Anatomie und Funktion der Pflanzenwurzel
Bonn, vom 16.02.2017
Im Februar konnten wir wieder einmal Herrn Dr. Bodo Maria Möseler vom INRES der Universität Bonn bei uns begrüßen. Seinen letzten Vortrag zum Thema Blätter noch in bester Erinnerung, freuten sich die Kolleginnen und Kollegen des gut besuchten Treffens auf einen interessanten und unterhaltsamen Abend mit unserem Referenten und wurden - natürlich - nicht enttäuscht.
Nach einem kurzweiligen Vortrag konnten die Teilnehmer anhand mitgebrachter Proben verschiedener Pflanzen eigene Schnitte und Präparate erstellen und diskutieren - eine Möglichkeit, die rege genutzt wurde.

Einige Teilnehmer des Abends im regen Austausch mit Herrn Dr. Möseler
Zur Funktion der Pflanzenwurzeln
Die Wurzel ist neben Blatt und Spross das dritte Hauptorgan der Pflanzen und kann vielfältige Aufgaben übernehmen. Neben der Verankerung im oder am jeweiligen Substrat dienen sie der Aufnahme von Wasser und Mineralen sowie der Speicherung von Reservestoffen. Auch bei verschiedenen Formen der Symbiose mit Pilzen (Mykorhiza) oder Algen (Korallenwurzel) spielen sie ihre Rolle genau wie bei der parasitischen oder teilparasitischen Lebensweise einiger Pflanzen. Viele Funktionen könne erst durch entsprechende Anpassungen (Metamorphosen) wahrgenommen werden:
- Aufnahme von Wasser und Nährsalzen (Mineralien) durch die Wurzelhaare an den Spitzen der feinen Seitenwurzeln
- Befestigung im Boden mit unterschiedlichen Anpassungen je nach Stand- ort, z.B. Brettwurzeln tropischer Bäume
- Speicherung von Reservestoffen z.B. bei der Möhren
- Atemwurzeln zur Belüftung des Wurzelsystems an sehr feuchten Stand- orten, z.B. Atemknie bei einigen Zypressenarten
- Luftwurzeln epiphytischer Pflanzen wie z.B. bei den Orchideen aber auch bei Ficus
- Wurzeldornen zur Verteidigung vor Fressfeinden, z.B. bei einigen Palmen- arten
- Haustorien zum "Anzapfen" der Leitbahnen eines Wirtes, z.B. bei den Misteln
- Zugwurzeln zum Positionieren des Sprosses, z.B. bei vielen Zwiebel- pflanzen
- Symbiosen mit Wurzelknollen wie bei den Lupinen oder Korallenwurzeln bei einigen Palmfarnen
Alle diese Funktionen führen zu einer entsprechend angepassten Anatomie, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Unterschiedliche Wurzeltypen für die jeweilige Aufgabe
Zur Anatomie der Pflanzenwurzeln
Betrachten wir zunächst den Bau der primären Wurzel. An der Spitze finden wir gut geschützt unter der Wurzelhaube, die das Eindringen der feinen Wurzel ins Erdreich erleichtert, die Meristemzone, also das Bildungsgewebe der Wurzel. Die hier durch Zellteilung entstehenden Zellen differenzieren sich in der Streckungszone zu den unterschiedlichen Geweben der Wurzel.
Im Anschluss an die Streckungszone finden wir die Wurzelhaar- oder Differenzierungszone. Hier ist die Wurzel von der mit Wurzelhaaren versehenen Rhizodermis umgeben, die über ihre große Oberfläche die Aufnahme des von der Pflanze benötigten Wassers mit den darin gelösten Nährsalzen ermöglicht.
Oberhalb der Wurzelhaarzone stirbt die Rhizodermis ab und die darunter liegende Exodermis übernimmt nun die Funktion des Abschlussgewebes. In der Wurzel setzt nun das sekundäre Dickenwachstum ein. Sie nimmt an Dicke zu, es bilden sich Seitenwurzeln und sie verholzt mit zunehmendem Alter. Bei langlebigen Arten wie Bäumen und Sträuchern verleiht letztlich die vollständig verholzte Wurzel der Pflanze die notwendige Stabilität durch die tiefe Verankerung im Boden.
Die Leitgewebe der Wurzel liegen im sogenannten Zentralzylinder. Im Wurzelinnern liegt - bei manchen Arten um ein Markparenchym - angeordnet, das sternförmig angeordnete Xylem. Je nach Anzahl der Xylemstrahlen unterscheidet man diarche, triarche, tetrache und polyarche Xyleme, also je nach dem, ob diese zwei, drei, vier oder 5 und mehr Xylemstränge aufweisen. Zwischen jeweils zwei „Strahlen“ eines solchen Wurzel-Xylems liegt je ein primärer Phloemstrang.

Anatomie der primären Wurzel, Erläuterungen im Text (public domain, basierend auf einer Zeichnung aus Wikipedia mit niederländischen Bezeichnungen)
Eine polyarche Wurzel am Beispiel der Weißen Fledermausblume
Die Weiße Fledermausblume (Tacca integrifolia) aus der Familie der Yamswurzelgewächse (Dioscoreaceae) hat ihr Verbreitungsgebiet in Nordostindien, Malaysia und Thailand sowie auf den indonesischen Inseln Sumatra, Borneo und Java. Sie wird wegen ihres auffälligen Blütenstandes als Zimmerpflanze kultiviert. Unser Referent hatte uns eine junge Pflanze zur Verfügung gestellt, von deren Wurzel mit polyarchem Xylem wir Schnitte erstellt haben.
Die Weiße Fledermausblume

Unsere Probepflanze mit Schnittführung
Bilder von den Wurzelquerschnitten der Weißen Fledermausblume
Eine Tabelle mit Erläuterungen zu den verwendeten Abkürzungen in den Bil- dern finden Sie
hier.
Wie kommt das Wasser in die Wurzel?
Die Wurzelhaare in den Wurzelhaarzonen der Wurzeln einer Pflanze bilden zusammen eine riesige Oberfläche, an der Wasser durch Kapillarkräfte in die Zellzwischenräume und Zellwände aufgenommen und weitergeleitet wird (apoplastischer Weg des Wassers). Es gelangt aber auch Wasser ins Innere der Zellen, das dort durch das Zellplasma über die Tüpfel von Zelle zu Zelle weiter gegeben wird (symplastischer Weg des Wassers).
Die von der Pflanze benötigten Nährsalze werden in gelöster Form mit dem Wasser auf dem symplastischen Weg aufgenommen und weiter transportiert. Das apoplastisch eindringende Wasser gelangt im Innern der Wurzel auf diesem Weg nur bis zur Endodermis, die den Zentralzylinder der Wurzel umgibt und diesen gegen eindringendes Wasser wirksam abriegelt. Ihre Zellen sind durch die sogenannten Casparischen Streifen sowie eine Suberinlamelle und eine dicke Zellulosewand gegeneinander und nach außen abgedichtet. Der apoplastische Weg des Wassers durch Zellwände und Zellzwischenräume ist hier also effizient unterbrochen. Hinein in den Zentralzylinder geht es nur durch die sog. Durchlasszellen. Dies sind spezielle Zellen, die stets nur den Casparischen Streifen aufweisen, nicht aber die anderen Abdichtungen wie Suberinlamelle und dicke Sekundärwand. In den Durchlasszellen der Endodermis wird das auf dem apoplastischen Weg in die Wurzel eingedrungene Wasser samt der darin enthaltenen gelösten Nährsalze auf den symplastischen Weg gezwungen, sodass kein Wasser verloren geht.
Später sorgen napfförmige Wandverdickungen aus Cellulose in den Zellen der Endodermis für eine zusätzliche Abdichtung und Stabilität (tertiäre Endodermis).

Endodermis mit Durchlasszelle und angrenzende Gewebe (Wikipedia, Griensteindl, public domain). 1 - Durchlasszelle, 2 - Rindenparenchym, 3 - tertiäre Endodermis mit Wandverstärkungen aus Cellulose, 4 - Perizykel, 5 - Phloem und 6 - Trachee (Xylem).
Nun noch einige Impressionen von Wurzelschnitten verschiedener Pflanzen.
Wurzel der Indischen Zwergbanane (Musa cf. mannii)
Wurzel der Goldfruchtpalme (Dypsis lutescens)
Wurzel der Palmetto-Palme (Sabal palmetto)
Wurzel des Gartenbambus (Fargesia murieliae)
Korallenwurzel von Rumpfs Palmfarn (Cycas rumphii)
Wurzeln der Weißfrüchtigen Mistel (Viscum alba)
Wurzel des Teufelszwirns (Cuscuta spec.)
Dank
Wir danken Herrn Dr. Möseler für den sehr schönen Abend und freuen uns auf seinen nächsten Vortrag zum Spross der Pflanzen, der diese kleine Vortragsserie zu den Hauptorganen der Pflanzen in nicht allzuferner Zukunft abschließen wird.