Der Spitz-Ahorn (Acer platanoides)

Habitus des Spitz-Ahorns
Jörg Weiß, vom 02.07.2021
Bricht man den Blattstiel eines Spitzahornblattes durch oder verletzt ihn anderweitig, erscheint ein weißer Milchsaft. Das der Spitzahorn zumindest im Blattstiel Sekretgänge hat, die ein milchig-weißes Sekret produzieren, war mir bisher nicht bekannt. Neugierig geworden, habe ich mir die Pflanze anhand von Proben aus der heimischen Siegaue etwas genauer angesehen und hier nun die Ergebnisse.
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Interessantes zum Spitz-Ahorn
Der Spitz-Ahorn gehört in Deutschland zu den häufigsten Bäumen in Parks und Alleen und erfreut im Frühjahr mit dem frischen Grün seiner Blütendolden, oft lange bevor er selbst und andere Bäume Blätter austreiben. Er gehört zur Familie der Seifenbaumgewächse (Sapindaceae) und in der Botanik ist die Schreibweise Spitz-Ahorn üblich, um auf die Zugehörigkeit zur Gattung der Ahornbäume (Acer) hin zu weisen.
Wie bei sehr häufigen Pflanzen üblich, kennt man zu Acer platanoides sehr viele regional geprägte Trivialnamen, von denen einige, wie z.B. Milchbaum, Weißahorn oder Großer Milchahorn schon auf den eingangs erwähnten Milchsaft hinweisen. Aber auch gänzlich andere Namen sind oder waren regional üblich. Hier eine kleine Auswahl aus der langen Liste, die ein fleißiger Wikipedia-Autor zusammen getragen hat: Gänsefussbaum, Gänssbaum, Lähn (Mecklenburg), Epeler, Flaschebaum (Siebenbürgen), Breitläube (Mark bei Luckau) oder Lehne, Lenne, Löhne, Leinbaum, Leimbaum, Linbaum (Sachsen).
Acer platanoides ist über weite Teile Europas und Asiens verbreitet. Sein Vorkommen reicht im Norden bis Mittelschweden und Südfinnland und im Nordosten bis zum Ural. Damit ist er von den europäischen Ahornarten diejenige, deren natürliche Vorkommen am weitesten nach Norden reicht. Allerdings fehlt der Spitzahorn in Teilen Nordwestdeutschlands und im Großteil Frankreichs. Im Süden findet man ihn in den Pyrenäen, im Apennin und in den Gebirgen Griechenlands und Kleinasiens sowie im Kaukasus.

Bild 1: Verbreitungsgebiet des Spitz-Ahorns
Somit ist der Spitz-Ahorn ein Baum, der gemäßigtes, kontinentales Klima bevorzugt, man findet ihn im Gebirge auf Höhen bis zu 1000, selten bis 1600 Meter Höhe. Sein natürliches Habitat sind Eichen-Mischlaubwälder mit Linden, Eschen, Stiel-Eichen und Berg-Ulmen.
Acer platanoides ist ein sommergrüner Baum, und mit einer durchschnittlichen Wuchshöhen von 15 bis 25, selten 30 Metern nicht ganz so hoch wie der verwandte
Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus). Er erreicht ein Alter von etwa 150 bis 200 Jahren. Die Rinde des ausgewachsen 60 bis 100 cm dicken Stamms ist in der Jugend glatt und blassbraun. An alten Bäumen zeigt die dunkelbraune bis graue Borke eine Struktur mit Längsrissen. Bei Verletzung der Laubblätter oder der jungen Zweige tritt der schon erwähnte Milchsaft aus, was beim Blattstiel besonders deutlich wird.

Bild 2: Stamm eines alten Spitzahorns

Bild 3: An der Bruchstelle des Blattstiels tritt Milchsaft aus
Die gegenständig an den Zweigen angeordneten Laubblätter haben eine handförmige, fünf- bis siebenlappig Blattspreite mit lang zugespitzten, ganzrandigen Blattlappen. Die Oberseite ist glänzend dunkelgrün, die Unterseite hellgrün und nur auf den Blattnerven schwach behaart. Dabei sind die Buchten zwischen den Blattlappen immer stumpf. Die Blattspreite erreicht eine Größe von 10 bis 18 cm, der ebenfalls hellgrün gefärbte und manchmal an der der Sonne zugewandten Seite rot überlaufene Blattstiel kann bis zu 20 cm lang werden. Die attraktive Herbstfärbung ist gelb-orange.

Bild 4: Blattwerk des Spitz-Ahorns
Die dem Feld-Ahorn ähnlichen, frisch gelbgrünen Blüten stehen in aufrechten, doldentraubigen Blütenständen. Es kommen sowohl zwittrige als auch eingeschlechtige weibliche und männliche Blütenstände vor. Oft – aber nicht immer – sind die Geschlechter auf verschiedene Individuen verteilt – die Geschlechterverteilung ist also unvollständig zweihäusig. Die Blütezeit ist im April bis Mai und beginnt schon vor dem Austrieb der Laubblätter. Der Spitzahorn ist auf Fremdbestäubung angewiesen, die durch Bienen, Hummeln und andere Insekten erfolgt.

Bild 5: Blüten des Spitz-Ahorns
Die Früchte des Spitz-Ahorns sind paarweise geflügelte Nüsschen (Samara), deren Flügel stumpfwinkelig bis waagerecht abstehend. Wie die auffälligen Flügel erahnen lassen, werden die Früchte vom Wind verbreitet. Da sich der Fruchtknoten bei der Reife spaltet, wird die Frucht auch Spaltfrucht genannt.

Bild 6: Reife Samara und Herbstlaub des Spitz-Ahorns

Bild 7: Illustration zum Spitz-Ahorn, aus Flora von Deutschland, Österreich u.d. Schweiz, Gera (1885)
Kurz zur Präparation
Geschnitten habe ich den Blattstiel und den Spross freistehend und das Blatt in Möhreneinbettung auf dem Tempelchen (Zylindermikrotom im Halter als Tischmikrotom) mit Leica Einmalklingen 818 im SHK Halter und im neuen 14° Klingenhalter von Cutters.
Die Schnittdicke beträgt je ca. 50µm.
Anschließend habe ich wie immer einige Aufnahmen von den frischen, unfixierten Schnitten gemacht.
Fixiert wurden diese für ca. 12 Stunden in AFE. Nach Überführen in Aqua dest. waren die Schnitte dann bereit für die Färbung.
Die Färbung ist W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller. Gefärbt habe ich mit dem Farbgemisch für ca. 8 Minuten mit einmaligem leichten Erwärmen.
Anschließend habe ich wieder gut mit Aqua dest. gespült und für ca. 8 Stunden mit einmaligem Wechsel des Wassers sanft differenziert.
Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal.
Die verwendete Technik
Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem NPlan 5x sowie den PlanApos 10x, 20x 40x und 100x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image in der Version 8.0 ran.
Der Blattstiel
Beginnen wir mit dem Blattstiel!
Bilder 8a-c: Hier sehen wir zunächst Bilder vom frischen, ungefärbten Blattstiel
Bilder 9a-g: Nun die Aufnahmen vom mit W3Asim I gefärbten Blattstiel
Von innen nach außen betrachtet finden wir das Markparenchym (MP) umgeben von einem Ring ineinander übergehender Leitbündel aus Xylem (Xl), Cambium 8Ca) und Phloem (Pl). Am äußeren Rand des Phloems sitzen viele große Sekretgänge (SG) - die Quelle des Milchsafts ist gefunden. Wie zu erwarten folgen weiter außen die Sklerenchymkappen der Leitbündel (Skl), das Rindenparenchym (RP) und hinter einem mehrreihigen Kollenchym (Kol) dann abschließend Epidermis (Ep) und Cuticula (Cu).

Bild 10: Zum Vergleich Nach der Bleiche mit Eau de Javel fällt sie Färbung trotz identischem Protokoll anders aus
Besonders auffällig im Vergleich zu den Aufnahmen 9d&e ist die dort unvollständige Anfärbung des Sklerenchyms, das hier im gebleichten Schnitt kräftig rot gefärbt ist. Mal wieder eine Färbefalle: bei der Interpretation der Schnitte hätte ich ohne den Vergleich darauf hingewiesen, dass die Zellen des Sklerenchyms nicht vollständig verholzt sind (da sie eben nicht kräftig rot erscheinen). Ob hier Reste des Milchsafts der in der Nähe liegenden Sekretgänge auf die Zellwände aufgezogen sind und eine saubere Anfärbung durch das Acridinrot der W3Asim I Färbung verhindert haben?
Das sich durch die zu lange Einwirkzeit des Eau de Javel auflösende Rindenparenchym fällt natürlich auch sofort in Auge.
Die Blattspreite
Und weiter geht es mit der Blattspreite!
Bilder 11a-c: Die Mittelrippe der Blattspreite in Aufnahmen der frischen, ungefärbten Schnitte
Bilder 12a-e: Und nun die mit W3Asim I gefärbten Schnitte
Der Aufbau der Mittelrippe entspricht dem des Blattstiels, von innen nach außen finden wir wieder Markparenchym (MP), Leitgewebe mit Xylem (Xl) und Phloem (Pl), auch hier die Sekretgänge (SG) und eine kräftigen Sklerenchymring (Skl), diesmal auch ohne Bleiche sauber rot angefärbt. Im Rindenparenchym (RP) finden wir rechts auf 1 Uhr ein abzweigendes Leitbündel (LB), den Abschluss bilden wieder Kollenchym (Kol), Epidermis (Ep) und Cuticula (Cu). Die in der Beschreibung erwähnte leichte Behaarung der Mittelrippe ist in Form einiger Trichome (Tr) ebenfalls zu sehen.
Bilder 13a-c: Das Gewebe der Blattfläche in Aufnahmen vom frischen, ungefärbten sowie gefärbten Schnitt
Wir sehen ein klassisches, bifaziales Laubblatt: Von oben nach unten mit Cuticula (Cu) und Epidermis (Ep), dem zweireihigen Assimilationsparenchym (AP), darunter das Schwammparenchym (SP) und wieder Epidermis und Cuticula. In der unteren Epidermis eingelagert finden wir einige Stomata (St).
Zentral im Bild eine Blattrippe mit Leitbündel (LB) sowie einer Versteifung aus Sklerenchymzellen (Skl).
Die gesamte Blattfläche ist ca. 140 µm dick, davon entfallen etwa 50 bis 60 µm auf das Assimilationsparenchym und 40 bis 50 µm auf das Schwammparenchym.
Der Spross
Kommen wir nun zum Spross und schauen zunächst einmal nach den frischen Schnitten.
Bilder 14a,b: Frischer, ungefärbter Sprossquerschnitt
Bilder 15a-h: Mit W3Asim I gefärbte Querschnitte vom Spross des Spitz-Ahorns
Wieder von innen nach außen: im Zentrum des Schnittes finden wir das Markparenchym (MP), gefolgt vom primären Xylem (pXl), dem Xylem mit den Tracheen (Xl) & (T) sowie dem Cambium (Ca) und dem Phloem (Pl). Durch die Leitgewebe hindurch verlaufen die Markstrahlen (MS). Im Xylem sind 3 Jahresringgrenzen (JRG) erkennbar, der Spross war zum Zeitpunkt der Probenahme also gut 3 Jahre alt und die Wachstumsphase des 4. Jahres hatte bereits begonnen.
Außerhalb des Phloems dann wieder Sekretgänge (SG) und anschließend das Sklerenchym (Skl). Dann folgen Rindenparenchym (RP) und Kollenchym (Kol). Den Abschluss bildet hier allerdings keine einfache Epidermis mit Cuticula, sondern ein Periderm (Per) mit Phelloderm (Pd), Phellogen (Pg) und Phellem (Ph).
An den Schnittflächen der Sprossprobe war allerdings trotz der recht hohen Anzahl an Sekretgängen kein Milchsaft mehr zu erkennen. In der Beschreibung zu A. platanoides heißt es aber, dass auch an den Bruchstellen junger Sprosse Milchsaft austritt. Ok, ein gut 3 Jahre alter Spross ist vielleicht nicht mehr jung genug - aber was geht dann da vor?
Anhand der Präparierten Schnitte ist durch Fixierung, Färbung und Entwässerung nichts mehr von einem eventuellen Sekret zu erkennen. Es hat, wie beim Blattstiel, allenfalls noch Auswirkung auf die Färbung. Also muss man bei den ungefärbten Schnitten etwas genauer hinsehen.
Bilder 16a-e: Sekret an frischen Sprossquerschnitten
Schaut man genau hin, entdeckt man beim frischen, ungefärbten Schnitt in der Nähe der Sekretgänge (SG) leicht grünliche Flüssigkeitsblasen, die nicht homogen sind, sondern tröpfchenförmige Einschlüsse aufweisen (Schnitt und Beobachtung unter Ethanol 30%). Das Sekret (Sek) ist also gefunden.
Die weiße Farbe des Milchsafts weist m.E. auf eine Emulsion hin. Hier scheint sich also im älteren Spross die Zusammensetzung des Sekrets zumindest in so weit geändert zu haben, dass die ölhaltigen Tröpfchen nicht mehr fein genug verteilt sind, um über Reflexion die weiße Farbe hervorrufen zu können.
Literatur und Links
[1] Mikroskopisch-botanisches Praktikum
Gerhard Wanner
, Thieme, 2. Auflage 2010
[2] Pflanzenanatomie
Katherine Esau, Gustav Fischer Verlag, 1969
[3] Botanische Schnitte mit dem Zylindermikrotom
Jörg Weiß, MBK 2011
[4] Botanische Färbungen im Vergleich
Jörg Weiß, MKB 2019
[5] Tabelle der Abkürzungen zur Pflanzenanatomie
Jörg Weiß, MKB 2013
[6] Grundkurs Gehölzbestimmung, Quelle & Meyer, 2009
Rita Lüder
Quelle & Meyer, 2009
[8] Der Spitz-Ahorn (Acer platanoides)
Wikipedia, Stand 01.07.2021
Bildquellen
- Bild Habitus des Spitz-Ahorns
Aus Wikipedia, User Willow, CC BY-SA 2.5
- Bild 1: Verbreitungsgebiet des Spitzahorns
Aus Wikipedia, User MPF, CC BY-SA 4.0
- Bild 2: Stamm eines alten Spitz-Ahorns
Aus Wikipedia, User Jean Pol Grandmont, CC BY-SA 3.0
- Bild 6: Reife Samara und Herbstlaub des Spitz-Ahorns
Aus Wikipedia, User Robert Flogaus-Faust, CC BY-SA 4.0
- Bild 7: Illustration zum Spitz-Ahorn
Aus Wikipedia, Otto Wilhelm Thomé:
Flora von Deutschland, Österreich u.d. Schweiz, Gera (1885)
(modified); User Kilom691, CC BY-SA 3.0
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