Die Spießtanne (Cunninghamia lanceolata)

Bild 1: Transfusionstracheiden im Blattquerschnitt der Spießtanne
Jörg Weiß, vom 26.11.2017
In verschiedenen Nadel- querschnitten sind sie mir begegnet, aber besonders bei den Palmfarnen waren sie nicht mehr zu über- sehen: die Transfusions- tracheiden. Transfusionstracheiden ge- hören mit dem deutlich schwieriger zu erkennenden Transfusionsparenchym zu dem sogenannten akkzes- sorischen Transfusionsgewebe, einer Vorform der "modernen" Leitbündel, die in den Blättern der Gymnospermen noch immer in mehr oder weniger großem Umfang zu finden ist.
Erläuterungen zu dieser Gewebeform finden sich in allen Büchern zur Pflanzenanatomie. So z.B. im Esau (Histologie des Gymnospermenblattes, S. 326 ff, 1969) oder im Band Gymnosperms aus der Reihe Botany for Degree Students (Vasishta, Sinha, Kumar, S.Chand, 2005, S. 317 ff) und die Spießtanne (Cunninghamia lanceolata) wird als eine der Pflanzen mit besonders ausgeprägten Transfusionstracheiden genannt. Klar, dass ich da mal rein schauen musste.
Die Probe stammt einmal mehr aus dem Botanischen Garten der Universität Bonn, der mich bei meinen Ausflügen in die mikroskopische Pflanzenanatomie immer sehr großzügig unterstützt. Nach der Vorstellung der interessanten Pflanze im gewohnten Format möchte ich hier auch die Trans- fusionstracheiden aus verschiedenen von mir bereits geschnittenen Pflanzen gegenüber stellen und vergleichen.
Starten wir aber zunächst mit der makroskopischen Beschreibung der Spießtanne.
Artikelinhalt
Interessantes zur Spießtanne

Bild 2: Eine Spießtanne in freier Natur. Quelle: Wikipedia, Manuel Anastácio, 2005, CC BY 2.0
Die Spießtanne (Cunninghamia lanceolata) ist die einzige Pflanzenart der Gattung Cun- ninghamia und auch die einzige Art der Unterfamilie Cunning- hamioideae in der Familie der Zypressengewächse (Cupres- saceae). Sie ist in Südasien heimisch und in China ist sie sogar eine der wirtschaftlich wichtigsten Baumarten.
Die Gattung Cunninghamia wurde 1826 durch Robert Brown in Achille Richard: Commentatio botanica de Conifereis et Cycadeis, 80, S. 149 aufgestellt. Sie enthält die einzige Art Cunninghamia lanceolata (Lamb.) Hook, die als Pinus lanceolata durch Aylmer Bourke Lambert 1803 erstbeschrieben wurde. Der wissenschaftliche Gattungsname ehrt den britischen Arzt und Pflanzensammler James Cunningham († 1709), der diese Pflanzenart in China entdeckte.
Es werden zwei Varietäten unterschieden:
Die Chinesische Spießtanne (Cunninghamia lanceolata var. lanceolata; (Syn.: Pinus lanceolata Lamb., Belis jaculifolia Salisbury, Cunninghamia sinensis R.Br. ex Richard & A.Richard) und die
Taiwanesische Spießtanne (Cunninghamia lanceolata var. konishii (Hayata) Fujita (Syn.: Cunninghamia konishii Hayata, Cunninghamia kawakamii Hayata)). Diese Varietät wird von manchen Autoren auch als eigene Art angesehen: Taiwan-Spießtanne (Cunninghamia konishii Hayata).
Zudem werden in China drei Kulturvarietäten unterschieden:
Cunninghamia lanceolata cv. lanceolata weist eine recht starre, gelbgrüne Benadelung auf. Das Holz ist rötlich.
Cunninghamia lanceolata cv. glauca weist relativ lange und weiche, grau- bis blaugrüne Blätter auf. Sie wächst deutlich schneller als cv. lanceolata.
Cunninghamia lanceolata cv. mollifolia weist dünne und weiche Blätter ohne spitzen Apex auf. Sie kommt in den Provinzen Yunnan und Hunan vor.

Bild 3: Eine der drei Cunninghamia lanceolata im Botanischen Garten Bonn
Das Verbreitungsgebiet der Spießtanne erstreckt sich von China, Vietnam und Laos bis Kambodscha. Als Nutzpflanze wurde sie in Japan und China schon früh durch den Menschen verbreitet. Es wird aber vermutet, dass ihre natürliche Heimat im Tal des Jangtsekiang und dem südlich anschließenden Bergland lag.
Somit bevorzugt Cunninghamia lanceolata feucht-warme, subtropischen Klimate. Sie kommt in Höhenlagen von bis zu 1.500 m vor und benötigt Jahresniederschlagsmengen zwischen 1.200 bis 2.000 mm. man findet sie oft in Mischwälder mit Eichen (Quercus), Scheinkastanien (Castanopsis), Südeichen (Lithocarpus), Cinnamomum und Schima. Dabei ist die Spießtanne relativ winterhart: Temperaturen um -17 °C werden gerade noch vertragen.
Die Spießtanne wächst als geradestämmiger, immergrüner Baum, der Wuchshöhen von 30 bis 38 m und Stammdurchmesser von 1 bis 2,5 m erreicht. Die dunkelgrüne Krone ist anfangs pagodenförmig, im Alter aber kegelförmig und oft unregelmäßig: es werden dicht beastete und locker beastete Kronentypen unterschieden. Die Äste stehen in Quirlen zu fünf bis sechs in einem Winkel von circa 80° vom Stamm ab. Die Enden der Zweige sind hängend. Selbst freistehende Bäume sind nicht bis zum Boden beastet.
Cunninghamia lanceolata ist ein Flachwurzler, dessen Wurzelsystem sich zum Großteil in einer Tiefe von von 10 bis 50 cm befindet. Das intensivste Wurzelwachstum findet in einem Alter von 5 bis 10 Jahren statt.

Bild 4: Rinde der Spießtanne im Botanischen Garten Bonn
Die Rinde der jungen Zweige ist grün und unbehaart. Äste und Stämme von Jungbäumen weisen eine bräunliche und raue Rinde auf, die in kleine Teilen abschlifert. Die Borke der Altbäume ist grau bis dunkelbraun oder rotbraun, dick und faserig. Sie löst sich in unregelmäßigen, aromatisch riechenden Stücken ab, und die gelbliche oder rötliche innere Rinde wird sichtbar.
Sowohl Kern- als auch Splintholz sind von hellgelber bis brauner Farbe und unterscheiden sich nur in der Farbintensität. Das leichte und zähe Holz der Spießtanne ist gleichmäßig aufgebaut, geradfaserig und verströmt einen typischen Geruch. Im alten Holz finden sich keine Harzkanäle.

Bild 5: Belaubte Zweige von Cunninghamia lanceolata
Die an der Oberseite dunkelgrünen, nadelförmigen Blätter sind etwa 2 bis 6 cm lang und 3 bis 5 mm breit. Ebenfalls an der Oberseite befinden sich zwei schmale, oft nur undeutlich erkennbare Stomabänder. Die Unterseite ist hellgrün und weist zwei breite, weißliche Stomabänder entlang der Mittelrippe auf. Die Blätter sind derb ledrig und verjüngen sich gleichmäßig von der Basis zu einer scharfen und stechenden Spitze. Ihre Blattränder sind deutlich gesägt. Dabei sind sie spiralig um den Spross angeordnet. An den Seitenzweigen stehen sie dichter und die Anordnung wirkt durch eine Drehung an der Basis scheinbar zweizeilig. Auffällig ist die rotbraune Herbstfärbung durch Rhodoxanthin.

Bild 6: Die Blattunterseite mit den beiden Stomabändern im Detail. Quelle: Wikipedia, Menchi, 2004, CC BY-SA 3.0
Spießtannen sind einhäusig (monözisch) und die Blütezeit liegt im April. Die kurzstieligen, länglich-zylindrischen männlichen Blütenzapfen werden 0,5 bis 1,5 cm lang. Sie stehen in Gruppen von bis zu 40 Zapfen an den Spitzen der jungen Zweigen.

Bild 7: Im Herbst sind die männlichen Zapfen aus dem Frühjahr trocken und braun
Die grünen weiblichen Zapfen stehen einzeln an den Zweigenden und sind nach unten ausgerichtet. Häufig sind durchgewachsene Zapfen zu beobachten, bei denen oben aus dem Zapfen ein kurzer beblätterter Zweig ragt. Zur Reife im Oktober und November sind die Zapfen gelblich-braun, 2,5 bis 5 cm lang und 3 bis 4 cm dick. Die ledrigen Zapfenschuppen sind circa 1,7 cm lang und 1,5 cm breit und gestielt. Sie enden in einer stechend scharfen Spitze, die Ränder sind ungleichmäßig gezähnt. Pro Zapfenschuppe entwickeln sich meist drei Samenanlagen. Jede Samenanlage steht dabei auf einem deutlichen Wulst. Die flachen, unregelmäßig eiförmigen und dunkelbraunen Samen sind 6 bis 8 mm lang und etwa 4 bis 5 mm breit und schmal geflügelt. Sie erreichen ein Tausendkorngewicht zwischen 7 und 8 Gramm. Die Keimlinge bilden zwei Keimblätter (Kotyledonen) aus.

Bild 8: Der weibliche Zapfen im Herbst
Das Holz der Spießtanne ist ein wichtiges Bauholz in den subtropischen Regionen Chinas. Es findet zudem Verwendung im Brücken-, Schiffs- und Möbelbau. Schon im Altertum wurden aus dem Holz Särge hergestellt. Die Borke wird als Brennmaterial genutzt.
Bilder 9a,b: Illustrationen von Ästen mit männlichen und weiblichen Zapfen
Die beiden oben stehenden Zeichnungen sind aus dem Jahr 1870 stammen aus der Flora Japonica, Sectio Prima (Tafelband) von Philipp Franz von Siebold und Joseph Gerhard Zuccarini. Die Illustrationen sind gemeinfrei.
Auffällig ist hier, dass die weiblichen Zapfen in der modernen Literatur (und auch im Foto ...) als einzeln stehend beschrieben bzw. gezeigt werden, während der Zeichner 1870 analog zu den männlichen Zapfen mehrere weibliche Zapfen ans Ende des Zweiges gestellt hat.
Kurz zur Präparation
Geschnitten wurden jeweils frische Proben vom Blatt in der Blattmitte und an der Blattspitze, jeweils in Möhreneinbettung sowie freistehend vom jungen Spross.
Nach einer Schnittfixierung in AFE für ca. 24 Stunden wurden die Schnitte in Aqua dest. überführt und für gut 90 Sekunden mit Klorix (1:4 in Aqua dest. als Ersatz für Eau de Javelle) behandelt und nach sehr gutem Ausspülen für wiederum etwa 24 Stunden mit Chloralhydrat (250g auf 100ml Aqua dest.) gebleicht.
Gefärbt habe ich mit W3Asim II nach Rolf-Dieter Müller für 7 Minuten mit einmaligem kurzen Erwärmen bis kurz vor den Siedepunkt.
Eine Beschreibung der Färbung finden Sie hier auf unserer Webseite:
W3Asim II im Vergleich.
Nach der Färbung wurden die Schnitte in Aqua dest. für 24 Stunden mit mehrmaligem Wechsel sanft differenziert.
Eingedeckt sind die Schnitte - nach gründlichem Entwässern in reinem Isopropanol - in Euparal.
Weitere Informationen zur Erstellung botanischer Dauerpräparate finden Sie auf der zugehörigen
Themenseite.
Die verwendete Technik
Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem 5x NPlan sowie den 10x, 20x und 40x PlanApos entstanden. Auch ein 100x Planfluotar war im Einsatz. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch eine Smartphone App, die neben der Fernsteuerung des Auslösers auch die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich erlaubt. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Bild 10: Das Leica DMLS des Autors mit direkt adaptierter Kamera Panasonic GX7
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image in der Version 8.0 ran.
Das Blatt der Spießtanne in der Blattmitte
Zunächst habe ich das Blatt der Spießtanne etwa in der Blattmitte geschnitten, dann knapp unterhalb der Blattspitze, da sich insbesondere der Anteil an Transfusionstracheiden häufig zur Blattspitze hin erhöht:

Bild 11: Die Schnittführung und Detail der Blattober- und Unterseite
Beginnen wir also mit dem Blattquerschnitt aus der Blattmitte:

Bild 12a: Blattquerschnitt vom Blatt der Spießtanne aus der Blattmitte, Vergrößerung 50x, Stapel aus 72 Bildern

Bild 12b: Blattquerschnitt vom Blatt der Spießtanne aus der Blattmitte, wie Bild 11a, jedoch mit Beschriftung
Wir sehen ein bifaziales Blatt mit einem ein- bis mehrreihigen Assimilationsparenchym an der Blattoberseite, darunter ein umfangreiches Schwammparenchym, in dem die von einer Leitbündelscheide umschlossenen Leitgewebe liegen. Das ganze ist umgeben von einer Epidermis mit recht dicker Cuticula, unter der eine einreihige, sklerenchymatische Hypodermis liegt, deren Zellen am Blattrand deutlich vergrößert sind.
Im Schwammparenchym finden wir zu jeder Seite der zentralen Leitgewebe je einen Sekretgang mit Drüsenepithel und auch innerhalb der Leitbündelscheide sehen wir unterhalb des Phloems einen großen Sekretgang. Das Leitgewebe besteht aus einem geschlossen kollateralen Leitbündel mit großen Flügeln von Transfusionstracheiden an beiden Seiten.
Wie schon die Makroaufnahme in Abb. 5 vermuten lässt, haben wir an der Blattunterseite rechts und links der Mittelrippe je ein breites Stomafeld. Diese Felder finden wir deutlich schmäler auch an der Blattoberseite.
Informationen zu den Abkürzungen im Bild 12b sowie den folgenden beschrifteten Bildern finden Sie wie immer hier auf unserer Webseite:
Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.
Einige der angesprochenen Strukturen kann man auch in den ungefärbten, frischen Schnitten gut erkennen, andere zeigen sich besser in der Detailaufnahme.
Bilder 13a-d: Blatt der Spießtanne im ungefärbten und gefärbten Querschnitt aus der Blattmitte
Neben den bereits oben angesprochenen Details erkennen wir nun auch im Schwammparenchym eingelagerte Faserbündel (sklF) und die beidseitig neben dem mittig angeordneten Xylem (oben) und Phloem (unten) liegende Transfusionstracheiden sind besser zu sehen als in der Übersichtsaufnahme.
Bevor wir uns diese genauer ansehen, werfen wir noch einen Blick auf den Blattrand und die Stomata in den vier Stomafeldern auf der Blattober- und -unterseite.
Bilder 14a-d: Blattrand vom Blatt der Spießtanne im ungefärbten und gefärbten Querschnitt aus der Blattmitte
Auffällig hier die am Blattrand deutlich vergrößerten Zellen der Hypodermis.
Bilder 15a-d: Stomafelder an der Blattober- und -unterseite
Wir sehen dicht an dicht sitzende Stoma vom Coniferales-Typ, die wir uns im Folgenden noch etwas genauer ansehen:
Bilder 16a-d: Stomata im Detail
In den Bildern 16a und b sehen wir viele meist rhomboedrische Calciumoxalatkristalle außen an den Zellwänden der Zellen des Schwammparenchyms, wie wir es z.B. auch von
Welwitschia mirabilis kennen. Da lohnt es sich natürlich, auch einmal im Polarisationskontrast auf den Schnitt zu schauen.

Bild 17a: Blattquerschnitt der Spießtanne im Polarisationskontrast, Färbung W3Asim II, Vergrößerung 200x

Bild 17b: Blattquerschnitt der Spießtanne im Polarisationskontrast mit Beschriftung
Das Blatt an der Blattspitze
Schauen wir uns nun einmal den Querschnitt des Spießtannenblattes auf Höhe der Blattspitze an! Der Anteil der Transfusionstracheiden nimmt dort ein wenig ab, wie die folgenden Bilder zeigen:
Bilder 18a-d: Querschnitt des Blattes der Spießtanne an der Blattspitze
Aus den gestreckten Transfusionstracheiden-"Flügeln" von der Blattmitte werden eher gedrungene mit weniger Zellen. Ansonsten ist der Aufbau des Blattes an der Spitze und in der Blattmitte identisch.
Die Transfusionstracheiden der Spießtanne
Nun also zu den Transfusionstracheiden. Bei diesen handelt es sich um sklerenchymatische, also abgestorbene, Zellen mit großen Hoftüpfeln in den Zellwänden. Wie der Name schon andeutet, dienen Sie dem Wassertransport im Gewebe und stellen so quasi eine Vorstufe der Tracheiden und Tracheen in den Leitbündeln da. Sie werden in aller Regel von einem Trans- fusionsparenchym begleitet, das auch hier vorhanden ist, dessen Zellen sich aber im Präparat nicht bzw. nur sehr schwer von denen der Leitbündelscheide unterscheiden lassen. Daher habe ich es in den vorliegenden Bildern auch nicht benannt.
Gemeinsam bilden die Transfusionstracheiden und das Transfusions- parenchym das so genannte (akkessorische) Transfusionsgewebe, wie es im Artikel zu
Rumpfs Palmfarn (Cycas rumphii) bereits beschrieben ist.
Transfusionsgewebe findet sich in wechselnden Anteilen in den Blättern oder Nadeln aller Coniferales, was zeigt, dass diese entwicklungsgeschichtlich vergleichsweise früh einzuordnen sind.
Mit der W3Asim II Färbung erhalten die Transfusionstracheiden eine orangerote Färbung und in den Detailaufnahmen sind auch die riesigen Hoftüpfel, von denen oft nur 2 bis 4 in eine Zellwand liegen, sehr gut zu erkennen.
Bilder 19a-d: Leitbündel und Transfusionstracheiden an der Blattspitze im frischen und gefärbten Schnitt
Nun schauen wir in der Blattmitte und an der Blattspitze etwas genauer hin:
Bilder 20a-d: Etwas näher heran: Xylem, Phloem und Transfusionstracheiden in der Blattmitte und an der Blattspitze
Zwischen den Zellen des Phloems und Xylems auf der einen Seite und den Transfusionstracheiden auf der anderen finden wir eine kleine Gruppe parenchymatischer Zellen, die sich keiner der drei vorgenannten Zelltypen zuordnen lassen. Diese würde ich als Transfusionsparenchym ansprechen.
Bilder 21a,b: Quer geschnittene Transfusionstracheiden im Detail
Die großen Hoftüpfel sind besonders in den parallel zur Schnittebene liegenden Zellwänden gut zu erkennen, weiterhin sehen wir in der Mitte der Zellgruppe eine Zelle mit nicht sklerifizierten, also grünen, Zellwänden.
Der Spross
Oben hatte ich geschrieben, dass wir Transfusionsgewebe und somit auch Transfusionstracheiden nur in den Blättern, nicht aber im Spross der Coniferales finden. Den Beweis möchte ich nun mit einigen Bildern vom Spross der Spießtanne im Querschnitt antreten:
Bilder 22a-d: Leitgewebe im Spross der Spießtanne in der Übersicht und im Detail
Wir finden eine klassischen Sprossanatomie: im Inneren ein Markparenchym, gefolgt vom primären Xylem und dem nur aus Tracheiden bestehenden Xylem. Daran schließt ein Cambium an, dem das Phloem auf sitzt. Weiter außen dann das Rindenparenchym mit einer Vielzahl an Sekretgängen und in den Bildern 22a und b auf etwa 1 Uhr auch eine Blattspur.
Wie zu erwarten, finden sich keine Zellen, die wir als Transfusionstracheiden ansprechen müssten.
Transfusionstracheiden bei anderen Pflanzenarten
Wie schauen die Transfusionsgewebe bzw. die Transfusionstracheiden nun bei anderen Pflanzen aus der Ordnung Coniferales und Cycadales aus? Wagen wir einen Blick!
Die Gattung Cycas
Zunächst schauen wir einmal bei der Gattung Cycas vorbei. Sie gehört in der Familie der Cycadaceae in die Ordnung der Palmfarne (Cycadales). Wie schon in meinen Artikeln zu den Palmfarnen beschrieben, gehört die Gattung zu den entwicklungsgeschichtlich ältesten Palmfarnen und weist in ihren Fiederblättchen eine Besonderheit auf: das Transfusionsgewebe und somit auch die Transfusionstracheiden gehen senkrecht vom Leitbündel in der Mittelrippe weg. Somit erscheinen sie in Querschnitten der Fiederblättchen längs angeschnitten, was eine schönen Blick auf den Bau dieser Zellen ermöglicht.
Hier zeige ich in der angegebenen Reihenfolge Beispiele von Cycas revoluta (dem Japanischen Sagopalmfarn), Cycas debaoensis (dem Debao Palmfarn) und Cycas rumphii (Rumpfs Palmfarn), letzteren im Quer- und Längsschnitt.
Bilder 23a-d: Beschriftete Schnitte der Fiederblättchen von Cycas revoluta, Cycas debaoensis und Cycas rumphii.
Dioon edule
Der Mexikanische Doppelpalmfarn (Dioon edule) ist ein modernerer Vertreter der Ordnung Cycadales aus der Familie Zamiaceae. Hier fehlt den Fiederblättchen die nur bei den Cycadaceae vorhandene Mittelrippe und die Transfusionstracheiden finden sich in kleinen Gruppen oder Einzelzellen neben dem Xylem, eine Verteilung, die wie im gezeigten Beispiel nicht immer symmetrisch ausfallen muss.

Bild 24: Leitbündel im Fiederblättchen von Dioon edule mit Beschriftung, Färbung Dujardin Grün, Vergrößerung 400x
Zamia furfuracea
Noch ein Vertreter aus der Familie der Zamiaceae: der Karton-Palmfarn (Zamia furfuracea). Hier haben wir ein ähnliches Bild wie beim vergleichsweise nahe verwandten Dioon edule, nur dass diesmal auf beiden Seiten des Xylems Transfusionstracheiden zu finden sind. Diese allerdings ein wenig vom Xylem abgesetzt, bei den Zellen dazwischen könnte es sich um Transfusionsparenchym handeln.

Bild 25: Leitbündel im Fiederblättchen von Zamia furfuracea mit Beschriftung, Färbung W3Asim II, Vergrößerung 200x
Macrozamia communis
Wir bleiben noch bei den Palmfarnen: auch der Burrawang (Macrozamia communis), ebenfalls aus der Familie der Zamiaceae, zeigt grundsätzlich den gleichen Aufbau wie bei den bereits gezeigten Zamiaceen, allerdings erscheinen die Transfusionstracheiden hier nur noch vereinzelt - dafür aber besonders groß.

Bild 26: Leitbündel im Fiederblättchen von Macrozamia communis mit Beschriftung, Färbung W3Asim II, Vergrößerung 400x
Wollemia nobilis
Auch die Wollemie (Wollemia nobilis) aus der Familie der Araucariaceae in der Ordnung Coniferales zeigt Transfusionstracheiden, diesmal jedoch in zur Blattspitze hin größer werdender Anzahl links und rechts neben und oberhalb des Xylems. Hier ein Schnitt nahe bei der Blattspitze.

Bild 27: Leitbündel im Blatt von Wollemia nobilis mit Beschriftung, Färbung W3Asim II, Vergrößerung 400x
Pinus monophylla
Mit der Einblättrigen Kiefer (Pinus monophylla) hier nun die zweite Conifere, diesmal aus der Gattung Pinus. Hier kann man gut erkennen, dass das Transfusionsgewebe innerhalb der Leitbündelscheide liegt, auf deren Zellen die Caspary-Streifen schön hervortreten. Wie bei der Spießtanne tragen die Transfusionstracheiden hier wenige aber sehr große Hoftüpfel.

Bild 28: Leitbündel in der Nadel von Pinus monophylla mit Beschriftung, Färbung W3A, Vergrößerung 400x
Ginkgo biloba
Beim Ginkgo (Ginkgo biloba), dem einzige noch lebenden Vertreter der aus der Ordnung Ginkgoales, also einer Samenpflanze, zeigen die Leitbündel im Blattquerschnitt ebenfalls einige Transfusionstracheiden oberhalb oder seitlich des Xylems. Sie sind dort aber recht selten zu finden. Damit haben wir die Ordnung Coniferales verlassen und sehen, dass Transfusionsgewebe nicht nur dort vorkommen, sondern sich Reste auch in den Blättern modernerer Pflanzen finden.

Bild 29: Leitbündel im Blatt von Ginkgo biloba mit Beschriftung, Färbung Dujardin Grün, Vergrößerung 200x
Literatur und Links
[1] Pflanzenanatomie
Katherine Esau, Gustav Fischer Verlag, 1969
[2] Botany for Degree Students - Gymnosperms
Vasishta
, Sinha, Kumar, S.Chand Reprint 2016
[3] Pflanzenanatomisches Praktikum I
Braune, Leman, Taubert, Spektrum 2007
[4] Botanische Schnitte mit dem Zylindermikrotom
Jörg Weiß, MBK 2011
[5] W3Asim im Vergleich
Die W3Asim - Färbungen von Rolf-Dieter Müller, MKB 2014
[6] Tabelle der Abkürzungen zur Pflanzenanatomie
Jörg Weiß, MKB 2013
[7] Die Spießtanne bei Wikipedia
Wikipedia
Bildquellen
- Bild 2: Eine Spießtanne in freier Wildbahn
Wikipedia, Manuel Anastácio, 2005, CC BY 2.0
- Bild 6: Die Blattunterseite mit den beiden Stomabändern im Detail
Wikipedia, User Menchi, 2004, CC BY-SA 3.0
- Bilder 9a,b: Illustrationen von Zweigen mit männlichen und weiblichen Zapfen
Flora Japonica, Sectio Prima (Tafelband),
von Philipp Franz von Siebold und Joseph Gerhard Zuccarini,
1870, gemeinfrei
- Alle anderen Aufnahmen vom Autor des Artikels
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