Entwicklung von Experimentierkästen zur Mikroskopie
Bild 1: Deckelbild des Kastens „Mikromann“, Kosmos 1950er Jahre
Bonn, der 14.12.2023
Am 14. Dezember trafen sich rund 20 Mitglieder und Gäste des MKB in einem Seminarraum des Poppelsdorfer Schlosses. Das Thema „Entwicklung von Experimentierkästen zur Mikroskopie“ passte in die Vorweihnachtszeit. Beim Vortrag wurden u. a. alte Schätzchen gezeigt, die manche an Weihnachtsgeschenke ihrer Jugendzeit erinnerten.
Klaus Leder sammelt Experimentierkästen und hat über das Thema das Buch „Geschichte der Experimentierkästen – Elektrizität, Chemie, Optik, Mechanik und Biologie“ geschrieben. Für seinen Vortrag hatte er 11 Kästen zur Mikroskopie mitgebracht, deren Materialien und Anleitungsbücher im Anschluß an die PP-Präsentation untersucht werden konnten:
• Meiser & Mertig, Dresden: Apparate zum
experimentellen Studium der Physik (1896)
• Kosmos, Stuttgart: Kosmos-Baukasten Optik,
Kosmos-Baukasten Chemie, Kosmos-
Arbeitskasten Mikroskopie, Kosmos-Mikroskope
(1923)
• Kosmos-Lehrspielzeuge von W. Fröhlich:
Elektromann (1930), All-Chemist (1930),
Optikus (1932), Radiomann (1934),
Technikus (1935), Mikromann (ca. 1950)
1. Kosmos: Mikromann (1975)
2. Kosmos: Mikroskopie/Biologie-Praktikum (1990)
3. Schuco: Mikroskopie Biowelt (1984)
4. Kosmos/GEOlino: Mikroskop (1998/2003)
5. Clementoni: Natur unter dem Mikroskop (2004)
6. Kosmos/Bresser: 3D-Makroskop (2018)
7. Bresser: Biolux NG (2004)
8. Franzis/GEOlino: Das digitale Mikroskop (2021)
9. Telmu: Inverses Mikroskop (2023)
10. Foldscope (2022)
• Praktischer Teil: Ansicht von 11 Experimentierkästen und Mikroskopen.
• Diskussion: Welches Mikroskop als Weihnachtsgeschenk für Enkel?
Vorzüge und Schwächen der verschiedenen Mikroskope und Experimentierkästen wurden demonstriert und erläutert. Herr Holger Adelmann präsentierte seinen historischen „Kosmos-Arbeitskasten Mikroskopie“ von 1967. Dieser Kasten enthielt die bislang beste Ausstattung an Färbemitteln, Materialien und Anleitungen für Mikroskopiker.
Bild 2: Arbeitskasten Mikroskopie“, Kosmos 1967. Foto: Holger Adelmann
Während des Vortrags brachten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Erinnerungen und Erfahrungen mit Experimentierkästen ein. Eine weibliche Besucherin fragte z.B., warum nur immer Jungen auf den Deckelbildern der alten Lehrspielzeuge abgebildet wurden. Das entsprach dem Zeitgeist der 1950er und 1960er Jahre, in denen es noch keine Koedukation gab und heute längst überwundene Rollenbilder in Erziehung und Beruf bestanden. Experimentierkästen spiegeln technische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen ihrer Zeit wider. Dieses konnte an den Materialien, den Themen und deren didaktischer Vermittlung aufgezeigt werden.
Zwei Selbstbau-Mikroskope aus Holz von Kosmos aus den 1950er Jahren, der Aufbaujahre nach dem 2. Weltkrieg, konnten in Augenschein genommen und erprobt werden:
Bild 3: Kosmos-Selbstbaumikroskop 1949 von J. Weidner, Foto: K. Leder
Das Holzmikroskop mußte aus Sperrholzplatten ausgesägt und zusammengeleimt werden. Okular- und Objektivfassungen entsprachen der Norm von Zeiss bzw. Leitz.
Bild 4: Kosmos „Mikromann“ 1956, Foto: K. Leder
Die ersten Auflagen des Mikromanns von Kosmos enthielten vier Buchenholzteile und Befestigungsmaterialien für den Mikroskopaufbau. Die Feineinstellung wurde durch Ankippen des Objekttisches mit Hilfe eines Schraubengewindes erreicht.
Bild 5: Inhalt des Kastens „Mikromann“, Anleitung S. 4, Kosmos 1956
In den 1960er Jahren wurden Spritzgussmaterialien zum Mikroskopaufbau verwendet, das Zeitalter der Kunststoffe war angebrochen.
Bild 6: Deckelbild des Kastens „Mikromann“, Kosmos 1960er Jahre
Im Mikroskopie-Biologie-Praktikum von Kosmos 1990 war ein deutsches Qualitätsmikroskop aus Metall enthalten, das mit einem Schnellschaltrevolver 60-, 150- und 400fache Vergrößerung ermöglichte und ein gutes Auflösungsvermögen hatte. Der Schnellschaltrevolver war allerdings so voluminös, dass er eine Zentrierung des Objektes im Strahlengang erschwerte.
Bild 7: Deckelbild des „Kosmos-Mikroskopie-Praktikums“ 1990, Foto: K. Leder
Die Fa. Schuco brachte in den 1980er Jahren ein Mikroskop aus Metall und einem Monitoraufsatz mit einer Mattscheibe heraus. Das 80 Seiten starke Anleitungsbuch wurde von dem Biologie-Didaktiker Prof. Dr. W. Kuhn, Uni Saarbrücken, verfasst und enthält gute Fotos und Zeichnungen zu Präparaten aus Tier- und Pflanzenreich.
Bild 8: Deckelbild des Kastens „Mikroskopie, Biowelt“ von Schuco 1984, Foto: K. Leder
Auch das sehr preisgünstige „GEOlino/Kosmos-Mikroskop“ ist aus Metall gefertigt, weist aber nach Erfahrung des Referenten in der Optik und in der Verarbeitung deutliche Mängel auf.
Bild 9: GEOlino/Kosmos Experimentierkasten „Mikroskop“. Foto: Kosmos
Das ebenfalls sehr preisgünstige Mikroskop der italienischen Marke Clementoni ist gänzlich aus Kunststoff gefertigt und wackelt deshalb beim praktischen Einsatz. Die beigegebenen Fertigpräparate sind unbrauchbar. Auf Objektträgern aus Kunststoff und mit Folie überklebten Präparaten kann man kaum etwas erkennen.
Bild 10: Experimentierkasten von Clementoni. Foto: Clementoni
Für jüngere Schülerinnen und Schüler sind die nur 20 oder 40fach vergrößernden Binokulare von Bresser/Kosmos in der Handhabung leichter und ermöglichen zudem stereoskopisches Sehen im Auflicht. Allerdings ist die Einstellung nicht mit Zahnrad und Zahnstange sondern mit einem Reibrad realisiert. Aufgrund des Gewichts der Optik kann das zu ärgerlichen Problemen führen, wenn die Reibung nicht mehr ausreicht.
Bild 11: 3D-Makroskop von Kosmos/Bresser 2018. Foto: Kosmos
Das Mikroskop „Biolux NG“ von Bresser ist gut verarbeitet und ist mit regelbarer LED-Beleuchtung für Durch- und Auflicht, Netzstecker und Zubehör wie Kreuztisch, 2. Okular, Barlow-Linse, Mattfilter- und Kondensor-Linse sowie PC-Okular mit Software und USB-Anschluss ausgestattet. Allerdings ist die Auflösung des PC-Okulars unbefriedigend, die Fassungen der Okulare und Objektive entsprechen nicht der üblichen Norm. Strahlt trotz minimaler Reglereinstellung die LED zu hell, sollte man unter die Mattfilter-Linse zusätzliche Filter aus 1-2 Lagen Transparentpapier legen, um die Augen zu schonen.
Bild 12: Mikroskop Biolux NG von Bresser mit regelbarer LED-Beleuchtung für Durch- und Auflicht und Kreuztisch. Foto: Bresser
Unter dem Markennamen GEOlino wird seit 2021 ein relativ preiswertes digitales Mikroskop vom Franzis-Verlag angeboten. Es handelt sich um eine digitale Kamera mit Zoom-Funktion und ringförmiger Led-Beleuchtung. Als Zubehör ist eine Halterung und ein Kabel mit Micro-USB- und USB-C-Adapter dabei. Mit einem angeschlossenen Handy, das auch der Stromversorgung dient, kann die Kamera überall in der Natur angewendet werden.
Bild 13: Das digitale Mikroskop GEOlino/Franzis Verlag 2021. Foto: Franzis Verlag
Die chinesische Firma Telmu bietet seit 2023 ein Inverted Microscope XD-1606 zu Preisen zwischen über 100,- und unter 30,- Euro an. Ein Umkehr-Mikroskop ermöglicht qualitative und quantitative Planktonuntersuchungen. In limnologischen Instituten werden sog. Utermöhl-Mikroskope genutzt, bei denen die Beleuchtung oben und die Optik unten angebracht ist. In genormte Sedimentationszylinder mit geeichten Volumina werden die Planktonproben gegeben. Nach der Sedimentation können die Plankter auf der sehr dünnen und gerasterten Bodenplatte ausgezählt und damit Dichtebestimmungen vorgenommen werden. Das Umkehrmikroskop von Telmu ist dagegen leicht und handlich. Es muss bei der Untersuchung auf eine Kiste gestellt werden, um einen bequemen Blick in das Okular zu erhalten. Die optischen Eigenschaften (4x, 10x, 20x Objektive, WF10x und WF16x Okulare) entsprechen ungefähr der Qualität des Bresser Biolux. Anstelle von genormten Sedimentationskammern sind zwei Acrylglaszylinder mit dünner Bodenplatte vorhanden. Drei 1,5 Volt AA-Batterien werden in ein Batteriebach eingesetzt. Die Handy-Halterung funktioniert nicht und muss zusätzlich mit einem breiten Gummiband gesichert werden.
Bild 14: Inverted Microscope XD-1606 der chinesischen Firma Telmu 2023. Foto: Telmu
Dem holländische Tuchhändler Antoni van Leeuwenhoek (1632-1723) gelang es im 17. Jahrhundert, einlinsige Mikroskope zu bauen, deren Linsen einen so kleinen Durchmesser hatten, dass sie bis 260-fache Vergrößerungen ermöglichten. Mit seinen berühmten Mikroskopen entdeckte er u. a. Bakterien im Zahnbelag, Kapillargefäße und Spermatozoen bei Wirbeltieren und Insekten.
Unter dem Namen Foldscope wird im Internet ein sehr preisgünstiger Bausatz aus Karton für ein Falt-Mikroskop angeboten. Aus dem bedruckten Karton können die vorgestanzten Einzelteile herausgelöst und mit einer Linse und einem Magnetkoppler zu einem funktionsfähigen Mikroskop zusammengebaut werden. In eine Tasche wird der Objektträger mit dem Präparat eingelegt und durch Einschieben eines Keiles wird fokussiert. Ein verschiebbarer Rahmen hat die Funktion eines Kreuztisches. Es wird auch ein vorgefertigtes, vereinfachtes Foldscope Mini angeboten, bei dem die Scharfeinstellung durch Veränderung des Augenabstandes vorgenommen wird. Die Foldscopes werden weltweit vertrieben, um in armen Ländern Bauern die Untersuchung ihrer Nahrungspflanzen auf Schädlingsbefall zu ermöglichen. Die sphärische Linse aus Borosilikatglas mit 2,38 mm Durchmesser ermöglicht eine 140-fache Vergrößerung mit einer Auflösung von 2 μm. Das Foldscope Mini ist aufgrund seiner überraschenden Leistungsfähigkeit und des geringen Preises für Schüler zur Motivation für die Mikroskopie bestens geeignet. Dabei sollten aber Objektträger aus Kunststoff benutzt werden.
Bild 15: Zusammengebautes Foldscope. Foto: K. Leder
In der Praxis-Phase wurde darüber diskutiert, dass die billigen Mikroskopkästen Jugendliche ansprechende Deckelbilder und auch informative Anleitungen besitzen, dass sie aber nicht halten, was sie versprechen. Die optische Abbildungsqualität und die Handhabung sind so unbefriedigend, dass sehr rasch das Interesse an der Mikroskopie erlischt. Dagegen sind im Internet gebraucht erworbene, intakte Markenmikroskope die bessere Wahl. Auch Mikroskope, wie z. B. das Biolux NG der Fa. Bresser, sind für Anfänger besser geeignet.
Literatur: K. Leder & B. Kainka: Geschichte der Experimentierkästen – Elektrizität, Chemie, Optik, Mechanik und Biologie. ISBN: 9798392675470
Text: Klaus Leder
Bilder: Werbefotos der Firmen Kosmos, Schuco, Besser, Clementoni, Franzis, Telmu
sowie Holger Adelmann, Klaus Leder
Impressionen vom Treffen
Dank
Wir danken unserem Referenten Klaus Leder für den spannenden und informativen Abend mit den vielen Anschauungsobjekten, in denen manch einer sein erstes Mikroskop wieder erkannt hat.