Trüffelsuche in der Leberpastete
Bild 1: Der Ausgangpunkt: Trüffelpastete von einem großen deutschen Discounter
Jörg Weiß, vom 25.10.2023
Nach dem
Weisslichen Trüffel im Glas wird es nun etwas schwieriger. Als nächstes habe ich mir eine getrüffelte Leberpastete vorgenommen, die meine Frau bei einem großen deutschen Discounter erstanden hat. Das Vorhaben schien einfach: auf dem Etikett der Packung war der China Trüffel (Tuber indicum) konkret mit 4% als Inhalt angegeben.
Sehr löblich, dachte ich und entnahm drei kleine schwarze Bröckchen für die weitere Untersuchung.
Nun müssen die Trüffelstücke ja zunächst einmal von der anhängenden Pastetenmasse befreit werden. Das habe ich mit warmen Wasser und Spüli in einem kleinen Sieb gemacht und die Stückchen dann noch einmal in Isopropanol gespült. Anschließend habe ich sie in Aqua dest. überführt und das übliche Quetschpräparat erstellt.
Das kann man mit einer kleinen Probe direkt unter dem Deckglas tun, oder die Probe mit etwas Wasser zwischen zwei Objektträgern quetschen, grobe Stücke der Peridie entfernen und erst dann ein Deckglas auf die interessanten Stellen legen.
Bild 2: Inhaltsangabe auf der Packung
Schon beim Zerpflücken ist mir allerdings aufgefallen, dass eines der drei Stücke im Aussehen doch deutlich von den anderen beiden abweicht. Hier ist die Glebra dunkelbraun und von etwas helleren, rötlichbraunen Venen. Bei den beiden anderen zeigte sich die Glebra hellgrau, Venen waren nicht zu erkennen. Blöd geschnitten oder zwei unterschiedliche Arten? Nun der Titel des Fadens beantwortet diese Frage vorab, also schauen wir mal gemeinsam nach.
Bild 3: Die zufällig ausgewählten Probestückchen
Zur Untersuchung von Trüffelsporen reicht es, ein einfaches Quetschpräparat mit ein wenig Wasser zu erstellen. Weiche Probestückchen kann man direkt auf dem Objektträger unter dem Deckglas quetschen, bei härteren Proben empfiehlt es sich, diese zwischen zwei Objektträgern zu quetschen, da dabei mehr Kraft aufgewendet werden kann. Anschließend deckt man eine interessante Stelle auf den Objekträgern mit etwas Wasser unter einem Deckglas ein. Immer wichtig: nie zu viel Probenmaterial verwenden, ein winziges Zipfelchen, mit der Pinzette oder einer Präpariernadel entnommen, reicht aus.
Hier habe ich zunächst etwas von der grauen Glebra verarbeitet und die folgenden Sporen gefunden:
Bilder 4a-e: Sporen des Chinesischen Trüffels (T. indicum)
Es fällt auf, dass hier nur sehr wenige reife und somit auswertbare Sporen vorhanden sind - und immer nur 1 bis 2 pro Ascus. Aber der allgemeine Habitus mit den großen, nur selten verwachsenen und am Ende oft umgebogenen Stacheln auf einem elliptischen Sporenkörper legt nahe, dass es sich um den auf dem Etikett angegebenen Chinesischen Trüffel handelt.
Aber natürlich habe ich auch nachgemessen:
Bilder 5a-e: Messbilder der Sporen des Chinesischen Trüffels (T. indicum)
Hier das Ergebnis der Auswertung der Aufnahmen (Mittelwerte, in Klammern die Angaben aus [1])
- 1 oder 2 Sporen pro Ascus ( (1)2 - 4(5) )
- Länge 34,9 µm (25 - 32 µm)
- Breite 25,0 µm (17 - 21 µm)
- Stacheln 5,6 µm ( 3 - 5(6) µm)
- Seitenverhältnis Q 1,4 (1,3 - 1,6)
Die Sporen sind größer als in der Literatur. Da im Probestück aber nur maximal zwei Sporen pro Ascus vorhanden waren und die Sporengrösse stark mit der Anzahl der Sporen pro Ascus variiert, denke ich, dass das passt, zumal die Länge der Stacheln und Q im jeweiligen Bereich für T. indicum liegt. Die Probe stammt zudem wahrscheinlich von einem noch nicht ganz reifen Exemplar.
Auch muss dazu gesagt werden, dass ich nur wenige Messwerte vorliegen hatte.
Somit hätten wir hier den auf dem Etikett des Produktes angegebenen Chinesischen Trüffel identifiziert. Aber was ist mit dem anderen Stück?
Im Präparat aus dem abweichenden Probestück ergibt sich das folgende Bild:
Bilder 6a-e: Sporen des Falschen Himalaya-Trüffels (T. pseudohimalayense)
Was ein Unterschied! Viel mehr Sporen, in der Regel 5 bis 7 Sporen pro Ascus und ein gänzlich anderes Aussehen. Auch hier haben wir einen elliptischen Sporenkörper, der kürzere, unten verwachsene Stacheln trägt, sodass auf der Sporenoberfläche ein netz- oder wabenartiges Muster entsteht, das fast ein wenig an T. borchii erinnert. Sie Spitzen der Stachelk sind gerade und die Stacheln selbst (die Ornamente) deutlich filigraner als beim Chinesischen Trüffel.
Es ist schnell klar: hier liegt eine andere Art vor. Aber natürlich muss auch diese Probe vermessen werden, was anhand der besseren Ausbeute an viel mehr Beispielen geschehen konnte:
Bilder 7a-l: Messbilder der Sporen des Falschen Himalaya-Trüffels (T. pseudohimalayense)
Und auch hier wieder das Ergebnis der Auswertung der Aufnahmen (Mittelwerte, in Klammern die Angaben aus [1])
- 5 - 7 Sporen pro Ascus (1 - 8, meist 4 - 6)
- Länge 24,7 µm ((23)24 - 28(35) µm)
- Breite 17,3 µm (16 - 19(22) µm)
- Stacheln 3,3 µm ( bis 7 µm)
- Seitenverhältnis Q 1,4 (Nicht bekannt, aus [3] Mittelwert über alle Messungen 1,4 +- 0,12)
Diesmal beruhen die Mittelwerte auf über 41 Messungen, sind also deutlich zuverlässiger. Außerdem habe ich darauf geachtet, nur Sporen zu vermessen, die möglichst waagerecht in der Bildebene liegen (also eine schöne Ellipse und kein Ei bilden). auch hier passen die Messwerte zu den Beschreibungen der Art, wobei es für die Länge der Stacheln keine Angabe zur Untergrenze gibt und ich für das Seitenverhältnis Q auf einen Aufsatz von J. Chen, P. Liu aus dem Jahr 2011 zurückgreifen musste.
Wir haben hier also ganz eindeutig mindestens zwei unterschiedliche Arten Trüffel im Produkt, von denen nur eine angegeben ist. Dabei ist Tuber indicum schon mit der preiswerteste (?) Trüffel, den der Markt her gibt. Nur, dass Tuber pseudohimalayense noch billiger ist (und kaum Geschmack hat ...). Willkommen in der Welt der Marktwirtschaft oder es gibt nichts, das man nicht noch etwas schlechter und billiger machen könnte. Dabei ist T. pseudohimalayense zumindest in der Schweiz nicht mal in der Liste der zugelassenen Speisepilze erwähnt.
Ich glaube auch nicht, dass da zufällig ein Trüffeln einer anderen Art hinein geraten sind, da die unterschiedlichen Stücke gänzlich anders geschnitten sind.
Ob ggf. noch eine weitere Art in der Pastete verarbeitet wurde, kann ich nicht sagen, dazu hätte ich das Stück komplett zerpflücken und genau beproben müssen ...
Ein Ausflug zu den Lebensmittelvorschriften in Deutschland
Aber wer ist hier nun der Betrogene, wer der Betrüger? Oder gibt es im rechtlichen Sinne überhaupt einen Betrüger? Der Endverbraucher erwartet hier vielleicht bewusst den Chinesischen Trüffel T. indicum, der ja auch seine Liebhaber haben soll. Das ist aber, wie wir gesehen haben, nicht ausschließlich das, was er bekommt.
Aber wir leben ja in Deutschland und da ist alles geregelt. Das gilt natürlich auch für Speisepilze. Meine Frau hat nach dem Frühstück ihrer detektivischen Ader nachgegeben und folgendes im Netz gefunden:
Der Trüffelverband e.V. zu seiner Lobbyarbeit
Der Verband hat eine Änderung der Lebensmittelverordnung zu Pilzen erreicht. Letztendlich zum Besseren hin, da nun auch in Deutschland nicht mehr einfach "Trüffeln" als Inhaltsangabe verwendet werden darf. Der Schwerpunkt liegt hier sicherlich auf der sauberen Unterscheidung der geschmacklich wertvolleren, teureren Arten zu den billigeren, weniger wertvollen Arten:
Zitat aus dem oben verlinkten Dokument des Trüffelverband e.V.:
Auf Initiative des Deutschen Trüffelverbandes sind nun für den Handel mit frischen Trüffeln in den Leitsätzen der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission folgende Änderungen in Kraft getreten:
Die asiatischen Trüffel dürfen nur noch unter den Bezeichnungen Chinesische Trüffel und China-Trüffel und nicht mehr als ,,Schwarze Trüffel" gehandelt werden.
Die Bezeichnung ,,Schwarze Trüffel" ist eine weitere offizielle Bezeichnung für die Perigord-Trüffel (Tuber melanosporum).
Für die in Deutschland inzwischen regelmäßig angebaute Burgundertrüffel ist nur noch deren korrekter wissenschaftlicher Name Tuber aestivum zulässig. Der früher für diese Trüffelart parallel verwendete lateinische Name Tuber uncinatum entfällt.
Zitat aus den Leitsätze für Speisepilze und Speisepilzerzeugnisse vom 02.07.20220.:
Als Trüffelpilze werden die in der Anlage 1 unter Trüffel aufgeführten Speisepilze mit der Gruppenbezeichnung T verwendet. Übliche Bezeichnungen des Lebensmittels sind die in der Anlage 1 in Spalte 1 aufgeführte Bezeichnung der Art. Die ausschließliche Angabe ,,Trüffel" als Bezeichnung des Lebensmittels ist nicht ausreichend. Trüffel werden nicht gebleicht oder gefärbt.
Hört sich gut an? Na, schauen wir mal in die genannte Tabelle im Anhang 1:
Bild 8: Tabelle aus den Leitsätzen
Hm, ich darf also auf meinem Etikett "Chinesische Trüffel" schreiben und dann völlig legal die folgenden Arten ins Produkt packen:
- Tuber indicum C. & M.
- T. himalayense Zhang &Minter,
- T. sinense Tao & Liu und
- T. pseudohimalayense Moreno, Manjón, Díez & García-Mont.
Vier völlig unterschiedliche Arten mit sicherlich deutlich unterschiedlichem Geschmack. Na besser als früher, aber ehrlich: ich fühle mich da verarscht.
Man merkt dem Papier deutlich an, dass es darum geht, die teuren Produkte zu schützen - was gut ist. Die "billigen" landen dann aber in einem Sammelbecken.
Wäre es zu viel erwartet, dass hier der Hersteller verpflichtet werden sollte, die verwendeten Arten einzeln mit dem jeweiligen korrekten wissenschaftlichen Namen zu benennen?
Ob die Bezeichnung auf meinem Produkt "chinesische Trüffeln (Tuber indicum) 4%" vor diesem Hintegrund korrekt ist, mag vielleicht ein Anwalt für Lebensmittelrecht bewerten können ...
Was nun noch fehlt, sind ein paar Informationen zu den hier genannten Trüffeln.
Der Chinesische Trüffel (Tuber indicum)
Der Chinesiche Trüffel ist ein essbarer Pilz aus der Familie der Tuberaceae in der Ordnung Pezizales. Er ist im indischen Himalayagebiet, Tibet und in den chinesischen Provinzen Yunnan und Sichuan heimisch, wurde aber auch in den USA und Italien gefunden. Die Art wurde 1892erstmals im Himalaya von Cooke und Massee beschrieben.
Tuber indicum bildet Mykorrhiza-Beziehungen mit verschiedenen Bäumen. Man findet ihn oft an Kiefern, Eichen oder Kastanien (z.B. Pinus armandii, Quercus pubescens oder Castanea mollissima).
Bild 9: Der Chinesische Trüffel (Tuber indicum) Aus dem Herbarium der Duke Universität, gemeinfrei
Der Fruchtkörper ist dunkelbraun und von unregelmäßiger bis rundlicher Form. Die Oberfläche des Peridiums trägt eckige Warzen, die 6 oder mehr ecken aufweisen können (hexagonal oder polygonal).
Die runden Asci in der dunkelbraunen, von nur wenigen gräulichen Venen durchzogenen Glebra enthalten 1 bis 5, in der Regel 2 bis 4 Sporen. Wie bei allen Trüffeln variiert die Größe der Sporen mit der Anzahl der Sporen pro Ascus.
Die elliptischen Sporen haben eine Größe von 25-32 * 17-21 µm und sind von großen, an den Enden oft umgebogenen Stacheln besetzt, die auf der Sporenoberfläche nur selten verwachsen sind.
Der reife Fruchtkörper hat einen intensiven, etwas penetranten Geruch, der an Kakao, Gummi und Stall erinnert. Sein Geschmack ist kräftig, kakaoartig, ölig, angenehm (aus [1], S. 30).
Der Chinesische Trüffel wird in China in großen Mengen geerntet und tonnenweise nach Europa verkauft, sein Marktpreis liegt dabei deutlich unter dem der "edleren" Trüffel. Man findet ihn daher häufig in preiswerten getrüffelten Produkten, deren Geschmack dann oft durch Aromen (meist synthetischer Natur) verstärkt wird.
Zudem sieht er für den Laien dem deutlich teurer gehandelten Perigord-Trüffel (Tuber melanosporum) sehr ähnlich, was dem Betrug Tür und Tor öffnet.
Tuber indicum muss als invasive Art betrachtet werden, die auch an Bäumen wächst, die mit dem wirtschaftlich und gastronomisch wertvollen T. melanosporum geimpft sind.
Der Falsche Himalaya-Trüffel (Tuber pseudohimalayense)
Wie alle Trüffel entstammt T. pseudohimalayense der Familie der Tuberaceae in der Ordnung Pezizales. Er wird in den chinesischen Provinzen Yunnan und Sichuan in 2000 bis 3000 Meter Höhe auf kalkhaltigen Böden gefunden. Die Erstbeschreibung erfolgte 1997 durch G. Moreno, Manjón, J. Díez & García-Montero.
Der reife Fruchtkörper ist schwarz, mit pyramidalen, abgeflachten Warzen. Die Glebra grauschwarz mit weissen Venen. Die Asci tragen 1 bis 8, meist 4 bis 6 Sporen. Die ellipsoiden Sporen haben eine Größe von 18-35 * 16-30 µm (auch hier Varianz nach Anzahl Sporen im Ascus). Die Ornametierung ist igelig-netzig: die bis 7µm langen Stacheln sind auf der Sporenoberfläche zu einem regelmäßigen Netz verwachsen und an der Spitze gestreckt.
Geruch und Geschmack werden im Vergleich zu anderen Trüffeln als ereignislos beschrieben.
Auch der Falsche Himalaya-Trüffel ähnelt den teureren schwarzen Trüffeln sehr, wird aber zu noch geringeren Preisen gehandelt, als T. indicum. Wozu das führt, haben wir hier gesehen.
Literatur und Links
[1] Trüffeln
Leitfaden zur Analyse der im Handel vorkommenden Arten
R. & T. Flammer / P. Reil
IHW-Verlag, 1. Auflage 2013
[2] Pilzmikroskopie
Präparation und Untersuchung von Pilzen
Bruno Erb / Walter Matheis
Kosmos Franckh, 1983
[3] Tuber pseudohimalayense sp. nov. an asiatic species commercialized
in Spain, similar to the "perigord" truffel,
Mycotaxon, 06.1997;
G. Moreno, J.L.Manjon, J. Diez, L.G. Garcia-Montero
[4] Delimitation of Tuber pseudohimalayense
and T. pseudoexcavatum based on morphological
and molecular data
Cryptogamie, Mycologie, 2011
J. Chen, P. Liu
[5] Truffles in Processed Foods – Truly Valuable or Just Empty Praise?
Die Untersuchungsämter für Lebensmittelüberwachung und Tiergesundheit, Baden-Württemberg, 2005
Dr. Pat Schreiter
Bildquellen
- Bild 9: Der Chinesische Trüffel (Tuber indicum)
Aus dem Herbarium der Duke Universität, gemeinfrei
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