Hochdruckminerale aus den Italienischen Alpen
Prof. Holger Adelmann, vom 09.12.2011
Der vorliegenden Artikel handelt von einer minera- logischen Spezialität: ein hoch-metamorphes Gestein aus dem Dora Maira Gebiet in den Italienischen Alpen (Piemont). Die Fundorte liegen im Val Gilba und den benachbarten Berghängen, nordwestlich von Cuneo und südlich von Sanfront und anhand der Dünnschliffe der Fundstücke lassen sich sehr schön einige Besonderheiten metamorpher Gesteine zeigen.
Als metamorph bezeichnet man Gesteine die in der Regel unter Druck und/oder Temperatureinfluss in andere Gesteine umgewandelt wurden. Dabei wird auch der Mineralgehalt verändert. Als Ausgangsgesteine für einen metamorphen Prozess kommen alle existierenden Gesteine in Frage, also z.B. Sedimente, Vulkanite, Granite, und natürlich auch bereits schon durch frühere Vorgänge metamorphisierte Gesteine. Die notwendigen Drücke und Temperaturen werden regelmäßig nur in tieferen Schichten der Erdkruste erreicht. Metomorph veränderte Gesteine haben also eine im wahrsten Sinne des Wortes bewegte Geschichte.
Das hier vorgestellte Gestein ist ein
Pyrop-Disthen-Talk-Phengit-Schiefer / Quarzit und gehört in die so genannte Eglogitfazies. Zu dieser Fazies (geologischer Sammelbegriff) zählt man Gesteine die unter extrem hohem Druck und hohen Temperaturen entstanden sind.
Der weiter unten folgende Artikel
Mikrotektonik - Die Verformung von Gesteinen im Dünnschliff betrachtet zeigt weitere Proben mit ähnlicher Entstehungs- geschichte.
Die Bilder 1 bis 3 zeigen den sehr schönen, farbenfrohen Quarzitschiefer.
Die Ausgangsgesteine der jetzigen Dora Maira Metamorphite waren wohl Meta-Basite, also basische magmatische Gesteine. Diese Gesteine wurden durch tektonische Prozesse (Verschiebung der Kontinentalplatten) ca. 100 km tief (!) versenkt, dort metamorphisiert (umgewandelt) und anschließend wieder herauf befördert.
Man geht bezüglich der Entstehung der Dora Maira Metamorphite vor ca. 35 Millionen Jahren von Drücken größer als 30 kbar und Temperaturen von mindestens 700 °C aus. Als Hinweis auf diese Metamorphose unter Extrembedingungen fand man im Dora Maira Gestein - typischerweise in blass rosa Granatkristallen vom Pyrop-Typ eingeschlossen - die Quarz-Hochdruck-Modifikation Coesit. Coesit ist wie Quarz chemisch SiO2, hat aber ein anderes, stärker gepacktes Kristallgitter und somit eine höhere Dichte.
Beim Wiederauftauchen des metamorphisierten Gesteins von Dora Maira aus großer Tiefe kam es teilweise zu einer Rückumwandlung der SiO2 Hochdruckvariante Coesit in die Normalvariante Quarz. Dies ist natürlich wegen der oben beschriebenen Unterschiede im Kristallgitter mit einer Volumenzunahme verbunden, die dazu führt, dass die im Granat einge- schlossenen Coesite bei der Rückumwandlung in Quarz den Granatmantel regelrecht sprengen.
Die Bilder 4 (POL parallel) und 5 (POL gekreuzt) zeigen so einen Coesit-Quarz-Cluster inmitten eines Pyrop Kristalls. Man sieht sehr schön die von dem Cluster ausgehenden
radialen Sprengrisse im Granatkristall (Granate sind isotrop, also nicht-doppelbrechend und erscheinen daher unter gekreuzten POL Filtern schwarz).
In Bild 5 sind die Minerale bezeichnet. Man sieht deutlich den gestreiften Kranz zurückverwandelten Quarzes um den zentral noch verbliebenen Rest-Coesit. Die Bilder 6 und 7 zeigen noch mehr Details.
Bild 4
Coesit mit Quarzring eingeschlossen in einen Granatkristall (Pyrop). In polarisiertem Licht bei parallelen Polfiltern.
Bild 5
Coesit mit Quarzring eingeschlossen in einen Granatkristall (Pyrop). In polarisiertem Licht bei gekreuzten Polfiltern.
Bild 6
Coesit mit Quarzring eingeschlossen in einen Granatkristall (Pyrop). In polarisiertem Licht bei gekreuzten Polfiltern.
Bild 7
Coesit mit Quarzring eingeschlossen in einen Granatkristall (Pyrop). In polarisiertem Licht bei gekreuzten Polfiltern.
Coesite fand man beispielsweise auch in der Region um Zermatt-Saas, im Gneiss in den Westregionen Norwegens oder im so genannten Suevit, einer glasigen Tuffbrekzie des Nördlinger Rieses, wo der Coesit vor ca. 14,6 Millionen Jahren durch die extremen Drücke und Temperaturen eines Meteoreinschlages entstand.
Ein weiteres Hochdruck-Mineral im Dora Maira Gestein ist der schöne, im Dünnschliff intensiv lilafarbige Ellenbergerit im Bild 8 unten. Das Dora Maira Massiv ist die Typlokalität von Ellenbergerit, er wurde von dort erstmals 1986 beschrieben und unser lieber Kollege Olaf Medenbach ist an den ersten Untersuchungen und Beschreibungen dieses Minerals nicht ganz unbeteiligt - siehe auch in den Literaturangaben am Ende des Artikels.
Bild 8
Ellenbergerit ist ein Magnesium-Aluminium-Titan-Zirkon-Silikat. Hier in einem Dünnschliff mit einer Dicke von ca. 25 µm.
Alle Aufnahmen: Leitz Orthoplan POL, Moticam 2300.
Für die Überlassung des schönen Präparates danke ich ganz herzlich meinem alten Schulfreund Dr. Hans-Peter Schertl, Ruhr-Uni Bochum, der hierüber recht viel publiziert hat (unter anderem auch mit Olaf Medenbach).
Literatur
- Chopin, C. und Schertl, H.-P. (1999):
The UHP Unit in the Dora-Maira Massif, Western Alps.
International Geology Review 41:765-780.
- Gebauer, D., Schertl, H.-P. und Schreyer, W. (1995):
A 35 Ma old ultrahigh-pressure metamorphism in the Dora Maira Massif and ist geodynamic implications for the Pennine zone of the Central and Western Alps.
Bochumer Geologische und Geotechnische Arbeiten 44:49-53.
- Schertl, H.P. & Medenbach, O. (1994):
Coesit-führender Pyrop-Quarzit, ein spektakuläres Gestein aus dem Dora-Maira-Massiv in den Westalpen.
Min.-Welt, Jg.5, Nr.1, S.14-16.
- Chopin, C., Klaska, R., Medenbach, O., Dron, D. (1986):
Ellenbergerite, a new high-pressure Mg-Al-(Ti,Zr)-silicate with a novel structure based on face-sharing octahedra.
Contributions to Mineralogy and Petrology, 92, 316-321.