Die Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium)

Bild 1: Die Gemeine Schafgarbe in typischer Gesellschaft
Jörg Weiß, vom 22.03.2020
Aufgrund einer Diskussion im Mikroskopie-Forum zu den Leitbündeln der Schaf- garbe wollte ich mir die Pflanze gerne einmal selbst ansehen. Nun ist es Anfang März eigentlich zu früh für eine frische Probe von der Schafgarbe: die meisten Pflanzen zeigen trotz des ungewöhnlich milden Win- ters nur eine erste Blattrosette und nur wenige treiben tatsächlich schon Sprosse mit Blütenknospen in die Höhe. Diese sind aber sehr jung und so gut wie unverholzt - also nicht wirklich geeignet.
Allerdings blühte seit etwa Mitte Februar (sic!) ein Exemplar an einem Kreisel in Sindorf, wohl gut geschützt durch dahinter stehende, noch kahle Sträucher und gewärmt vom im Herbst aufgebrachtem dunklen Rindenmulch. Da habe ich dann zugegriffen. Die Ergebnisse finden Sie im Folgenden.
Artikelinhalt
Interessantes zur Gemeinen Schafgarbe
Die Gemeine Schafgarbe oder Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium) ist eine Pflanzenart aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Sie ist auch die namensgebende Art für die schwierige Gruppe Achillea millefolium agg..
Der Gattungsname Achillea geht auf Achilles, den sagenhaften Helden des trojanischen Krieges zurück, der die Pflanze als Droge entdeckt und zur Wundheilung verwendet haben soll (Ilias, 11. Gesang, Vers 822ff.). Der Artname millefolium (= Tausendblatt) beschreibt hingegen die fein zerteilte Blattspreite.
Weitere bekannte Namen sind: Achilleskraut, Blutstillkraut, Gänsezungen, Grützblume, Kachel, Zangeblume, Feldgarbenkraut, Grundheil (Hier nur eine kleine Auswahl, in der Wikipedia sind über 50 teils lokale Namen aufgeführt).
Namen wie Blutstillkraut und Grundheil weisen dabei auf den (volks-)medizinischen Nutzen der Pflanze hin.

Bild 2: Ein Einzelner Spross mit dem typischen Gesamtblütenstand
Die Gewöhnliche Schafgarbe ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, die eine Wuchshöhe von sieben bis 100 Zentimetern erreicht. Das dünne und waagrechte Rhizom bildet bis zu 50 Zentimeter lange unter- oder oberirdische Ausläufer mit sterilen Trieben. Die Laubblätter sind zwei- bis vierfach fiederteilig und haben über 15 Fiederpaare erster Ordnung. Die unteren Blätter sind gestielt, die oberen sind sitzend und haben vergrößerte basale Fiedern. Die Stängelblätter haben einen lanzettlichen bis linealischen Umriss und sind drei- bis zwölfmal so lang wie breit. Ihre Fiedern sind einander genähert oder berühren sich sogar. Die Grundblätter sind stärker geteilt als die Stängelblätter.

Bild 3a/b: Blattober- und Unterseite mit Fiederung und dichter Behaarung
Der doldenrispige Gesamtblütenstand enthält zahlreiche körbchenförmige Teilblütenstände. Die Blütenkörbchen besitzen eine 3 bis 6 Millimeter hohe becherförmige Hülle, deren Durchmesser breiter als 2 Millimeter ist. Die mehrreihig angeordneten Hüllblätter sind hautrandig. Die Blütenkörbchen enthalten Röhren- und Zungenblüten. Es gibt vier bis sechs Zungenblüten, deren Zunge circa so lang wie breit ist und ein Drittel so lang bis gleich lang wie die Hülle. Die Kronröhre der Zungenblüten ist höchstens so lang wie die Zunge (Ausnahmen: Achillea setacea und Achillea collina). Die Zungenblüten sind oberseits weiß, selten rosa. Die Röhrenblüten sind ebenfalls weißlich oder rötlich. Die Blütezeit reicht meist von Mai bis Juni. Die Samen sind dicht behaarte Achänen mit einer Länge von 2 bis 2,5 mm bei einer Breite von um die 0,8 mm.

Bild 4: Kleiner Blütenstand mit Fliege

Bild 5: Achänen der Gewöhnlichen Schafgarbe, Aufnahme von Steven Hurst
Die Eigentliche Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium s. str.) hat längliche Grund- und untere Stängelblätter. Diese stehen dicht bis entfernt. Die Fiedern der Blätter sind höchstens zweimal so lang wie breit. Die Laubblattspindel (Rhachis) ist ganzrandig und besitzt nie Zwischenfiedern.
Der Hauptschirm ist weniger dicht und nie von seitlichen Schirmkorbrispen übergipfelt. Er hat einen Durchmesser von vier bis 15 Zentimetern. Die Internodien in der Stängelmitte sind sehr selten verkürzt.
Traditionell werden bei der eigentlichen Gewöhnlichen Schafgarbe zwei Unterarten unterschieden, die jedoch keine einheitlichen Sippen sind. Die genauere Erforschung ist noch nicht abgeschlossen:
Die Sudeten-Schafgarbe (Achillea millefolium subsp. sudetica (Opiz) Weiss)
hat meist dunkelbraun berandete Hüllblätter. Die Zungen sind oft (dunkel)rosa und meist so breit bis breiter als lang. Die Kronröhre ist kürzer als die Zunge. Sie erreicht eine Wuchshöhe von acht bis 60 Zentimetern. Sie wächst in subalpinen bis alpinen Rasengesellschaften. In den Allgäuer Alpen steigt sie von 900 Metern bis zu einer Höhenlage von 2090 Metern am Diedamskopf-Gipfelgrat im Vorarlberger Teil auf. Sie zerfällt in Österreich in mindestens zwei Sippen.

Bild 6: Ein tiefrosaner bis pinkfarbener Blütenstand (zwei Pflanzen auf einer Wiese in Sindorf; Gartenflüchtlinge?)
Die Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium subsp. millefolium)
hat grünlich bis hellbraun berandete Hüllblätter. die Zungen sind weiß bis rosa, selten dunkelrosa. Die Wuchshöhe beträgt 20 bis 100 Zentimeter. Sie wächst auf Wiesen und Halbtrockenrasen sowie an Wegrändern auf nährstoffreichen, frischen bis mäßig trockenen, lockeren Böden in der collinen bis montanen (subalpinen) Höhenstufe. Diese Sippe ist sehr vielgestaltig und uneinheitlich. Wahrscheinlich ist es eine aus mehreren Unterarten bestehende Gruppe von Kleinarten.

Bild 7: Ein nur dezent rosa gefärbter Blütenstand
Die Gemeine Schafgarbe wird als Gewürz- und Arzneipflanze verwendet. Auch zum Färben von Wolle ist sie geeignet, sie liefert eine gelbgrüne Farbe.
Als Arzneidroge werden oberirdische Teile der Gemeinen Schafgarbe wie Stängel, Blätter und die Blüten genutzt (Schafgarbenkraut, lat. Millefolii herba; Schafgarbenblüte, lat. Millefolii flos). Sie können als Aufguss oder als Frischpflanzenpresssaft verarbeitet werden. Zubereitungen aus Schafgarbenkraut wirken gallenflussanregend (choleretisch), antibakteriell, zusammenziehend (adstringierend) und krampflösend (spasmolytisch).
Innerlich wird Schafgarbenkraut vorwiegend bei Anorexie (Appetitlosigkeit) und dyspeptischen Beschwerden verwendet (Völlegefühl, krampfartigen Erscheinungen im Verdauungstrakt, Flatulenzen [Blähungen]). Weitere Anwendungsgebiete sind schmerzhafte Krampfzustände psychovegetativen Ursprungs im kleinen Becken der Frau, hierzu werden aus dem Schafgarbenkraut Sitzbäder bereitet.
Volksheilkundlich wird Schafgarbenkraut zur Anregung der Gallensaftproduktion eingesetzt sowie bei Blasen- und Nierenerkrankungen und Menstruationsbeschwerden. Äußerlich werden Schafgarbenauszüge aufgrund ihrer antibakteriellen und adstringierenden Wirkung bei Entzündungen, Wunden, Hämorrhoiden und zur Minderung übermäßiger Schweißbildung verwendet, eine Wirksamkeit ist nicht belegt. Gesichert gilt die hepatoprotektive (die Leber schützende) Eigenschaft von Achillea millefolium und deren Extrakten.

Bild 8: Illustration aus der Flora von Deutschland, Österreich u.d. Schweiz
Wie Sie sehen, gibt es über die auch im übertragenen Sinne Allerweltspflanze viel zu sagen. In der Wikipedia [6] finden Sie noch mehr.

Bild 9: Illustration zur Gewöhnlichen Schafgarbe aus dem Jahr 1546: die Pflanze hat die Menschen schon früh beschäftigt
Kurz zur Präparation
Geschnitten habe ich den frischen Spross freistehend auf dem
Tempelchen (Zylindermikrotom im Halter als Tischmikrotom) mit Leica Einmalklingen 818 im SHK Halter.
Die Schnittdicke beträgt ca. 50µm.
Fixiert wurden die Schnitte für ca. 24 Stunden in AFE. Nach Überführen in Aqua dest. waren die Schnitte dann bereit für die Färbung.
Gefärbt habe ich mit W-Asim III nach Rolf-Dieter Müller für ca. 20 Minuten in Rhodamin B und nach gutem Ausspülen mit Aqua dest. für weitere 15 Minuten in Alcianblau/Acriflavin.
Anschließend habe ich gut mit Aqua dest. gespült, eine Differenzierung ist bei dieser Färbung nicht notwendig.
Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal.

Bild 10: Präparate auf der Wärmeplatte
Die verwendete Technik
Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem 5x NPlan und den PlanApos 10x, 20x und 40x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image in der Version 8.0 ran.
Der Spross
Da die Suche der Frage galt, ob es bei der Gewöhnlichen Schafgarbe ein innen liegendes Phloem, also ein Bikollaterales Leitbündel gibt, betrachten wir hier nur den Sprossquerschnitt. Um bei der gerade erst ausgetriebenen Pflanze die Chance auf ein wenig lignifiziertes Gewebe und Sklerenchymkappen zu haben, habe ich im unteren Drittel des etwa 20 cm langen Sprosses geschnitten. Hier zunächst die Aufnahmen vom frischen, ungefärbten Schnitt.
Und nun die Aufnahmen 11c&d mit Beschriftung
Unter der Epidermis (Ep) mit ihrer Cuticula (Cu) finden wir auf Höhe des Leitbündels ein Kantenkollenchym (Kol) zur Versteifung des Sprosses. Auffällig auch die Ansatzpunkte der mehrzelligen Trichome (Tr). Weiter zur Sprossmitte folgt nun ein Rindenparenchym (RP) mit vielen Chloroplasten (Cpl) in den Zellen. Das offen kollaterale Leitbündel ist von zwei Sklerenchymkappen (SklK) begrenzt und besteht wie zu erwarten aus Phloem (Pl), Cambium (Ca), Xylem 8Xl) mit Tracheen (T) sowie primärem Xylem (pXl). Das Sprossinnere ist vom Markparenchym (MP) ausgefüllt, dass sich erst an wenigen Stellen lysigen verändert und später eine Markhöhle zeigen wird.
Informationen zu den Abkürzungen in den beschrifteten Bildern 12a&f sowie den folgenden beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auf der Webseite des MKB: Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.
Ein innen liegendes Phloem, also ein bikollaterales Leitbündel ist nicht zu erkennen und bei den Asteraceae auch recht selten (in Schweingrubers Atlas of Stem Anatomy in Herbs, Shrubs and Trees einmal bei 75 verschiedenen Arten). Schauen wir nun, was die W-Asim III Färbung von Rolf-Dieter Müller noch an weiteren Details hervor bringt.
Die Übersicht zeigt den typischen Aufbau eines noch nicht ganz ausdifferenzierten Sprosses einer krautigen Pflanze. Die einzelnen Hauptleitbündel sind noch zu erkennen, aber längs des umlaufenden Cambiumrings werden nach außen hin Phloemnester und nach innen hin Sklerenchym und vereinzelt erkennbar Tracheen gebildet, auch eine große Anzahl kompletter, sekundär gebildeter Leitbündel ist vorhanden, erkennbar an den fehlenden Sklerenchymkappen. Das ganze eingelagert zwischen Markparenchym innen und Rindenparenchym außen. Über den primären Leitbündel finden sich Kollenchyminseln, die hier unterscheidbar in zwei Bereiche zerfallen.
Auffällig sind die sehr langen, mehrzelligen Trichome in Bild 13b.
Die zu den Bildern 13 beschriebenen Strukturen finden sich auch in der nächsthöheren Vergrößerung wieder, hier mit Beschriftung. Ein innen liegendes Phloem ist, wie auch in den Aufnahmen von den frischen Schnitten, nicht vorhanden.
Zum Schluss schauen wir uns noch einmal eines der primären Leitbündel genauer an.
Die Sklerenchymkappen (SklK) gibt es nur an den primären Leitbündeln. In den Bildern 15a&b sind noch einmal die beiden unterschiedlichen Kollenchyme zu erkennen. Im Xylem können wir primäres Xylem, Tracheen und Xylemparenchym (XlP) unterscheiden. Zum Cambium hin sehen wir noch nicht ganz ausdifferenzierte Tracheen mit geringerem Ligninanteil in den Zellwänden. Das Phloem setzt sich aus Sieb- und Geleitzellen (SZ und GZ) mit dickeren Zellwänden und den dünnwandigen Zellen des Phloemparenchyms (PlP) zusammen.
Die Bilder 15a&b zeigen oberhalb und unterhalb des Leitbündels das weiter laufende Cambium mit den schon für die Bilder 14 beschriebenen Phloem- und Sklerenchymzellen. Art bezeichnet ein Artefakt. Die Zelle enthält Luft und etwas Feuchtigkeit.
Literatur und Links
[1] Mikroskopisch-botanisches Praktikum
Gerhard Wanner
, Thieme, 2. Auflage 2010
[2] Pflanzenanatomie
Katherine Esau, Gustav Fischer Verlag, 1969
[3] Botanische Schnitte mit dem Zylindermikrotom
Jörg Weiß, MBK 2011
[4] Botanische Färbungen im Vergleich
Jörg Weiß, MKB 2019
[5] Tabelle der Abkürzungen zur Pflanzenanatomie
Jörg Weiß, MKB 2013
[6] Gemeine Schafgarbe auf Wikipedia
Wikipedia in deutscher Sprache
[7] Atlas of Stem Anatomy in Herbs, Shrubs and Trees
Fritz Hans Schweingruber, Anett Börner, Ernst-Detlef Schulze
Springer 2011
Bildquellen
- Bild 5: Achänen der Gewöhnlichen Schafgarbe
Aufnahme von Steven Hurst
USDA-NRCS PLANTS Database, Wikipedia, gemeinfrei
-
Bild 8: Illustration aus der Flora von Deutschland, Österreich u.d. Schweiz
Otto Wilhelm Thomé, Gera 1885,
www.biolib.de, gemeinfrei
-
Bild 9: Illustration zur Gewöhnlichen Schafgarbe
Kräuterbuch von Hieronymus Bock, 1546,
Autor unbekannt, Wikipedia, gemeinfrei
- Alle anderen Aufnahmen vom Autor des Artikels
Zurück zum Artikelanfang Zurück zum Inhaltsverzeichnis