Primär- und Sekundärfluoreszenz an pflanzlichen Präparaten
Am Beispiel des Hahnenfußes und der Berberitze
Rolf-Dieter Müller, Jörg Weiß und Dr. Horst Wörmann, vom 29.08.2011
Die Fluoreszenzmikroskopie ermöglicht, wenn auch mit einigem apparativen Aufwand, phantastische Bilder, die schon bekannt erscheinende Objekte im wahrsten Sinne des Wortes in anderem Licht erscheinen lassen. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit der Primär- und Sekundärfluoreszenz pflanzlicher Materialien. Dabei ist die Primärfluoreszenz auf die natürlichen Eigenschaften des untersuchten Materials zurückzuführen, während die Sekundärfluoreszenz durch die ggf. auch selektive Markierung der Probe mit fluoreszierenden Stoffen erreicht wird.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Fluoreszenz?
Als Fluoreszenz bezeichnet man die kurzzeitige und spontane Emission von Licht beim Übergang eines angeregten Systems in einen Zustand mit niedrigerem Energieniveau (in der Regel in den Grundzustand, also den energieärmsten Zustand dieses Systems). Dabei ist das emittierte Licht regulär energieärmer und somit langwelliger als das bei der Anregung absorbierte Licht.
Fluoreszenz kann an Atomen, Molekülen, Ionen und Nanopartikeln auftreten. Solche fluoreszierende Systeme nennt man auch Fluorophore. Fluoreszenz kann nicht nur durch Lichteinstrahlung (Photolumineszenz), sondern z.B. auch durch die Zufuhr von Wärmeenergie (Thermolumineszenz), eine chemische Reaktion (Chemolumineszenz), Ladungstransport in einer Gasentladung (Elektro- lumineszenz) oder Ultraschall (Sonolumineszenz) ausgelöst werden.
Bei der Anregung durch Licht absorbiert ein Elektron mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Lichtquant des eingestrahlten Lichts und geht dabei in einen angeregten Zustand über, der um das Energieniveau des Lichtquants über seinem Grundzustand liegt. Nach einer kurzen Zeit (wenige Nanosekunden) fällt das Elektron unter Abgabe der zuvor aufgenommenen Energie wieder in seinen Grundzustand zurück. Ein Teil dieser Energie wird wieder als Licht abgestrahlt, ein weiterer geht als Schwingungsrelaxation verloren.
Aus dem Energieerhaltungssatz folgt somit zwingend, dass die Wellenlänge des emittierten Lichts nie kleiner (= energiereicher) als die Wellenlänge des Anregungslichts sein kann. Diese Gesetzmäßigkeit wird auch nach dem Entdecker der Fluoreszenz (Sir Georg Gabriel Stokes, 1852) als Stokes Shift oder Stokesverschiebung bezeichnet [1]. Im Falle gleicher Wellenlängen bei Anregung und Emission spricht man von der Resonanzfluoreszenz, der Anteil der über die Schwingungsrelaxation abgebauten Energie ist dabei gleich Null.
Elektromagnetisches Frequenzspektrum mit der Bande des sichbaren Lichts. Autor Zedh, ins Deutsche von Matthias M., Grafik unter Creativ Commons Lizenz (CC BY-SA 2.5).
Pflanzliche Fluorophore
Auch im Gewebe der Pflanzen finden sich einige Fluorophore. Dazu gehört in erster Linie das Chlorophyll, der grüne Farbstoff, mit dessen Hilfe die Pflanze Lichtenergie in chemische Energie umwandelt (Photosynthese). Aber auch andere Bestandteile der Pflanzenzellen zeigen Primärfluoreszenz bei entsprechender Anregung. Dies gilt z.B. für Baustoffe sklerifizierter Zellwände und verschiedene sekundäre Pflanzenstoffe, wie das Berberin, die durch die typische Fluoreszenz identifiziert werden können.
Wie in allen physikalischen Systemen treten auch bei der Photosynthese Verlustleistungen auf. Es wird also nicht die gesamte vom Chlorophyll absorbierte Energie der Lichtquanten über die Elektronentransportkette zur Synthese von Kohlehydraten aus Wasser und Kohlendioxid eingesetzt. Ein Teil geht als Wärmestrahlung oder eben Lichtemission (Fluoreszenz) verloren.
Nimmt man ein lebendes Blatt aus dem Dunkeln ins Licht und misst dabei die Fluoreszenz bei einer geeignete Anregungswellenlänge, kann man beobachten, dass die anfangs hohe Lichtintensität der charakteristischen Emissionswellenlängen zunächst stetig abnimmt, um sich dann nach einigen Minuten auf einem niedrigen Niveau zu stabilisieren (Kautsky-Effekt) [2].
Was passiert hier? Kommt das Blatt ins Licht, dauert es eine Weile, bis die Prozesse der Photosynthese angelaufen sind und optimal ablaufen. Dies liegt daran, dass in den Chloroplasten durch Stofftransporte die optimalen Konzentrationen der benötigten Ausgangsstoffe und Enzyme aufgebaut werden müssen. So lange dies noch nicht der Fall ist, kann ein Großteil der absorbierten Energie nicht von der Elektronentransportkette aufgenommen werden und sie wird spontan in Form von Wärme (Schwingungsrelaxation) und Licht (Fluoreszenz) wieder abgegeben.
Die beobachtete Chlorophyllfluoreszenz ist also ein Teil der Verlustleistung des Photosynthesesystems. Die Zeit bis zum optimalen Ablaufen der Photosynthese (also bis zum Erreichen einer stabil niedrigen Intensität der Chlo- rophyllfluoreszenz) kann als Maß für die Vitalität einer Pflanze angesehen werden. Darauf beruhen verschiedene Messmethoden im Bereich des Umweltschutzes, über die der Schädigungsgrad von Pflanzengemeinschaften z.B. durch Umweltbelastungen dargestellt werden kann.
Ermittlung der optimalen Anregungswellenlänge
Mittels eines Fluoreszenzspektrometers (Shimadzu RF-5301 PC) mit je einem Monochromator für den Anregungs- und Emissionsstrahlengang kann zunächst bei einer festen Anregungsfrequenzs (Monochromator im Anregungsstrahlen- gang) ermittelt werden, in welcher Intensität Licht in einem zuvor festgelegten Wellenlängenbereich emit- tiert wird. Für die Wellenlänge mit dem höchsten Intensitätspeak (Monochro- mator im Emissionsstrahlengang) wird nun in einem zweiten Lauf ermittelt, welche Anregungsfrequenz die beste Ausbeute (wieder den höchsten Intensitätspeak) ergibt.
Blockdiagramm des Fluoreszenz-Spektrometers Shimadzu RF-5301 PC
Zunächst wird eine alkoholische Chlorophyllösung aus den Blättern der zu untersuchenden Pflanze erstellt. Diese werden dazu im Mörser mit 96% Ethanol zerrieben und anschließend filtriert. Natürlich gehen dabei auch andere Fluorophore aus den Blättern in Lösung, die ihren Niederschlag in den Messdiagrammen finden, aber für eine grobe Übersicht reicht dieses einfache Verfahren aus.
Die Lösung kommt nun in einer Messküvette in den Strahlengang des Fluoreszenzspektrometers und wird mit einer zunächst beliebig gewählten Anregungswellenlänge (hier 470 nm im sichtbaren blauen Bereich) bestrahlt. Dabei wird die Intensitätsverteilung des emittierten Lichts im Bereich von 500 bis 850 nm gemessen. Das relevante Maximum der Emissionskurve liegt bei 658 nm im roten sichtbaren Bereich.
Emissionsspektrogramm der Chlorophyllösung bei fester Anregung mit einer Wellenlänge von 470 nm (blaues Licht). Das Intensitätsmaximum liegt bei einer Wellenlänge von 658 nm (rotes Licht). Messung und Dokumentation von Horst Wörmann.
Nun wird umgekehrt gemessen, um fest zu stellen, bei welcher Anregungswellenlänge die Intensitätsausbeute bei der Emissionswellenlänge der eben gemessenen 658 nm am höchsten ist. Der Messbereich liegt dabei zwischen 250 und 500 nm und die beste Ausbeute wird bei einer Wellenlänge von 434 nm erreicht. Der Peak bei 280 nm im Anregungs-Diagramm beruht auf einer Verunreinigung und ist mikroskopisch auch nicht nutzbar, da er sehr weit im UV-Bereich liegt und für die Fluoreszenzmikroskopie weder Lichtquellen noch Filtersätze für Wellenlängen unter 365 nm erhältlich sind.
Anregungsdiagramm der Chlorophyllösung für das vorher ermittelte Emissionsmaximum bei 658 nm. Der Peak bei 280 nm scheidet aus, die optimale Anregungswellenlänge für Chlorophyll liegt also bei 434 nm. Messung und Dokumentation von Horst Wörmann.
Auf die gleiche Weise wurde für das Berberin bei einer Anregung von 365 nm ein Maximum bei etwa 520 nm sowie eine Bande des mitextrahierten Chlorophylls bei 670 nm ermittelt.
Emissionsdiagramm für eine aus der Blutberberitze gewonnene Berberinlösung bei 365 nm Anregungswellenlänge mit dem Maximum für das Berberin bei 520 nm und für das mit extrahierte Chlorophyll bei 670 nm. Messung und Dokumentation von Horst Wörmann.
In den Diagrammen ist jeweils die relative Intensität gegen die Emissions- oder Anregungswellenlänge in nm aufgetragen. Die Intensität beschreibt hier die Anzahl von Lichtquanten einer vorgegebenen Wellenlänge. Eine Änderung der Intensität bedeutet also keine Änderung der Energie der einzelnen Quanten, die ausschließlich durch die Wellenlänge bestimmt sind.
Die Spektren sind für die jeweiligen Stoffe (Fluorophore) charakteristisch und erlauben bei entsprechend sauberem Arbeiten mit dem Fluoreszenz- spektrometer die Quantifizierung von Stoffen selbst bei Konzentrationen bis hinunter zu 5 ng/l.
Mikroskopische Untersuchungen an Hahnenfuß und Berberitze
Die hier gezeigten Schnitte stammen vom Kriechenden Hahnenfuß (Ranunculus repens), dem scharfen Hahnenfuß (Ranunculus acris) und der Blutberberitze (Berberis thunbergii 'Atropurpurea'). Mikroskopiert wurde mit einem Zeiss Axioskop mit LED Auflichtfluoreszenzeinrichtung, die Aufnahmen wurden mit der Zeiss Axiocam mit Chipkühlung gemacht.
Die verwendeten Pflanzen
Primärfluoreszenz
Für die Primärfluoreszenz wurde Frischmaterial der genannten Pflanzen mit dem
Zylindermikrotom oder dem
Rasierklingenmikrotom geschnitten. Da der Einsatz von Ethanol zu viele der relevanten Pflanzenstoffe auslösen würde, wurde mit Wasser gearbeitet. Um eine ausreichende Benetzung zu erreichen und damit die Bildung von Luftblasen im Schnitt zu vermeiden, wurde dessen Ober- flächenspannung durch Zugabe von Ochsengalle herabgesetzt. Ochsengalle (Fel tauri) ist ein Netzmittel, das aus Rindergalle gewonnen wird und als gelbes Pulver oder wässrige Lösung dieser Farbe in den Handel kommt.
Die Präparation der Spross- und Blattquerschnitte erfolgte durch Rolf-Dieter Müller, die Aufnahmen sind von Horst Wörmann. Die Erläuterungen zu den einzelnen Aufnahmen finden sich in den Bildunterschriften.
Primärfluoreszenz beim Hahnenfuß
Primärfluoreszenz bei der Blutberberitze
Sekundärfluoreszenz
Für die Sekundärfluoreszenz wurden die Schnitte mit AFE fixiert und nach Müller W3ASim II gefärbt (der Arbeitsplan für die W3ASim Färbungen kann
hier heruntergeladen werden). Die Acridinfarbstoffe Acridinrot und Acriflavin der W3ASim Färbung sind Fluorophore und erlaubt somit die Hervorhebung hauptsächlich der lignifizierten Zellwände.
Die Präparation der Spross- und Blattquerschnitte erfolgte durch Rolf-Dieter Müller, die Aufnahmen sind von Horst Wörmann. Die Erläuterungen zu den einzelnen Aufnahmen finden sich in den Bildunterschriften.
Sekundärfluoreszenz beim Kriechenden Hahnenfuß
Literatur
[1] Sir George Gabriel Stokes hat seine Entdeckung zur Fluoreszenz
trotz wiederholter Bitte von Lord Kelvin nie veröffentlicht.
Wikipedia-Artikel zu Sir George Gabriel Stokes
[2] Neue Versuche zur Kohlensäureassimilation
H. Kautzky, A. Hirsch, Naturwissenschaften 19: 964; 1931
[3] Optische Spektroskopie
Werner Schmidt, VCH, Weinheim 1994, S. 187 - 248
[4] Chlorophyll fluorescence - a practical guide
Kate Maxwell, Giles N. Johnson, 2000,
Journal of Eperimental Botany, Vol. 51, Nr. 345, S. 659 - 668
[5] Fluorimetrie
M. Zander, Springerverlag, Berlin, 1981
[6] Fluoreszenzmikroskopie. Teil 5: Gut geeignete Objekte
Dieter Gerlach, Elsevier, 1982, Mikrokosmos 71, S. 12 - 19
[7] Durchlicht-Fluoreszenzmikroskopie mit UV-Leuchtdioden
Gerhard Göke, Elsevier, 2003, Mikrokosmos 92, S. 373 - 376
Zurück zum Artikelanfang Zurück zum Inhaltsverzeichnis