Sprossentwicklung beim Chinesischen Blauregen (Wisteria sinensis)
Jörg Weiß, vom 15.01.2014
Diesmal soll es um die Sprossentwicklung des Chi- nesischen Blauregens gehen, einer Kletterpflanze mit schönen blauen Blüten- trauben, die sich seit zwei Jahren am nachbarlichen Carport empor rankt. Von dieser Pflanze stammen die Proben von einem ganz jungen und einem etwa 6 Monate alten Spross. Ergänzt werden diese im ersten Schritt von Proben eines zweijährigen Sprosses, die Dr. Detlef Kramer aus Darmstadt beigesteuert hat.
Im Atlas of Stem Anatomy in Herbs, Shrubs and Trees (Band I, Seite 191, Fig. 82) von Schweingruber, Börner und Schulze [1] findet sich ein Bild vom Spross des Chinesichen Blauregens, das eine interessante Anomalie zeigt: das Xylem ist von einem breiten Band aus Phloemgewebe unterbrochen. Und auch bei Metcalfe & Chalks "Anatomy of the Dicotyledons" [2] findet man (Zitat S. 477): "... whilst true anomalous structure occurs in Entada, where Strands of sieve tubes develop in the parenchymatos groundwork of the Xylem". Entada ist der alte wissenschaftliche Name für Wisteria. Das wollte ich natürlich auch sehen, also frisch ans Werk ...
Artikelinhalt
Der Chinesische Blauregen (Wisteria sinensis)
Der Chinesische Blauregen (Wisteria sinensis), auch Chinesische Wisteria oder Glyzine genannt, ist eine Pflanzen- art aus der Gattung Blauregen (Wisteria) in der Unterfamilie der Schmetterlings- blütler (Faboideae).
Sie stammt ursprünglich aus Ostasien und ist in den chinesischen Provinzen Guangxi, Guizhou, Hebei, Henan, Hubei, Shaanxi und Yunnan häufig zu finden. Allerdings hat sich die Pflanze wegen ihrer attraktiven Blütenstände längst einen festen Platz in den Gärten Europas und Nordamerikas erobert und kann bis zu 100 Jahre alt werden. W. sinensis bevorzugt feuchte Böden, wächst auch im Schatten, blüht aber nur, wenn sie mindestens teilweise von der Sonne beschienen wird.
Der Blauregen ist eine sommergrüne, stattliche, links windende Kletterpflanze mit bis zu 15 cm dicken Stämmen und lang gestreckten Ästen. Diese sind anfänglich leicht behaart und später kahl, die Farbe wechselt vom grün bei den jungen Sprossen zu einem hellen Grau bei den Älteren. Bei sehr wenig Licht sind die Sprosse anfänglich rotbraun gefärbt. Einzelne Ranken können 20 bis 30 Meter lang an anderen Bäumen oder Rankhilfen entlang klettern oder selbsttragend eine Höhe von bis zu 10 Metern erreichen.
Die lang gestielten Blätter sind wechselständig, bis 30 Zentimeter lang und 7 bis 13-zählig unpaarig gefiedert. Die kurz gestielten Fiedern sind fünf bis acht Zentimeter lang, glattrandig und haben eine längliche, elliptische Form. An der Basis sind sie keilförmig, vorn schlank zugespitzt und mitunter leicht buchtig gewellt. Die Endfiedern sind ein wenig größer als die Seitenfiedern und anfangs anliegend behaart, später werden sie völlig kahl. Erhält ein Spross sehr wenig Licht, sind auch die Blätter zunächst rotbraun gefärbt.
Die einen bis zwei Zentimeter langen, stark duftenden Blüten befinden sich in zahlreichen, langen hängenden Trauben an kurzen Trieben und erscheinen vor dem Laubaustrieb. Der Kelch ist glockig und hat fünf ungleich lange Zähne. Die Krone ist hellblau bis blauviolett. Es gibt Züchtungen mit abweichenden Farben. Die Flügel sind sichelförmig, das Schiffchen leicht aufgebogen. Die Pflanze blüht von Mai bis Juni, wobei alle Blüten eines Blütenstandes ungefähr gleichzeitig aufblühen.
Einziger, aber regelmäßiger Bestäuber ist bei uns die Große Holzbiene (Xylocopa violacea); andere Insekten können den Bürstenmechanismus nicht auslösen.
Auch interessant: die Volle Blüte erreicht die Pflanze in der Regel erst ab einem Alter von 10 Jahren - das Exemplar bei uns ist deutlich jünger und zeigt daher bisher nur einige recht kleine Blütenstände.
Die samtig grau behaarten Früchte haben derbe Hülsen und sind zwischen den Samen verengt. Sie reifen im Juli bis August und enthalten je nur 1 bis 3 Samen.
Bild 4: Kleiner Blütenstand einer jungen Pflanze (Wisteria sinensis)
Die Chinesische Wisteria ist giftig; die giftige Pflanzenteile sind Wurzel, Spross, Rinde, Früchte und besonders die Samen. Die Hauptwirkstoffe sind Wistarin, das ähnlich, aber nicht so stark wie das Cytisin des Goldregens wirkt, ein giftiges Harz und in den Blättern Allantoinsäure. Eine Vergiftung macht sich durch folgende Anzeichen bemerkbar: Magenbeschwerden, Erbrechen, Durchfall, weite Pupillen, manchmal Schlafsucht, Kreislaufstörungen und Kollaps. Schon 2 Samen sollen bei Kindern zu Vergiftungserscheinungen führen.
Bild 5: Wisteria sinensis in der Illustration; aus Flora Japonica (Sectio prima), Philipp Franz von Siebold und Joseph Gerhard Zuccarini, 1870; www.biolib.de, Kurt Stüber, GFDL
Präparation
Nach der Probenahme mit freundlicher Genehmigung der Nachbarn habe ich je ein frisches Stück von einem ganz jungen und einem etwa 6 Monate alten Spross auf dem Handzylindermikrotom mit DurAedge Einmalklingen im SHK-Klingenhalter quer geschnitten. Die Schnittdicke beträgt ca. 50 µm. Wer möchte, findet
hier [5] weitere Informationen zum Schnitt mit dem Handzylindermikrotom.
Einige Aufnahmen vom Frischmaterial vor der Fixierung und Färbung des jungen Sprosses ergänzen später die Bilder von den Präparaten.
Anschließend wurden die Schnitte für ca. 20 Minuten in AFE fixiert und anschließend mit Rolf-Dieter Müllers W3Asim II - Färbung gefärbt. Auch zur Färbung gibt es einen Artikel auf unserer Webseite, den Sie
hier [6] finden.
Eingedeckt wurde in Euparal. Sicher wissen Sie mittlerweile, dass es zu allen Arbeitsschritten auch praktische Anleitungen im
Download-Bereich unserer Webseite gibt.
Da die beiden Proben die gesuchten Anomalien im Sprossaufbau nicht zeigten, war Dr. Detlef Kramer so freundlich, aus Darmstadt weitere Sprossstücke im alter von zwei Jahren zur Verfügung zu stellen. Diese wurden direkt nach der Probenahme in AAG fixiert. AAG ist ein Fixativum für Hölzer und auf Armin Eisners Webseite
"Mikroskopie" findet sich das folgende Rezept:
Reagenz (AGG-Ansatz für 100 ml)
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Menge in ml
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Ethanol 96%
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40,0
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Glycerin
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40,0
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Aqua dest. |
10,0 |
Glutardialdehyd 25% |
10,0 |
Meine eigenen Querschnitte der Probe habe ich nach ca. 2 Wochen im Fixierbad (die ca. 2 cm langen Probestücke müssen komplett abgesunken sein) wieder auf dem Hand-Zylindermikrotom geschnitten und nach W3Asim II gefärbt. Die Schnittdicke beträgt auch hier 50 µm.
Zusätzlich hat Bodo Braunstorfinger noch Längsschnitte auf dem Leitz-Schlittenmikrotom 1208 in PEG1500-Einbettung angefertigt. neben einigen fertig nach W3A gefärbten Präparaten war er aber auch so freundlich, mir einige seiner auf Scotch Tape aufgezogenen Schnitte noch in PEG zu überlassen. Diese habe ich wieder nach W3Asim II gefärbt, um vergleichbare Ergebnisse zu erhalten.
Scotch Tape? Ja, das geht. Unten ein kurzer Überblick zur Weiterbearbeitung in Bildern.
Bearbeitung der in PEG geschnittenen und auf Scotch Tape aufgezogenen Schnitte von Bodo Braunstorfinger (Bilder 6 bis 8)
Verwendete Technik
Alle Aufnahmen entstanden auf dem Leica DM E mit den Objektiven NPlan 5 und 40x, einem 100x Fluotar sowie den 10x und 20x PlanApos. Die Kamera ist eine Canon Powershot A520 mit Herrmannscher Okularadaption. Zur Zeit nutze ich am Adapter ein Zeiss KPL 10x, das mit den Leica-Objektiven sehr gut harmoniert. Die Steuerung der Kamera erfolgt am PC mit dem Programm PSRemote und der Vorschub beim Stacken wird manuell anhand der Skala am Feintrieb des DM E eingestellt.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.
Bild 9: Kamera und Kameradaption zum Einstecken in den Okularstutzen - für eine größere Ansicht bitte anklicken
Die unterschiedlich alten Sprosse im Vergleich
Eines gleich vorweg: nach den Informationen von Herrn Prof. Schweingruber sind die Anomalien in der Abfolge von Xylem und Phloem - Ursache sind aufeinander folgende Cambien - erst bei älteren Sprossen zu erwarten. Zitat: "Successive Kambien treten erst nach einigen Jahren auf. Ein bestimmtes Alter kann ich Ihnen nicht ange- ben. Sobald die Stämme mikroskopisch kleine Unre- gelmäßigkeiten aufweisen ist anzunehmen, dass sich zumindest lokal ein eingeschlossenes Phloem befindet." Hier hoffe ich, mit Detlef Kramer an der großen Glyzine noch fündig zu werden um dann den Artikel ergänzen zu können.
Aber auch die "Jungspunde" zeigen einige Besonderheiten, die wir nach ein paar Wirrungen aufklären konnten. Im Folgenden zeige ich die einzelnen Aspekte und Übersichten immer in Gruppen vergleichbarer Stellen der drei Altersstufen, teilweise ergänzt durch die Bilder der frischen Schnitte des ganz jungen Sprosses.
Der Sprossaufbau in der Übersicht
Los geht es mit einer Übersicht über den Sprossaufbau. Zunächst kommen die unbeschrifteten Bilder und danach dann die gleichen Aufnahmen aber mit Maßstab und Beschriftung. Die Erläuterungen finden Sie unterhalb der Galerie. Wer die Beschriftung nachlesen möchte, findet
hier auf unserer Webseite eine Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen zum Ansehen und Herunterladen [7].
Sprossaufbau in der Übersicht (Bilder 11 bis 18)
Bild 11/15: Hier fällt gleich eine Besonderheit ins Auge: Es gibt nicht nur einen Ring von Zellen mit Chloroplasten (AP) im Rindenparenchym, sondern auch weiter innen zeigt die Grünfärbung der Zellen das Vorhandensein der kleinen Energiewandler an. Deutlicher als im folgenden gefärbten Schnitt ist ein mehrlagiges Kollenchym unterhalb der Epidermis zu erkennen. Als Besonderheit, die wir in einer weiteren Serie genauer betrachten werden, zeigen sich hier unterhalb der Sklerenchymkappen große Idioblasten, bei denen es sich wohl um Exkretzellen (ExZ - Lactizifers) handelt. In der Literatur (siehe Beschreibung des Blauregens weiter oben) wird auf ein giftiges Harz hin gewiesen - eventuell ist es hier unter gebracht ...
Bild 12/16: Im gefärbten Schnitt treten die verholzten Zellen besser hervor und es zeigt sich, dass im Phloem Inseln von Siebröhren und Geleitzellen liegen, die vom Phloemparenchym umgeben sind. Mitten drin liegen die Exkretzellen.
Bild 13/17: Leider in anderer Orientierung, aber die Entwicklung fällt sofort ins Auge: im Xylem haben sich große Tracheen gebildet und im Phloem finden sich bis zu drei Lagen sklerifizierten Phloemparenchyms übereinander und dazwischen Bänder von Siebröhren und Geleitzellen. Oberhalb, aber noch immer innerhalb der noch weitgehend intakten Sklerenchymkappen sieht man dunkelgrüne Bänder zusammengeschobener Phloemzellen und auch die Exkretzellen sind nicht mehr prall, wie im jungen Spross sondern wirken schrumpelig. Unter der alten Epidermis hat sich ein Periderm entwickelt.
Bild 14/18: Ein weiteres Jahr Wachstum bringt weitere Veränderungen. Das Xylem mit den großen Tracheen nimmt noch mehr Raum ein (siehe auch die Makroaufnahme Bild 5), es hat sich neues Phloem gebildet - diesmal können wir an machen Stellen schon vier Lagen sklerifizierten Phloemparenchyms zählen. Neues Phloem? Ja! Denn oberhalb finden wir, stark zusammengeschoben aber anhand des sklerifizierten Parenchyms noch gut erkennbar, einige alte Lagen disfunktionalen Phloems (APl). Das sekundäre Dickenwachstum hat alle außerhalb des Cambium liegenden Gewebe nach außen abgedrängt. Die Sklerenchymkappen sind zerrissen und die Lücken füllen nun Steinzellen (Skl/SZ) und die Exkretzellen sind verschwunden, an sie erinnern nur noch einige dunkle Stellen, die hier nicht zu erkennen sind. Große Teile des Korks lösen sich im Periderm ab und mit ihnen die Reste der Epidermis und der Cuticula - hier zeigt sich das Rindenbild des adulten Sprosses.
Die Entwicklung Exkretzellen
Am interessantesten ist sicher die Entwicklung der Exkretzellen, die wir uns nun auch gemäß dem obigen Muster anschauen.
Entwicklung der Exkretzellen (Bilder 19 bis 24)
Bild 19/22: Schön prall gefüllt: ein Nest mit vier Exkretzellen (ExZ; Idioblasten) unter der Sklerenchymkappe (SklK). Drum herum liegen, im Phloemparenchym eingebettet, einzelne Nester von Siebröhren mit ihren Geleitzellen. rechts unten sind sogar Siebplatten erkennbar.
Bild 20/23: Wie in der Übersicht schon zu sehen, ändert sich das Bild: der durch den Beginn des sekundären Dickenwachstums entstehende Druck der vom Cambium neu gebildeten Zellschichten schiebt die älteren Zellen unter der Sklerenchymkappe zusammen. Die Zellen des primären Phloems sind kollabiert und funktionslos und auch die Exkretzellen wirken ein wenig gequetscht.
Bild 21/24: Nach gut einem weiteren Jahr sind die Änderungen extrem: die Sklerenchymkappen sind auseinander gerissen, die Lücken werden von Steinzellen gefüllt (SZ, auch ein Idioblast). Nun sind auch die Exkretzellen vollständig kollabiert und nur noch als dunkle Struktur unterhalb der verholzten Zellen (Reste der Sklerenchymkappe und Steinzellen) in der Bildmitte erkennbar (aExZ).
Hier haben wir länger diskutiert. Klar ist, dass es sich um Zellen handelt. Dies ist an den Zellwänden schön zu erkennen, die gerade bei den Gruppen sichtbar werden, in denen die Exkretzellen direkt aneinander liegen. Die Form der Zellen (länglich oder kugelförmig) muss noch durch Längsschnitte geprüft werden - wieder Arbeit für das kommende Frühjahr.
Hierzu noch einmal ein Zitat von Prof. Schweingruber: "Die Lakunen sind im ersten Jahr im Phloem entstanden, unmittelbar innerhalb der Cortex. Ich vermute, dass es sich um Lacticifers (Gänge zur Leitung von Exkretstoffen) handelt. Sie scheinen nur im ersten Jahr vorhanden zu sein. In meinen 3 Präparaten älterer Triebe fehlen sie. Erst mit Längsschnitten ließe sich die Hypothese verifizieren."
Für mich stellt sich nun die Frage, wozu diese großen Idioblasten dienen. Enthalten sie, wie oben schon vermutet, ein Harz oder ein Gemisch aus verschiedenen sekundären Pflanzenstoffen? Die Rotfärbung der kollabierten Zellen in Bild 8c und 9c könnte ein Hinweis auf Phenole sein ...
Was ist der Nutzen dieser Strukturen für die Pflanze? Immerhin "leben" die Zellen nur ca. ein Jahr. Vielleicht ein Fraßschutz für den frischen, leckeren Trieb? Aber der ist ja auch giftig ...
Und vor allen Dingen: was passiert mit dem Zellinhalt? Wird der resorbiert? Ich gestehe, ich habe keine Idee.
Das Phloem
Werfen wir nun einen Blick auf das Phloem. Dieser Teil des Pflanzengewebes transportiert die über die Photosynthese gewonnenen Nährstoffe zu den Bereichen der Pflanze, an denen z.B. durch ablaufende Wachstums- oder Erhaltungsprozesse Energie benötigt wird oder in die Speicherzellen. Der Transport erfolgt aktiv und ist im Gegensatz zur "Einbahnstraße" Xylem in alle Richtungen möglich.
Das Phloem (Bilder 25 bis 30)
Bild 25/28: Im Phloemparenchym unterhalb der Sklerenchymkappe befinden sich Nester von Siebröhren und Geleitzellen und dazwischen liegen die Exkretzellen.
Bild 26/29: Hier hat sich nun die schon angesprochene Struktur aus mehreren Lagen von Siebröhren und Geleitzellen getrennt von Bändern skleren- chymatischen Phloemparenchyms gebildet. Auffällig ganz rechts im Bild die großen Öffnungen der Siebplatte.
Bild 27/30: Tendenziell scheint die Anzahl der Phloembänder mit dem Alter zu zu nehmen, aber es gibt keine prinzipiellen Änderungen mehr.
Die Tracheen
Jetzt sind die Tracheen dran! Das sind die großen Wasserleitungen des Blauregens, eingebettet ins Xylem-Gewebe. Der Motor für den Wassertransport ist die Verdunstung über die Stomata an den Blättern und jungen Sprossen. Hier gibt es nur eine Richtung: von den Wurzeln, die Wasser und darin gelöste Mineralstoffe aus dem Boden aufnehmen, zu den Blättern.
Die Tracheen (Bilder 31 bis 38)
Bild 31/35: Wir sehen eine Baustelle: die hier angeschnittene Trachee ist noch ganz jung, was daran zu erkennen ist, dass sie noch nicht über die typischen verholzten Zellwände verfügt und quasi am Cambium anliegt. Trotzdem hat sie bereits einen Durchmesser von etwas mehr als einem zehntel Millimeter.
Bild 32/36: Zwar aus dem gleichen Sprossstück, aber schon etwas älter zeigt sich diese Trachee mit schon gut definierten Zellwänden. Interessant und auch schon in den Bildern 31 und 35 zu erkennen: verholzte Xylemzellen findet man erst unterhalb der Trachee.
Bild 33/37: Hier haben wir nun eine voll ausgebildete Trachee mit einem Kranz transversal orientierter Zellen. Das ganze ist ordentlich verholzt und die Trachee hat einen Durchmesser von gut 0,2 mm.
Bild 34/38: Hier setzt sich die Ausdifferenzierung des Xylems weiter fort und die Anzahl der Tracheen hat massiv zugenommen. Siehe auch in den Bildern 14 und 18.
Die äußeren Gewebeschichten
Nun noch einen Blick auf die äußeren Gewebeschichten (Rindenparenchym und Epidermis bzw. Periderm), hier zeigt sich der Übergang vom primären zum sekundären Abschlussgewebe ganz ähnlich, wie es schon im
Artikel zum Rhododendron beschrieben ist.
Die äußeren Gewebeschichten (Bilder 39 bis 46)
Bild 39/43: Hier sind die einzelnen Zellarten auch ohne Färbung sehr gut zu erkennen. Unter der einreihigen Epidermis mit der Cuticula folgt ein Kollenchym, darunter liegt das Rindenparenchym auf der chloroplastenhaltigen Endodermis auf. Dann folgen die von Markstrahlen durchbrochenen Sklerenchymkappen. Auf der Epidermis sind auch zwei Haarstümpfe zu sehen.
Bild 40/44: Der gleiche Aufbau, aber die Zellarten sind im Rindenparenchym trotz Färbung nicht mehr so eindeutig zu unterscheiden.
Bild 41/45: Nun haben wir ein Periderm, das sich aus dem Phellogen direkt unterhalb der noch vorhandenen abgestorbenen Epidermis entwickelt hat. An den Markstrahlen zeigen sich erste Steinzellen.
Bild 42/46: Im Zuge des weiteren Dickenwachstums wurde die alte Epidermis und auch einige Lagen des Phellems (Kork) abgestoßen. Das Periderm hat nun seine endgültige Form erreicht. Steinzellen füllen die Lücken der zerrissenen Sklerenchymkappen und finden sich nun auch im Rindenparenchym.
Die Längsschnitte
Werfen wir nun einen Blick auf die Längsschnitte von Bodo Braunstorfinger. Wie bereits eingangs beschrieben, stammen sie vom ausdifferenzierten zweijährigen Spross und sind ebenfalls nach der W3Asim II - Methode gefärbt.
In den Galerien finden Sie zunächst das Bild ohne Beschriftung und danach die beschriftete Aufnahmen. Die Erläuterungen finden sich wie in den vorangegangenen Abschnitten darunter.
Die äußeren Gewebeschichten im Längsschnitt (Bild 47 und 48)
Bild 47/48: Auch hier sind die einzelnen Zellarten gut zu erkennen. Durch die hohe Schärfentiefe der gestapelten Aufnahme zeigen sich Zellen eines Markstrahls quer liegend oberhalb der Xylemzellen. Hier ist keine der großen Tracheen getroffen, es zeigen sich nur einige kleinere Tracheiden (Tr).
Tracheen im Längsschnitt (Bild 49 und 50)
Bild 49/50: Zunächst sieht man, dass die Tracheen nicht unbedingt gradlinig längs zur Sprossachse verlaufen, es gibt durchaus auch Verwerfungen. Wie schon in den Querschnitten erkennbar, sind die Tracheen ins Xylemparenchym eingebettet und von kleineren Tracheiden umgeben. Auch Tüpfel und Hoftüpfel sind gut zu aus zumachen (Tpf und HTpf).
Die Tracheen bestehen aus totem Zellmaterial und es handelt sich um echte Röhren: die eingekreisten Stellen zeigen die Übergänge zwischen zwei ehemaligen Zellen, hier wurden die angrenzenden Zellwände vor dem Tod der jeweiligen Zellen aufgelöst. Es sind nur noch feine "Falzen" zu sehen. Hintergrund ist der passive Transport des Wassers und der darin gelösten Mineralsalze durch die Verdunstung an den Stomata der Blättern und an anderen Pflanzenteilen. Die Struktur der Tracheen muss stabil genug sein, um dem entstehenden Unterdruck stand zu halten und sie darf dem auf strömenden Wasser möglichst keinen Widerstand entgegen setzen.
Mark und primäres Xylem im Längsschnitt (Bild 51 und 54)
Bild 51/52: Das Mark dient als Wasserspeicher und Nahrungsreservoir. Dementsprechend haben die Markparenchymzellen viele Tüpfel und es sind auch einige Amyloplasten zu sehen. Darüber liegen die Zellen des primären Xylems und ein Strang sklerifiziertes Xylemparenchym.
Bild 53/54: Amyloplasten zeigen sich im Polarisationskontrast aufgrund der doppelbrechenden Eigenschaften der enthaltenen Stärke, Tüpfel aufgrund der Brechung an den Kanten der feinen Strukturen. Sie sind also oft nicht ganz einfach zu unterscheiden. Gut, dass die Zellen des Markparenchyms nicht immer dicht mit Amyloplasten bepackt sind - dies macht die Unterscheidung hier erst möglich: die Tüpfel sind nur in den "leeren" Zellen gut auszumachen.
Was es sonst noch zu sehen gab
Hier nun noch 3 Aufnahmen verschiedener Details, die in der vorangegangenen Darstellung keinen Platz gefunden haben, aber ebenfalls sehenswert sind.
Bild 55: Ein Stoma in der Epidermis des jungen Sprosses; Färbung W3Asim II, Vergrößerung 400x, Stapel aus 12 Bildern.
Bild 56: Siebröhren mit Siebplatten im Phloem des jungen Sprosses; Färbung W3Asim II, Vergrößerung 1000x, Stapel aus 3 Bildern.
Nun mit Beschriftung (Bilder 57 und 58)
Bild 55/57 Das kleine Stoma verfügt über einen ebenfalls recht kleinen substomatären Interzelllularraum (früher Atemhöhle), der sich ins Innere des Sprosses jedoch durch eine lockerere Schichtung der Zellen mit entsprechend größeren Interzellularen vergrößert.
Bild 56/58: Wie man in den Längsschnitten (Bilder 47 und 48) sehen kann, sind die Siebröhren (SR) recht lang. Die Siebplatten (SP) liegen an den Übergängen zwischen den Zellen und stellen quasi die Verbindung her. Beim Querschnitt durch das Phloem sind sie daher nicht in jeder Siebröhrenzelle zu sehen.
Im Phloem erfolgt der Transport aktiv im Zusammenspiel der Siebröhrenzellen mit den jeweiligen Geleitzellen (GZ), die Öffnungen der Siebplatten sind also große Tüpfel in den Zellwänden lebender Zellen. Hier sind die Poren in den Siebplatten recht groß: ihr Durchmesser schwankt um etwa 3 µm.
Zum Schluß noch ein Schönchen ;-)
Bild 59: Kollabierten Phloemstrukturen unter den Resten der Sklerenchymkappen im zweijährigen Spross; Färbung W3Asim II, Vergrößerung 200x, Stapel aus 9 Bildern.
Der alte Spross
Auf dem Workshop zur Pflanzenanatomie des Arbeitskreises Mikroskopie Rhein-Main-Neckar an der TU Darmstadt hatte ich am 15. Februar diesen Jahres Gelegenheit, von Dr. Detlef Kramer eine Probe eines etwa siebenjährigen Sprosses des Chinesischen Blauregens zu bekommen. Der Durchmesser liegt bei rund 21 mm und Bodo Braunstorfinger hat es geschafft, ihn am Stück unter das Deckglas zu bekommen. Einziger Wermutstropfen: wieder keine Anomalie.
Der siebenjährige Spross im Überblick
Bild 60: Makroaufnahme des Präparates von Bodo Braunstrorfinger
Das Probestück hatte eine Länge von rund 8 cm und brauchte gut 2 Wochen, bis es komplett durch fixiert war. Da die Probenahme im Spätherbst stattgefunden hat, war der Spross in Winterruhe und weitestgehend trocken. Geschnitten hat Hr. Braunstorfinger auf dem Leica Schlittenmikrotom 1208 mit einer Schnittdicke von ca. 40 µm. Die Schnitte rollen sich ein, müssen also vor dem Färben ein wenig geglättet werden. Dies geschieht am besten vorsichtig zwischen ethanolfeuchten Fingerspitzen
[8]. Gefärbt wurde mit
W3Asim II und ja, es war ein etwas größeres Deckglas nötig.
Von der Probe zum Präparat (Bilder 61 bis 66)
Die Schnitte wölben sich auf!
Leider schrumpfen die äußeren Gewebe stärker wie das innen liegende Xylem, was zu einer schüsselartigen Aufwölbung führt. Im Präparat kann sich dann das Phloem einfalten und ggf. sogar reißen. Eine Lösung für dieses Problem haben wir noch nicht gefunden. Beim stufenweise Überführen der Schnitte in Wasser vor der Färbung lässt der Effekt etwas nach, kommt aber beim schnellen Entwässern mit reinem Isopropanol schnell zurück.
Ggf. hilft hier Rolf-Dieter Müllers Farbansatz mit einer deutlich größeren Menge Acridinrot. Dort bleiben auch beim stufenweisen Entwässern die Rottöne der verholzten Zellen in ausreichendem Masse erhalten. Entsprech- ende Versuche stehen aber noch aus.
Nun zu den Bildern
In den folgenden Galerien folgen nun, beginnend mit dem Markparenchym und endend beim Peroiderm die Detailbilder des Sprosses mit entsprechenden Erläuterungen. In den Bildunterschriften der beschrifteten Schnitte weise ich auch immer auf vergleichbare Aufnahmen der jüngeren Sprosse weiter vorne in diesem Artikel hin, um einen einfachen Vergleich zu ermöglichen.
Zunächst die Bilder ohne Beschriftung (Bilder 67 bis 75)
Und nun die beschrifteten Bilder (Bilder 76 bis 84)
Bild 67/76: Markparenchym; schön zu erkennen sind die großen Tüpfel in den teilweise sklerifizierten Zellwänden der Markzellen. Ein Vergleich mit dem jungen Mark ermöglichen die Bilder 13 und 17.
Bild 68/77: Primäres Xylem; die Zellen des primären Xylems sind beim alten Spross stärker verholzt. Als Vergleich können wieder die Bilder 13 und 17 dienen.
Bild 69/78: Xylemparenchym; zwischen den großlumigen Tracheen liegt das Xylemparenchym und die Zellen der Markstrahlen. Im Xylemparenchym lassen sich drei Zellarten unterscheiden: lebendige Xylemparenchymzellen, hier blaugrün, abgestorbene Xylemparenchymzellen mit sklerifizierten Zellwänden, hier rot mit vielen Tüpfeln und zum Schluss Steinzellen (gelblich), die vielleicht eine stabilisierende Funktion übernehmen.
Bild 70/79: Tracheen; lag der Durchmesser der Tracheen in den jüngeren Querschnitten zwischen 100 und knapp 200 µm, werden hier fast 400 µm erreicht. Gut zu sehen sind auch die großen Hoftüpfel am Rande der Trachee. Zum Vergleich siehe Bilder 31 bis 38.
Bild 71/80: Thyllen; wenn eine Trachee verletzt wird, wird sie durch Zelleinwachsungen verschlossen (Thyllen). Diese erfolgen durch die Hoftüpfel in den Zellwänden der Trachee. So vermeidet die Pflanze einen Zusammenbruch des Wassertransports durch eine Embolie. Hier gibt es keinen Vergleich bei den jüngeren Sprossen.
Bild 72/81: Bast; in der Übersicht wird die Struktur des Bastes erkennbar. Nur direkt über dem Cambium liegt aktives Phloem, weiter außen finden sich rund 21 Lagen zusammengeschobener Phloemzellen (aPl), die keine Funktion mehr haben und hier dunkelgrün angefärbt sind. Dazwischen immer wieder Phloemparenchym, das wie im Xylem Steinzellen enthält (auch hier gelb). Ein Vergleich mit den jüngeren Sprossen (Bilder 14, 18, 26, 27, 29 und 30) lässt annehmen, dass ab dem zweiten Jahr jährlich ca. drei Lagen Phloemparenchym mit Steinzellen gebildet werden. Danach wäre unser Spross hier um die 7 Jahre alt.
Bild 73/82: Cambium und Markstrahl; Hier zeigen sich die Wachstumszone und die angrenzenden Gewebe im Detail. Die roten Zellinhalte sind Artefakte aus bei der Fixierung geronnenen sekundären Pflanzenstoffen. Auffällig ist der gewundene Verlauf der Markstrahlen, der auf einen gewissen Druck im Gewebe schließen lässt und im jungen Spross nicht erkennbar ist. Eventuell kommt es dadurch im späteren Verlauf des Wachstums - also bei noch älteren Sprossen - zu den gesuchten Anomalien? Ein Vergleich bieten die Aufnahme 27 und 30.
Bild 74/83: Die Schichtung des alten Phloems im Detail; Siebröhren und Geleitzellen sind durch die nachwachsenden Zelllagen zusammen geschoben und nicht mehr funktional, nur die Steinzellen des Phloemparenchyms bleiben stehen. Vergleiche Bilder 26 und 29.
Bild 75/84: Rindenparenchym und Periderm; im Rindenparenchym finden wir Reste des Sklerenchymrings (rot) sowie die später in den Lücken des Rings angelegten großen Steinzellen (orange). Darüber liegt das Periderm mit Phelloderm, Phellogen und Phellem. Dieses ist nach außen hin in vielen Schichten aufgebrochen, was die feiner Maserung der Rinde der W. sinensis ergibt. Das Periderm ersätzt das primäre Abschlußgewebe und wird etwa gleichzeitig mit dem Beginn des sekundären Dickenwachstums gebildet. Hier ermöglichen die Bilder den Vergleich zwischen dem primären Abschlussgewebe (Epidermis und Cuticula - Bilder 39, 40, 43 und 44), und dem sich entwickelnden Periderm (Vergleiche auch die Bilder 41, 42, 45 und 46).
Was jetzt noch fehlt, ist die lange gesuchte Anomalie mit im Xylem eingeschlossenen Phloembändern. Am Bodensee habe ich an einem Wisteria sinensis Strauch einen Stumpf gesehen, bei dem diese besondere Abweichung vorliegen könnte. Der Anschnitt ist jedoch schon so stark verwittert, dass man dies nicht sicher sagen kann. Die Suche geht weiter!
Phloembänder im Xylem oder nicht? Schwer zu sagen ...
Bild 85: Leider zu verwittert, um sicher sagen zu können, ob hier Phloembänder im Xylem eingelagert sind: Sprossstumpf vom Chinesischen Blauregen
Dank
Herzlichen Dank an:
- Herrn Bodo Braunstorfinger für die Erstellung der hier gezeigten Längsschnitte und die Schnitte vom alten Spross
- Herrn Dr. Detlef Kramer für die ausgiebigen Diskussionen und die Proben vom den älteren Sprossen sowie an
- Herrn Prof. Fritz H. Schweingruber für die entscheidenden Hinweise.
Literatur
[1] Atlas of Stem Anatomy in Herbs, Shrubs and Trees,
Band 1, Seiten 175ff, Seite 191, Fig. 82
Schweingruber, Börner, Shulze; Springer 2011.
[2] Anatomy of the Dicotyledons
Leguminosae, Seite 477
Metcalfe & Chalk
[3] Anatomy of Seed Plants, 2nd Edition
Katherine Esau, Wiley-India Reprint 2011.
[4] Pflanzenanatomisches Praktikum I
Braune, Leman, Taubert, Spektrum 2007.
[5] Botanische Schnitte mit dem Zylindermikrotom
Jörg Weiß, MBK 2011
[6] Wacker für Alle
W3Asim Färbungen von Rolf-Dieter Müller, MKB 2011
[7] Tabelle der Abkürzungen zur Pflanzenanatomie
Jörg Weiß, MKB 2013
[8] Microscopic Preparation Techniques for Plant Stem Analysis
Seite 40
Holger Gärtner & Fritz H. Steingruber, Verlag Dr. Kessel, 2013
Bildquellen
- Aufnahme zum Chinesischer Blauregen
"Wisteria in a Tree", 2011.
Quelle: Wikipedia, Schnobby (CC BY SA 3.0)
- Illustration zum Chinesischen Blauregen
aus Flora Japonica, Sectio Prima (Tafelband)
von Philipp Franz von Siebold und Joseph Gerhard Zuccarini, 1870.
Quelle: Wikipedia; www.biolib.de von Kurt Stüber unter GFDL.
- Alle anderen Aufnahmen vom Autor des Artikels
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