angezogen und spannende Mutationen aussortiert und weiter vermehrt. In unserem Beispiel also Pflanzen, bei denen die Trichome in kleineren Abständen stehen, in Büscheln oder dicht an Dicht auf der ganzen Blattoberseite auftreten oder die garkeine Trichome bilden. Ferner auch Pflanzen, bei der die Anzahl der Verzweigungen verkleinert ("Stichel" - keine Verzweigung, "Gabel" - zwei Spitzen) ist oder eben mehr als zwei Verzweigungen auftreten.
Nun lässt sich durch gezielte Kreuzung herausfinden, wo die jeweiligen Gene liegen (und somit welche das sind, da das Genom bereits kartiert wurde).
Hier ist die schnelle Generationsfolge und die hohe Samenanzahl der Ackerschmalwand von großem Vorteil.
Bild 3: Unterschiedliche Entwicklungsstände von Trichomen an der Wildform der Ackerschmalwand
Bild 4: Trichommutanten
Bild 5: Mutationen bezüglich Anzahl, Abstand und Position der Trichome
Als nächstes stellt sich die Frage, welche Proteine über die erkannten Gene synthetisiert werden und wo in der Zelle diese zu finden sind. Dies gelingt durch die Verwendung von Fluoreszenzmarkern, die über eine spezifische Proteinkette an den gewünschten Molekülen andocken und somit nach Anregung über die
Konfokalmikroskopie (CLSM = Confocal Laser Scanning Microscopy) gut lokalisiert werden können. Das ist mittlerweile mit mehreren farblich unterschiedlichen markern gleichzeitig möglich, wobei in Vorexperimkenten eventuelle Neben- und Wechselwirkungen erkannt und mit betrachtet werden müssen.
Bild 6: Arbeitsplatz mit Konfokalmikroskop der Firma Leica an der Uni Köln
Bild 7: Lokation des "Stichel-Proteins", Aufnahme von Lisa Stephan
Dabei zeigt es sich, dass das Protein, dass das für die Ausprägung "Stichel" - also das Trichom oder jede Verzweigung - insbesondere an der Wachstumszone der sich entwickelnden Trichomezelle zu finden ist. Eventuell ein Inhibitor, der durch sein Vorhandensein ddas verzweiget Wachstum hemmt? Hier ist Raum für weitere Forschung, um das Verständnis für das Zusammenspiel zwischen Genen, Proteinen und Zelldifferenzierung besser zu verstehen.
Dank
Vielen Dank an Dr. Swen Schellmann von der Uni Köln für den sehr informativen und kurzweiligen Vortrag und die fruchbare Diskussion. Nicht zu vergessen die vielen Probetöpfchen, anhand derer wir die verschiedenen Anordnungen und Formen der Trichome bei den Mutanten der Ackerschmalwand selbst nachvollziehen konnten.