Der Grünährige Amarant - interne Leitbündel
Bild 1: Der Grünährige Amarant
Jörg Weiß, vom 29.10.2021
In meinem
letzten Beitrag habe ich das innen liegende Phloem bei den Solanaceen am Beispiel der Giftbeere vorgestellt. Heute möchte ich einen Blick auf den Spross des Grünährigen Amarants werfen, bei dem wir eine weitere Besonderheit im Sprossaufbau der zweikeimblättrigen (dikotylen) Pflanzen finden. Diesmal geht es um ganze Leitbündel, die innerhalb des klassischen Leitgeweberings im Mark- parenchym liegen.
Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Sprossaufbau bei den einkeimblättrigen (monokotylen) Pflanzen, deren Leitsys- tem grundsätzlich aus geschlossen kollateralen Leitbündeln besteht, die im Markparenchym des Sprosses verteilt liegen (z.B. bei Gräsern - Poales oder Palmenartigen - Arecales oder außerhalb der Commeliniden bei den Lilienartigen - Liliales)
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Interessantes zum Grünährigen Amarant
Der Grünährige Amarant (Amaranthus powellii) ist eine Pflanzenart aus der Gattung Amarant (Amaranthus) innerhalb der Familie der Fuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae). Viele Mitglieder dieser Familie haben sich aufgrund ihrer auffälligen und intensiv gefärbten Blütenstände einen festen Platz in unseren Gärten erobert, während sich die etwas weniger präsentablen Wildformen wie der Grünährige und der Zurückgebogene Amarant als Neophyten auch auf unseren Wiesen und in Auen wohl fühlen.
Die Heimat von Amaranthus powellii ist ursprünglich in Süd- und Mittelamerika sowie auf den westindischen Inseln (Neotropis) zu finden. Mittlerweile ist er aber weltweit in wärmeren Gebieten als Neophyt zu finden. In Europa erstreckt sich sein Verbreitungsgebiet nordwärts nur bis Norddeutschland und Polen. In den Alpen steigt er bis in Höhenlagen von etwa 1000 Meter auf.
In Mitteleuropa gedeiht der Grünährige Amarant auf sommertrockenen bis mäßig trockenen, nährstoffreichen, humosen oder rohen Böden aller Art. Er ist überregional eine Charakterart der Klasse Chenopodietea (Gänsefüße) und oft findet man ihn mit seinem engen Verwandten, dem Zurückgebogenen Amarant (Amaranthus retroflexus). Die beiden sind an der beim Zurückgebogenen oder Rauhaarigen Amarant namensgebenden Behaarung des Sprosses zu unterscheiden, die beim Grünährigen Amarant fehlt.
Bild 2: Spross und Ähren beim Grünährigen Amarant
Als krautige Pflanze erreicht Amaranthus powellii auch bei uns Wuchshöhen von 20 bis 150 Zentimetern. Der verzweigte Stängel ist unterhalb des Blütenstandes fast kahl und grün. Die glänzenden, lebhaft grünen Laubblätter sind bei einer Länge von bis zu 20 Zentimetern rhombisch-eiförmig. An exponierten Stellen kann der Spross der Pflanzen in jeder Altersstufe auch rot überlaufen sein, wie bei meinem Exemplar zu sehen.
Bild 3: Rot überlaufener Spross meiner Pflanze
Die Blütezeit reicht von Juli bis September. Der Gesamtblütenstand ist grün, nicht sehr dicht, die seitlichen Scheinähren sind oft aufrecht bis aufrecht abstehend und viel kürzer als die endständige Scheinähre. Die längeren Vorblätter der weiblichen Blüten sind 5 bis 8 Millimeter lang und haben eine lange Stachelspitze. Die Blütenhüllblätter sind 2 bis 4 Millimeter lang. Die Deckelkapselfrucht reißt bei Reife quer auf.
Bild 4: Fruchtstand des Grünährigen Amarants
Bild 5: Fruchtkapsel des Grünährigen Amarants
Die Amarante zählen zu den ältesten Nutzpflanzen der Menschheit. Genutzt werden vor allem die Samen der an Hirse erinnernden Körner. Bereits bei den Azteken, Inka (Amaranthus caudatus vorwiegend Kiwicha benannt, diese Bezeichnung wird heute noch in der Andenregion verwendet) und Maya waren die getreideähnlichen Körner neben Quinoa und Mais ein Hauptnahrungsmittel. In fast 9000 Jahre alten Gräbern in Mexiko wurden Samen dieser Pflanzen nachgewiesen.
Bild 6: Samen des Grünährigen Amarants
Die hier zusammengestellten Informationen stammen von den folgenden Webseiten, ergänzt aus der darunter angegebenen Literatur:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCn%C3%A4hriger_Amarant
https://www.pflanzen-deutschland.de/Amaranthus_powellii.html
http://blumeninschwaben.de/Zweikeimblaettrige/xKleineFamilien/powellii.htm (Bestimmungsschlüssel)
https://de.hortipedia.com/Amaranthus_powellii
http://floranorthamerica.org/Amaranthus_powellii
Literatur:
Atlas of Stem Anatomy in Herbs, Shrubs and Trees, Schweingruber, Börner, Schulze, Springer 2011, Vol. 1 S. 38 ff. Amarantaceae
Flora von Deutschland und angrenzenden Ländern, Schmeil-Fitschen, Quelle & Meyer, 93. Auflage 2006, S. 227
Bild 7: Herbarbeleg aus dem Herbarium der Pensylvenian State University (PAC)
Kurz zur Präparation
Geschnitten habe ich ein ca. 7 bis 8 mm dickes Sprossstück freistehend auf dem Jung Zylindermikrotom mit Leica Einmalklingen 818 im SHK 11° und SHK 14° Halter.
Die Schnittdicke beträgt wegen des empfindlichen Markparenchyms ca. 60µm. Der 14° Halter schneidet das etwas heikle Material nicht so gut wie der 11° Halter (beide Darmstadt).
Fixiert wurden diese für ca. 18 Stunden in AFE mit einmaligem Wechsel nach 5 Stunden. Nach Überführen in Aqua dest. waren die Schnitte dann bereit für die Färbung.
Die Färbung ist W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller. Gefärbt habe ich mit dem Farbgemisch für ca. 8 Minuten mit einmaligem leichten Erwärmen.
Anschließend habe ich wieder gut mit Aqua dest. gespült und für ca. 8 Stunden mit einmaligem Wechsel des Wassers sanft differenziert.
Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal.
Die verwendete Technik
Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem NPlan 5x sowie den PlanApos 10x, 20x und 40x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image in der Version 8.0 ran.
Bei der Makroaufnahme des Präparates vom verwachsenen Sprossquerschnitt (Bilder 13 & 14) kam Topaz Gigapixel AI zum Einsatz (https://www.topazlabs.com/gigapixel-ai). Die Anwendung kann bei bestimmten Aufnahmekonditionen tatsächlich kleine Wunder wirken, man muss jedoch ein Auge auf Artefakte haben ...
Der Spross des Grünährigen Amarants
Schauen wir zunächst einmal nach den innen liegenden Leitbündeln!
Bilder 8a-d: Querschnitt des Sprosses von Amaranthus powellii in der Übersicht
Schauen wir uns den Sprossquerschnitt von außen nach innen an. Zunächst sehen wir, was wir bei einer Dikotyledone erwarten: Unterhalb von Cuticula (Cu) und Epidermis (Ep) finden wir ein Kollenchym (Kol und das Rindenparenchym (RP). darauf folgen Phloem (Pl) und Cambium (Ca) sowie das Xylem (Xl) in einem geschlossenen Ring teils mit verholztem Festigungsgewebe (Skl).
Dann wird es aber schon seltsam! In den Bildern 8a&b drängt sich auf etwa 01:00 Uhr ein komplettes Leitbündel ins Bild, das halb im Xylem 7 Sklerenchym und halb im darauf folgenden Markparenchym (MP) eingebettet ist.
Weiter innerhalb liegen viele weitere komplette Leitbündel im Markparenchym - die angekündigte Besonderheit ist gefunden.
In den Bildern 8c&d finden wir das oben angesprochene Leitbündel (halb im Xylem, halb im Markparenchym) zentral im Bild (komplett mit Phloem, Xylem, Tracheen und primärem Xylem!) und daneben eines der primären Leitbündel des Sprosses lang gestreckt mit einem recht kleinen Phloemnest außen am Rindenparenchym gefolgt von einigen über die ganze Dicke des Xylemrings verteilten Tracheen (T). Die letzte Trachee ordne ich dem primären Xylem (pXl) zu, insbesondere, da die sie umgebenden Zellen des Xylemparenchyms nicht lignifiziert sind (blaugrüne Zellwände).
Informationen zu den verwendeten Abkürzungen finden Sie auch
hier auf unserer Webseite.
Bilder 9a-e: Eine ähnliche Stelle, nun mit dem regulären Leitgewebering im Fokus.
Wir finden die selbe Anatomie wie schon oben anhand der Bilder 8 beschrieben. Die Bilder 9c bis e sollen den Blick für den Aufbau des Leitgewebes im Ring selbst schärfen. Auffällig hier insbesondere die relative kleine Phloeminsel (Pl) an der Außenseite (links) sowie die weit gestreuten Tracheen (T), die in einem fast komplett verholzten Xylemparenchym / Sklerenchym liegen. nach innen hin folgen dann primäres Xylem (pXl) und Sklerenchym (Skl).
Nun stellt sich natürlich die Frage, womit wir es hier zu tun haben. Innen liegende Leitbündel? Das könnten doch einfach auch Blattspuren sein, die - wie bei manchen Pflanzen üblich - zunächst ins Markparenchym abzweigen und den Leitbündelring auf Höhe des Blattansatzes dann komplett durchstoßen.
Brauchen wir nun Längsschnitte zum Beweis? Ich denke nicht!
Folgende Argumente sprechen dafür, dass wir es hier wirklich mit im Markparenchym verlaufenden zusätzlichen Leitbündel zu tun haben. Ja sogar, dass es sich keinesfalls um Blattspuren oder sogar um Quellen von Blattspuren handeln kann.
- Der sehr kleine Phloemanteil im Leitgewebering reicht im Vergleich zur gesamten Querschnittsfläche des Sprosses sicherlich nicht aus, die Transportaufgaben komplett zu übernehmen.
- Gleiches gilt für die relativ geringe Anzahl der zugegebener Maßen recht großen Tracheen dort.
- Auf der anderen Seite ist die Anzahl der innen liegenden Leitbündel im Vergleich zur Anzahl der Blätter am Spross deutlich zu hoch
Somit kann es sich hier nicht um Blattspuren handeln.
Schauen wir noch einmal genauer hin:
Bilder 10a-e: Innen liegendes Leitbündel aus dem Spross von Amaranthus powellii
Wieder Phloem, Xylem und Tracheen, wie wir es schon von den vorangegangenen Bildern aus den Serien 8 und 9 kennen. Genauer gesagt, wir sehen ein geschlossen kollaterales Leitbündel: das Cambium fehlt. Dies reicht alleine nicht, um eine Blattspur zu verneinen, da viele Blätter im Leitgewebe der Blattstiele ebenfalls kein Cambium aufweisen (eine Ausnahme finden wir z.B. beim Efeu Hedera helix).
Schauen wir uns nun noch einige weitere Details vom Spross des Grünährigen Amarants an:
Bilder 11a-g: Weitere Details vom Spross des Grümährigen Amarants
Zunächst sehen wir eine der erhabenen Kanten (Leisten) des Sprosses im frischen, ungefärbten Schnitt, zunächst in der Übersicht und dann in folgenden höheren Vergrößerungen. Auffällig hier ist das stark ausgeprägte Kollenchym, das auch im frischen Schnitt gut zu erkennen ist.
Im Markparenchym finden sich einige Zellen mit Amyloplasten, das auch die Pol-Aufnahme verdeutlicht.
Zum Schluss noch zwei gefärbte Bilder von einem kurzen, mehrzelligen Trichom.
Eine interessante Verwachsung des Sprosses
Das von mir genommene Probestück zeigte an einer Stelle eine Verwachsung, die zu einem in etwa nierenförmigen Querschnitt führte. Leider war der Durchmesser insgesamt zu groß, um ihn mit dem Übersichtsobjektiv in Gänze zu erfassen.
Hier zunächst einmal ein Paar Details:
Bilder 12a-d: Details von der Verwachsung im Querschnitt
Die ersten beiden Bilder zeigen den tiefen Einschnitt im Spross, an dessen Ende keine direkte Verletzung bzw. kein Kallus zu erkennen ist. Es handelt sich somit wohl um eine lokale Wachstumsstörung. In den Bildern 12c&d dann wieder der oben schon geschilderte Sprossaufbau mit den innen liegenden geschlossen kollateralen Leitbündeln.
Nun möchte ich Euch aber dich eine Übersicht zeigen. Ein Stitch aus gestapelten Bildern kam nicht in Frage, also habe ich es mit einer Makroaufnahme mit dem Handy probiert und diese entsprechend zugeschnitten:
Bild 13: Makroaufnahme vom Spross mit Verwachsung im Querschnitt
Die Bearbeitung hier: Zugeschnitten und auf 1024er Auflösung verkleinert, anschließend leicht geschärft. Nicht sehr überzeugend ... die Unterlage bildet übrigens ein Kosmetiktuch ...
Was also tun? Kürzlich hat Holger Adelmann im Mikroforum das Programm Gigapixel AI von Topaz empfohlen, dessen Hauptzweck das verlustfreie - wenn nicht sogar verbessernde - Vergrößern von Bildern ist um diese z.B. im Großformat drucken zu können. Es gibt eine kostenlose Testversion (Link oben unter Präparation), ich habe also ein wenig rumprobiert. Hier das Ergebnis:
Bild 14: Die mit Gigapixel AI bearbeitete Aufnahme aus Bild 13
Hier wurde das selbe Ausgangsbild mit Gigapixel AI zunächst um den Faktor 4 vergrößert und dann nach entsprechendem Zuschnitt auf die 1024er Auflösung verkleinert.
Klar, das gibt Artefakte, aber das Bild ist um Längen näher am Original als das Handy-Makro, von dem sowohl die Bilder 13 als auch 14 gestartet sind. Klar, dass ich das Programm nun lizenziert habe.
Literatur und Links
[1] Mikroskopisch-botanisches Praktikum
Gerhard Wanner
, Thieme, 2. Auflage 2010
[2] Pflanzenanatomie
Katherine Esau, Gustav Fischer Verlag, 1969
[3] Botanische Schnitte mit dem Zylindermikrotom
Jörg Weiß, MBK 2011
[4] Botanische Färbungen im Vergleich
Jörg Weiß, MKB 2019
[5] Tabelle der Abkürzungen zur Pflanzenanatomie
Jörg Weiß, MKB 2013
[6] Flora von Deutschland und angrenzenden Ländern
Schmeil - Fitschen
Quelle & Meyer, 93. Auflage 2006, S. 227
[7] Atlas of Stem Anatomy in Herbs, Shrubs and Trees
Schweingruber, Börner, Schulze;
Springer, 2013; Vol. 1 S. 38 ff. Amarantaceae
[8] Der Grünährige Amarant (Amaranthus powellii)
Wikipedia, Stand 29.10.2021
[9] Der Grünährige Amarant (Amaranthus powellii)
Bildquellen
- Bild 1: Habitus des Grünährigen Amarants (Amaranthus powellii)
Aus Wikipedia, von User AnRo0002, gemeinfrei
- Bild 5: Fruchtkapsel des Grünährigen Amarants
Aus Wikipedia, von Stefan Lefnaer, CC BY-SA 4.0
- Bild 6: Samen des Grünährigen Amarants
Aus Wikipedia, von Steve Hurst, plants.usda.gov, gemeinfrei
- Bild 7: Herbarbeleg aus dem Herbarium der Pensylvenian State University
Pensylvenian State University (PAC), von H.A.Wahl, CC0 1.0 Public-domain
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