Spross und Blatt vom Oleander (Nerium oleander)
Bild 1: Eine Blütenknospe vor Oleanderlaub
Jörg Weiß, vom 01.08.2014
Als ich vor einiger Zeit beim Discounter einen halb vertrockneter Oleander sah, musste ich an ein Präparat von Anton Berg denken, das schon eine ganze Weile zu meiner Sammlung gehört. Also habe ich das arme Ding mitgenommen - in der festen Absicht, mir ein Blatt einmal genauer an zu sehen.
Bei der Suche nach interessanten Informationen zum Oleander bin ich dann im
Mikroskopie-Forum auch auf einen sehr schönen
Sprossquerschnitt vom User "Muschelblümchen" gestoßen und so musste die Pflanze für Ihre Errettung vor dem Verdursten etwas teurer bezahlen. Keine Angst, es geht ihr gut uns sie dankt es mit vielen Blüten und Knospen.
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Interessantes zum Oleander
Bild 2: Auch wenn sie keine vier Meter hoch ist: die grundsätzlichen Merkmaler des Oleanders lassen sich auch an meiner kleinen Pflanze gut erkennen.
Der Oleander (Nerium oleander, auch Rosenlorbeer genannt), ist die einzige Art der Gattung Nerium innerhalb der Familie der Hundsgift- gewächse (Apocynaceae).
Sein Verbreitungsgebiet er- streckt sich in einem breiten Streifen von Marokko (hier bis in Höhenlagen von 2000 Meter) und Südspanien über das ganze Mittelmeergebiet, den Nahen und Mittleren Osten und Indien bis weit nach China hinein.
Die Pflanze bevorzugt warme und sonnige Standorte mit ausreichend feuchtem Boden. Man findet sie daher regelmäßig an Flussläufen auf steinigen, oft vom Hochwasser zugeschwemmten kalkhaltigen Böden.
Bild 3: Ober- und Unterseite eines Blattes
Der Name Oleander stammt von den zwei Wörtern olea für Öl und andreios für stark, kräftig ab. Der Gattungs- name Nerium leitet sich vom lateinischen Wort nerium für nass ab und weist somit auf den bevorzugten natürlichen Standort dieser Pflanze in Tälern von Fließgewässern hin.
Nerium oleander ist ein immergrüne holziger Strauch, der unter günstigen Bedin- gungen eine Höhe von bis zu vier Metern bei mehreren Metern Breite erreichen kann. Die normalerweise zu dritt quirlig am Ast ange- ordneten lanzettförmigen Laubblätter sind ledrig erreichen eine Länge von 6 bis 10 cm. Die Blattoberseite ist von satt grüner Farbe, während sich auf der hellgrünen Unterseite die Nervatur dunkel abhebt.
Bild 4: Schön sind die fast senkrecht vom Mittelnerv abgehenden Nebennerven zu erkennen, zwischen denen sich ein feines netz von Blattadern ausbreitet.
Der Oleander blüht von Juni bis September. Er bildet trugdoldigen Blütenstände, in denen immer mehrere zwittrige Blüten zusammen stehen. Die Blütenkronblätter der fünfzähligen Blüten sind, je nach Sorte und Züchtung, weiß, gelblich oder in verschiedenen Rosa- bis Violetttönen gefärbt.
Aus befruchteten Blüten entwickeln sich bis zu 15 cm lange Fruchtstände, die später aufplatzen und die hellbraunen, behaarten Samen frei geben.
Bild 5: Eine Blüten, im Hintergrund der trugdoldige Blütenstand
Bild 6: Der aufgeplazte Fruchtstand gibt die Samen frei. Aufnahme aus der aus Wikipedia, 2008, User Frente unter GFDL
Oleander enthält die giftigen Glykoside Oleandrin und Neandrin, alle Pflanzenteile sind giftig. Der Pflanzensaft kann bei Hautkontakt zu Reizungen führen und ruft auch in kleinen Mengen durch z.B. Hautverletzungen aufgenommen Vergiftungserscheinungen hervor. Möglich sind Kopfschmerzen und Krämpfe und in höherer Dosierung sogar ein Herzstillstand.
Immer wieder wird von Vergiftungen berichtet, weil die gerade gewachsenen Zweige des Oleanders als Garspieße beim Grillen am offenen Feuer verwendet werden. Ein Schicksal, das auch Soldaten Napoleons ereilt haben soll.
In der Medizin finden Auszüge vom Oleander Anwendung als Herzmittel und in der Homöopathie nutzt man seine Wirkung bei Schädigung und Schwäche des Herzmuskels, Angina pectoris, Ödemen sowie Entzündungen des Magen- und Darmtraktes.
Bild 7: Zeichnung aus Flora de Filipinas von Francisco Manuel Blanco (1880 - 1883), Wikipedia, gemeinfrei
Präparation
Nach der Probenahme vom oben gezeigten kleinen Strauch habe ich je ein frisches Stück vom Spross (knapp unter dem Blattansatz) und vom Blatt auf dem Handzylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Klingenhalter quer bzw. beim Blatt senkrecht und parallel zum Mittelnerv geschnitten. Die Schnittdicke beträgt ca. 50 µm. Der Spross wurde dabei freistehend eingespannt und das Blatt bekam Unterstützung durch eine Möhre. Wer möchte, findet
hier weitere Informationen zum Schnitt mit dem Handzylindermikrotom.
Einige Aufnahmen vom Frischmaterial vor der Fixierung und Färbung ergänzen später die Bilder von den Präparaten.
Bild 8: Blattquerschnitte mit der Mittelrippe nach der Färbung mit W3Asim II im Wasserbad
Gefärbt habe ich die Schnitte von Spross und Blatt - nach ca. 20-minütiger Schnittfixierung in AFE - mit dem W3Asim II Farbstoff von Rolf-Dieter Müller. Entsprechende Arbeitsblätter können im
Downloadbereich unserer Webseite herunter geladen werden. Nach der Färbung wurde vor dem Entwässern durch häufiges Spülen mit jeweils frischem Aqua dest. sanft differenziert.
Eine ausführliche Beschreibung der W3Asim-Färbungen finden Sie auch auf unserer Webseite:
zum Artikel von Rolf-Dieter Müller.
Verwendete Technik
Alle Aufnahmen entstanden auf dem Leica DM E mit den Objektiven NPlan 5 und 40x sowie den 10x und 20x PlanApos. Die Kamera ist eine Canon Powershot A520 mit Herrmannscher Okularadaption. Zur Zeit nutze ich am Adapter ein Zeiss KPL 10x, das mit den Leica-Objektiven sehr gut harmoniert. Die Steuerung der Kamera erfolgt am PC mit dem Programm PSRemote und der Vorschub wird manuell anhand der Skala am Feintrieb des DM E eingestellt.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.
Auch die Auflicht-Aufnahmen sind unter dem Mikroskop mit dem 10x PlanApo entstanden. Beleuchtet habe ich mit zwei Jansö-Leuchten und einem zurecht geschnittenen Plastikbecher als Diffusor. Das Übersichtsbild vom Spross hingegen ist eine Makroaufnahmen mit der Canon Powershot S3is. Dazu lag das Präparat direkt auf der Frontlinse der Kamera. Beleuchtet habe ich von Oben mit einer Jansjö durch ein Blatt Papier als Diffusor.
Bild 9: Für die Auflichtaufnahmen des Blattes mit zwei Jansjö LED-Leuchten muss ein aus einem Einwegbecher selbst gebastelter Diffusor ran.
Der Spross
Bild 10: Makroaufnahme von einem Sprossquerschnitt in der Übersicht
Werfen wir zunächst einen Blick auf den Spross. Wie oben beschrieben, stehen die Blätter zu Dritt in Wirteln um den Spross. Durch die Blattbasen entsteht dabei ein dreieckiger Querschnitt mit abgerundeten Ecken. In der Übersicht zeigen unter- schiedlich dichte Gewebe den runden Spross im Zentrum der ansitzenden Blattgründe.
Der im Vergleich schmale Leitbündelring ist dreigeteilt und am Übergang zu den Blattgründen von einem breiten Streifen Markparen- chym unterbrochen. Einen dieser drei Teile schauen wir uns nun etwas genauer an:
Leitgewebe im Spross (Bilder 11 bis 17)
Auffällig: oberhalb des Phloems befindet sich kein Sklerenchym sondern zwei Reihen unterschiedlich großer Faserbündel (FB). Auch können wir hier schon ein innen liegendes Phloem (iPl) erkennen. Auf der Epidermis sitzen gedrungene, einzellige Haare (Trichome, Tr). Im Rindenparenchym finden sich besonders viele Drusen. Bei zweihundertfacher Vergrößerung sind die Besonderheiten der Leitgewebe, insbesondere die Faserbündel und das innen liegende Phloem, gut zu erkennen.
Wer die Beschriftung nachlesen möchte, findet
hier auf unserer Webseite eine Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen zum Herunterladen. Diese gilt natürlich auch für die noch folgenden Bilder.
Jetzt müssen wir uns natürlich auch einen Blattgrund genauer ansehen:
Ansatz eines Blattgrundes am Spross (Bilder 18 bis 20)
Der Blattgrund ist im Gegensatz zum Spross nicht behaart, zeigt aber an der Innenseite des Xylems auch Nester innen liegenden Phloems.
Der ungefärbte frische Schnitt zeigt die äußeren Gewebe des Sprosses sehr schön, zumal auch das Assimilationsparenchym in seinem natürlichen Grün leuchtet - was ein gefärbter Schnitt so nicht darstellen kann.
Die äußeren Gewebe des Sprosses (Bilder 21 bis 22)
Die Zellen des Assimilationsgewebes unter dem Kollenchym enthalten viele leuchtend grüne Chloroplasten. Die kompakten Trichome sind für die hohe Anzahl von 49 Einzelaufnahmen verantwortlich, aus denen die Aufnahmen gestapelt wurden.
Das Blatt
Vom Blatt habe ich Schnitte in zwei Ebenen gemacht: einmal senkrecht zur Mittelripp (S1) und einmal parallel zu dieser (S2). Die Lage der Schnitte verdeutlicht die folgende Abbildung 23:
Bild 23: Lage der unterschiedlichen Blattquerschnitte S1 und S2
Ein Querschnitt durch die Mittelrippe und die anschließenden Teile der Blattspreite geben uns einen guten Überblick (Schnitt S1). Bei der Gelegenheit werfen wir auch gleich einen Blick auf die Leitbündel in der Mittelrippe.
Querschnitt durch die Mittelrippe (Bild 24 bis 29)
Im Zentrum der Mittelrippe liegt das sichelförmig gebogene Leitgewebe. Das Markparenchym ist von einzelnen Phloemnestern durchzogen, die sich zum primären Xylem hin häufen. Die Rippe wird oben und unten durch ein Kollenchym unterhalb der Epidermis verstärkt. Hier ist auch schon ein mehrreihiges Palisadenparenchym zu erkennen und auf der linken Seite sehen wir eine kleine Stomagrube, die wir uns im Folgenden noch genauer ansehen.
Nun zum allgemeinen Bau der Blattspreite, hier dargestellt mit Schnitten aus den beiden Ebenen S1 und S2. Auch hier zeigen die ungefärbten und unfixierten Schnitte wunderbar die grünen Chloroplasten im mehrreihigen Palisaden- parenchym an der Blattoberseite. Zur Blattunterseite hin finden wir ganz klassisch ein Schwammparenchym und eingebettet in die Gewebe die kleineren und größeren Leitbündel, die sich makroskopisch als Blattnerven abzeichnen, was besonders in Bild 4 sehr schön zu sehen ist.
Die Blattspreite im Querschnitt (Bild 30 bis 35)
Die eigentliche Besonderheit der Oleanderblätte sind jedoch die behaarten Stomagruben an der Blattunterseite. Nur dort finden sich die Blattspalte, was die Verdunstungsrate herabsetzt und die Pflanze vor Austrocknung schützt. Sie kann also auch in der Tagesmitte Photosynthese betreiben - ein Vorteil, der ihr ein schnelleres Wachstum erlaubt. Ausserdem kann sie an ihren bevorzugten Standorten in Flußtälern auch Trockenheit im Sommer besser überstehen.
Hier lohnt es sich ganz besonders, einmal genauer hin zu sehen:
Stomagruben an der Blattunterseite (Bild 36 bis 41)
Den Abschluss bildet eine Aufnahme der Blattunterseite im Auflicht, die schön die Öffnungen der Stomagruben zeigt, aus denen je ein dichter "Wald" von Trichomen quillt. Begrenzt wird das hier gezeigte Feld mit Stomagruben auf allen Seiten von Blattnerven - also Leitbündeln, die hier als dunklere, glatte Gewebe erkennbar sind.
Bild 42: Blattunterseite mit behaarten Stomagruben im Auflicht, Vergrößerung 100x, Stapel aus 51 Bildern
Literatur
[1] Anatomy of Seed Plants, 2nd Edition
Katherine Esau, Wiley-India Reprint 2011.
[2] Pflanzenanatomisches Praktikum I
Braune, Leman, Taubert, Spektrum 2007.
[3] Botanische Schnitte mit dem Zylindermikrotom
Jörg Weiß, MBK 2011
[4] Wacker für Alle
W3Asim Färbungen von Rolf-Dieter Müller, MKB 2011
[5] Tabelle der Abkürzungen zur Pflanzenanatomie
Jörg Weiß, MKB 2013
Bildquellen
- Bild 6: Fruchtstand des Oleanders
Quelle: Wikipedia, 2008; User "Frente" (GDFL)
- Bild 7: Illustration zum Oleander
Zeichnung aus Flora de Filipinas
von Francisco Manuel Blanco (1880 - 1883),
Wikipedia, gemeinfrei
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