Die Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata)
Bild 1: Die Knoblauchsrauke an einem ganz typischen Standort unter Laubbäumen in einem lichten Wäldchen
Jörg Weiß, vom 30.05.2020
Ich solle doch mal was einheimisches schneiden! Das habe ich durchaus schon öfter gehört. Nicht, dass ich das nicht tun würde; da wären zum Beispiel die Große Brenn- nessel oder das Hirten- täschelkraut, der Efeu oder der Rainfarn. Sogar spontan fällt mir da noch so einiges mehr ein. Aber es ist halt auch viel fremdländisches unter dem Messer gewesen.
Ein einheimischer Kreuzblütler terrorisiert zur Zeit aber gerade die gesamte Siegaue. An ihm kommt man nicht vorbei: die Knoblauchsrauke Alliaria petiolata. Also habe ich mir eine recht hoch gewachsene Pflanze von einer meiner Spaziergänge mitgebracht, von der ich heute Spross und Blattstiel vorstellen möchte.
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Interessantes zur Knoblauchsrauke
Die Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata; früher Alliaria officinalis), auch Knoblauchskraut, Lauchkraut oder Knoblauchhederich genannt, ist eine Pflanzenart, die zur Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae) gehört. Die Trivialnamen beziehen sich auf den Knoblauchduft, der beim Zerreiben der Blätter entsteht und auch auf den Geschmack der essbaren Pflanze.
Bild 2: An günstigen Standorten finden wir A. petiolata dicht gedrängt und mit bis zu einem Meter hoch gewachsen vor
Alliaria petiolata wächst wild in den meisten Teilen Europas, Vorderasiens und Zentralasiens bis China und Indien und kommt stellenweise auch in Nordafrika vor. In Nordamerika und Südamerika ist sie ein Neophyt, der als invasive Pflanze gilt. Sie ist vermutlich durch europäische Siedler bewusst als Küchenkraut und Heilpflanze nach Nordamerika gebracht worden (so genannte Ethelochorie).
Eigentlich eine Pflanzenart der Laubwälder, gedeiht die Knoblauchsrauke aber auch gut in Gebüschen und Hecken sowie an Mauern und Wegrainen, in Gärten und auf Schuttplätzen (Ruderalstellen). Sie befindet sich dort häufig in der Gesellschaft von Brennnesseln. Wie diese schätzt sie frische, stickstoffreiche Lehmböden (Stickstoffzeigerpflanze). Heute ist sie häufig auch in schattigen Parkanlagen und in Gehölzen im städtischen Raum zu finden.
Seltener findet man sie in Astgabeln von Bäumen, wo sie dann epiphytisch wächst.
Im Unterholz lichter Wälder behauptet sich die Knoblauchsrauke durch die aktive Hemmung des Wachstums von Mykorrhizapilzen, die die frischen Schösslinge ihrer Schattenspender brauchen, um weiter zu wachsen.
Bild 3: Ein typisches Blatt
Die Knoblauchsrauke ist eine zwei- bis mehrjährige krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 20 bis 100 Zentimetern erreicht. Sie besitzt eine lange Pfahlwurzel. Der Stängel ist schwach vierkantig, im basalen Bereich entwickelt er eine schwache Behaarung. Die lang gestielten, nierenförmigen Grundblätter sind am Rand buchtig gekerbt. Die Stängelblätter sind wechselständig angeordnet. Sie weisen eine herzförmige Blattspreite mit gebuchtetem Rand auf.
An mageren Standorten wurden aber auch fruchtende Pflanzen von nur 5 cm Höhe gefunden - ein schönes Beispiel für die Modifikationsspanne der Art.
Im Herbst stirbt ein Großteil der oberirdischen Pflanzenteile ab. Sie ist ein Hemikryptophyt, dessen Überdauerungsknospen an der Erdoberfläche liegen und dort durch z.B. eine Schicht Laub oder Schnee geschützt auf den kommenden Frühling warten.
Bild 4: Blütenstand und Fruchtansatz
Der endständigen, traubigen Blütenstand der Knoblauchsrauke mit viele Blüten erscheint von April bis Juli. Seine zwittrigen, 5 bis 8 mm durchmessenden Blüten sind, wie für Kreuzblütler typisch, vierzählig. Die vier Kronblätter und vier weißen Kelchblätter sind frei. Die Blüten besitzen sechs Staubblätter, von denen die zwei seitlichen deutlich kürzer sind. Am Blütenboden, am Grund der Staubblätter, sind ringförmig die Nektardrüsen angeordnet. Der Fruchtknoten ist grün und schlank und durch eine Scheidewand in zwei Fächer geteilt.
Bild 5: Samen der Knoblauchsrauke, Aufnahme von Steve Hurst, USDA-NRCS Plants Database; gemeinfrei
Der befruchtete Fruchtknoten entwickelt sich zu einer Schote von drei bis sieben Zentimetern Länge. Die im unreifen Zustand grüne Schote ist mit nur zwei Millimetern Durchmesser nicht wesentlich dicker als der vormalige Blütenstiel. Sie enthält in jedem der zwei Fächer sechs bis acht Samen, die jeweils nur etwa drei Millimeter lang und ausgereift von schwarzbrauner Farbe sind.
Mit zunehmender Reife verändert sich aufgrund des dann stattfindenden Austrocknungsprozesses die Farbe der Schote von grün zu hellbraun. Ist die Schote voll ausgereift, reißen die beiden Fruchtklappen von unten nach oben allmählich auf und fallen schließlich ab. Dabei bleiben die mit kurzen Stielen an der Scheidewand der Schote befestigten Samen oft noch lange mit dieser verbunden.
Bild 6: Illustration aus Bilder ur Nordens Flora, von Carl Axel Magnus Lindman, Stockholm; gemeinfrei
Die Knoblauchsrauke hat im Mittelalter und der frühen Neuzeit eine gewisse Rolle als Gewürzpflanze gespielt und geriet, als Gewürze preisgünstiger und damit für alle Bevölkerungsschichten erschwinglich wurden, als solche zunehmend in Vergessenheit. Ähnlich wie beim Bärlauch entdeckt die moderne Kräuterküche die Knoblauchsrauke aber trotz ihrer eher flüchtigen Aromen in zunehmendem Maße wieder.
Sie wurde schon gut 4000 v. Chr. im Mesolithikum als Gewürz benutzt, wie Phytolithen an Scherben von Tontöpfen aus Neustadt in Holstein an der Ostsee und Stenø in Dänemark zeigen. Damit ist die Knoblauchsrauke das älteste bekannte einheimische Gewürz.
Die von April bis Juni gesammelten Blätter können als Salat gegessen werden, aber auch in Dressings und Frischkäse finden die fein gehackten Blätter Verwendung. Die schwarzen Samen der Knoblauchsrauke lassen sich ähnlich wie Pfefferkörner verwenden und haben einen sehr scharfen Geschmack.
Zur Zeit warte ich darauf, dass die Samen reifen: den Pfefferersatz kenne ich noch nicht. Die Blätter im Salat oder Frischkäse sind wirklich sehr lecker. Keine zu großen Mengen herstellen und frisch essen, da der Geschmack doch recht schnell abflacht.
Die Knoblauchsrauke wurde aber auch zu Heilzwecken verwendet. Sie wirkt antiseptisch, leicht harntreibend und schleimlösend. Man sagt ihr darüber hinaus auch antiasthmatische Eigenschaften nach. In der Volksmedizin wurden aus den Blättern Breiumschläge zur Behandlung von Insektenstichen und Wurmerkrankungen hergestellt.
Kurz zur Präparation
Geschnitten habe ich den Spross im unteren Drittel - freistehend - und den Blattstiel eines Grundblatts - in Möhreneinbettung - auf dem Tempelchen (Zylindermikrotom im Halter als Tischmikrotom) mit Leica Einmalklingen 818 im SHK Halter. Die Schnittdicke beträgt ca. 60µm.
Insbesondere der Blattstiel enthält kaum sklerifizierte Zellen und erhält seine Stabilität fast ausschließlich durch den Turgor. Damit wird der Schnitt schwierig, zumal sich Epidermis und Kollenchym regelmäßig ablösen.
Fixiert wurden die Schnitte für ca. 12 Stunden in AFE. Nach Überführen in Aqua dest. waren die Schnitte dann bereit für die Färbung.
Gefärbt habe ich mit W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller. Nach mehrfachem Spülen mit Aqua dest. erfolgte eine sanfte Differenzierung ebenfalls in Aqua dest. für ca. 5 Stunden.
Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal.
Die verwendete Technik
Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem 5x NPlan und den PlanApos 10x, 20x, 40x und 100x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image in der Version 8.0 ran.
Der Spross
Nun zu den Schnitten! Wir beginnen mit dem Spross. Geschnitten habe ich im unteren Drittel eines ca. 80 cm hohen Sprosses, der Durchmesser beträgt dort rund 6,5 mm. Davon entfallen fast 5 mm auf das Markparenchym - wir sehen also den typischen Sprossaufbau eines Kreuzblütlers. Aus diesen Grund zeige ich hier auch keine Übersicht: gut 85 % des Bildes wären einförmiges Markparenchym.
Bilder 7a-d: Die äußeren Gewebe des Sprosses
Von außen nach innen finden wir: Die Epidermis mit einer dünnen Cuticula (Ep & Cu), gefolgt von einem einreihigen Kollenchym (Kol) oder handelt es sich um eine zweilagigen Epidermis? Im Anschluss dann das Rindenparenchym (RP), darin eingelagert sklerifizierte Faserstränge (SklF). Als nächstes folgen Phloem (Pl) und Cambium (Ca) und danach das Xylem mit großen Strecken sklerifiziertem Xylemparenchym (hier als Sklerenchymring - SklR - benannt). Weiter nach innen haben wir dann noch das primäre Xylem (pXl) und eben das Markparenchym. Im Markparenchym finden wir immer wieder Stellen, an denen sich der Zellverbund bereits aufgelöst hat (erkennbar am ganz rechten Rand der Bilder 7c & d). Der alternde Spross der Knoblauchsrauke ist also im inneren hohl.
Informationen zu den Abkürzungen im beschrifteten Bild 7d finden Sie wie immer auch unter
Häufig verwendete Bezeichnungen in botanischen Schnitten.
Bilder 8a,b: Die Leitgewebe in der Übersicht
Spannend: einzelne Tracheen sind kaum auszumachen.
Bilder 9a-f: Detailaufnahmen
Die ersten beiden Bilder zeigen die äußeren Gewebe bis zum Phloem im ungefärbten und gefärbten Schnitt (9a&b). Bild 9c zeigt eines der Fasernester oberhalb des Phloems. In Bild 9d sehen wir das Phloem (oben), nach unten hin gefolgt vom Cambium und dem langsam ausdifferenzierenden Xylem mit Tracheen im Gewebeverbund. Die Bilder 9e&f zeigen Details aus dem Übergang zum primären Xylem, dort sind ebenfalls Tracheen zu erkennen.
Bilder 10a,b: Xylem und primäres Xylem im ungefärbten Schnitt und Polarisationskontrast
Als Fazit kann man sagen, dass sich im Querschnitt nur ein erstaunlich geringer Anteil an sklerifizierten Stützgeweben findet, die dem Spross aufgrund ihres Materials Stabilität verleihen. Eine Erfahrung, die man auch macht, wenn man versucht, eine Knoblauchsrauke zu pflücken: der Spross bricht nicht, sondern fasert auf. Die Stabilität wird insgesamt durch sklerenchymatische Gewebe und den Turgor erreicht.
Der Blattstiel
Werfen wir nun noch einen Blick auf den Blattstiel, für den schon makroskopisch das gleiche gilt: nach der Probenahme musste ich noch ca. 15 Minuten nach Hause laufen. Bis dahin hingen alle Blätter schlaff herab. Nach etwa 10 Minuten im Wasser stand die Pflanze wieder wie eine Eins.
Bilde 11: Querschnitt des Blattstiels eines Grundblattes in der Übersicht
Die zweilagige Epidermis löst sich ab und fehlt im inneren der Gabel ganz: Schnittartefakte, die dem fehlenden Turgor zu verdanken sind. Hier würde wohl nur eine Paraffineinbettung helfen. Man erkennt einen gekerbten Blattstiel mit einem großen Hauptleitbündel im Zentrum (eigentlich sind es drei einzelne Leitbündel, die verwachsen sind), zu den Seiten hin gefolgt von kleineren Einzelbündeln und größeren Gruppen von zwei oder drei wieder verwachsenen Bündeln. Das Ganze zum Rand hin kleiner werdend.
Bilder 12a,b: Die drei Hauptleitbündel
Wir finden Epidermis und Cuticula (Ep & Cu), Ein Rindenparenchym (RP) und darin eingebettet die Leitbündel mit Faserkappen (FK), Phloem (Pl) und Xylem (Xl). Fast könnte man meinen, auch ein Cambium zu erkennen, wie es sich z.B. auch im Blattstiel beim Efeu zeigt ...
Bilder 13a,b: Die Hauptleitbündel im Detail
Zum Abschluss noch zwei Nebenleitbündel aus dem Blattstiel.
Bilder 14a,b: Und noch zwei der Nebenleitbündel
Literatur und Links
[1] Mikroskopisch-botanisches Praktikum
Gerhard Wanner
, Thieme, 2. Auflage 2010
[2] Pflanzenanatomie
Katherine Esau, Gustav Fischer Verlag, 1969
[3] Botanische Schnitte mit dem Zylindermikrotom
Jörg Weiß, MBK 2011
[4] Botanische Färbungen im Vergleich
Jörg Weiß, MKB 2019
[5] Tabelle der Abkürzungen zur Pflanzenanatomie
Jörg Weiß, MKB 2013
[6] Knoblauchsrauke auf Wikipedia
Wikipedia in deutscher Sprache
[7] Atlas of Stem Anatomy in Herbs, Shrubs and Trees
Fritz Hans Schweingruber, Anett Börner, Ernst-Detlef Schulze
Springer 2011
Bildquellen
- Bild 5: Samen der Knoblauchsrauke
Aufnahme von Steve Hurst, USDA-NRCS Plants Database;
gemeinfrei
- Bild 6: Illustration zur Knoblauchsrauke
Aus Bilder ur Nordens Flora
von Carl Axel Magnus Lindman, Stockholm; gemeinfrei
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