Die Wollemie (Wollemia nobilis) und eine offene Frage
Jörg Weiß, vom 12.01.2017
Die Wollemie (Wollemia nobilis) ist eine erst 1994 in Australien entdeckte Pflanzenart. Ähnliche Pflanzen waren vorher nur von viele Millionen Jahre alten Fossilien bekannt und galten daher als ausgestorben. Die Entdeckung eines so großen "Lebenden Fossils" aus der Pflanzenwelt war seinerzeit eine kleine Sensation. Die hier gezeigten Schnitte stammen von Proben aus dem Botanischen Garten der Universität Bonn, nochmals vielen Dank an die Gartenleitung für die freundliche Genehmigung.
Artikelinhalt
Ein kurzes Portrait der Wollemie und die Geschichte ihrer Entdeckung
Ein lebendes Fossil? Ja! Die Wollemie (Wollemia nobilis) ist die einzige Art der monotypischen Gattung Wollemia aus der Familie der Araukariengewächse (Araucariaceae). Da die jüngsten fossilen Funde gut 65 Millionen Jahre alt sind galt die in der Ordnung Coniferales beheimatete Wollemie als ausgestorben.

Bild 1: Wollemien aus der Luft: zwei ausgewachsene Pflanzen an einem der Standorte im Wollemi-Nationalpark
Im September 1994 wurden jedoch etwa 250 km westlich der australischen Stadt Sydney im Wollemi-Nationalpark von David Noble 23 Bäume und einige Jungpflanzen entdeckt. Sie stehen in den abgeschiedenen und schwer zugänglichen Canyons der Blue Mountains und konnten in dieser geschützten Umgebung bis heute überleben. Mit etwa 140 Individuen in freier Wildbahn gilt die Wollemie als sehr bedrohte Pflanzenart zumal sie sich seit einiger Zeit nur vegetativ fortpflanzt: nach Erbgutuntersuchungen der australischen Exemplare wurde festgestellt, dass sämtliche bisher bekannten Wollemien identisches Erbgut besitzen. Leider muss befürchtet werden, dass der aus Südostasien stammende und nach Australien eingeschleppte Wurzelfäule-Erreger Phytophthora cinnamoni, der bereits zwei Wollemien am Naturstandort befallen hat (Stand Oktober 2010), die gesamte Population auslöschen könnte. Um weitere Einschleppungen zum Beispiel durch Touristen zu verhindern, werden die genauen Standorte der Bäume bis heute geheim gehalten.

Bild 2: Eine junge Wollemie im Freiland des Botanischen Gartens Bonn
Die Bestimmung der wiederentdeckten Pflanzenart ist eine spannende Geschichte und wurde mit nicht unerheblichem Aufwand betrieben: sie konnte zunächst keiner bekannten Gattung zugeordnet werden. Mitgebrachte Zweige führten zu einer weiteren Exkursion David Nobles mit Wyn Jones, ebenfalls Mitglied der Nationalparkverwaltung, bei der am 15. Oktober des Jahres weitere Proben (Rinde, ein männlicher Zapfen und Grün) gesammelt wurden. Am 21. Oktober wurde schließlich unter Einsatz eines Hubschraubers ein weiblicher Zapfen aus der Krone eines Baumes gepflückt, weil eine Bestimmung noch immer nicht möglich war. Erst am 21. November stand schließlich fest, dass es sich um ein bisher unentdecktes, lebendes Fossil aus der Familie der Araukariengewächse handelte, das zu Ehren seines Entdeckers Wollemia nobilis genannt wurde. Diese und eine Reihe anderer Entdeckungen in neuerer Zeit z.B. bei den Cycadales im letzten Jahrhundert spiegelt die Bedeutung von Nationalparks und Wildnisgebieten für die Erhaltung der biologischen Vielfalt wider.

Bild 3: Polkappe an der Triebspitze von Wollemia nobilis
Wollemia nobilis ist ein immergrüner Baum und erreicht Wuchshöhen bis zu 40 Metern. Die oberste Spitze des zentralen Triebes der Pflanze ist während der Wachstumspause von einer schützenden Harzkappe bedeckt, die als Polar Cap („Polkappe“) bezeichnet wird. Zum auffälligen Habitus der Wollemie trägt bei, dass sie am Stamm nur Zweige erster Ordnung bildet, die sich nicht weiter verzweigen.
Die rissige Rinde der ausgewachsenen Pflanze ist dunkelbraun, harzig und von rundlichen Erhebungen bedeckt. Der junge Spross trägt mit Beginn des sekundären Dickenwachstums eine glatte hellbraune Rinde mit deutlichen Blattnarben. Die Zweige hingegen bleiben grün. Sie sind an ihrem Ansatzpunkt am Stamm von einer konischen Hülle umgeben, in deren unterem Bereich die Sollbruchstelle zu erkennen ist, an der der Ast später abgeworfen wird, wenn er zu alt (zu schwer ...) geworden ist (Bild 5). [1] & [2]

Bild 4: Rinde am Haupttrieb (Stamm) von Wollemia nobilis

Bild 5: Verzweigung mit 'Sollbruchstelle' am Haupttrieb

Bild 6: Abgeworfener zweijähriger Zweig von der schattigen Rückseite der Pflanze aus Bild 2. Auffällig sind die im zweiten Jahr (Wachstumsabschnitt) links stark vergrößerten Blätter. Offensichtlich hat die Anstrengung aber nicht ausgereicht, um im Schatten sinnvoll Photosynthese betreiben zu können.
Die typisch bis zu 6 mm breiten, leicht zugespitzten, nadelförmigen Blätter erreichen eine mittlere Länge von 6 bis 8 cm und entspringen wirtelig an ihrem Zweig, richten sich jedoch zum Licht hin aus, so dass der Eindruck einer flachen bis flach x-förmigen Benadelung entsteht. Am Ansatzpunkt des Zweiges, auf dem Jungen Spross und an der Spitze der aktuellen Wachstumszone finden sich kleinere Blätter. Am Spross sind diese oft schuppenartig und nur 10 bis 30 mm lang. Es gibt jedoch auch deutlich größere Blätter mit einer Länge um 12 cm (Fundort auf der Schattenseite der Freiland-Wollemie in Bonn, siehe Bild 6 und 9. Junge Blätter sind hellgrün, ältere werden in Stufen dunkler grün. Oft zeigt sich ein bläulicher Schimmer, der vom Harz herrührt, mit dem die Pflanze ihre auch auf der Blattoberseite vorkommenden Stomata schützt. Die Spitzen auch jüngerer Blätter sind oft leicht gelblich gefärbt.

Bild 7: Zweig mit Blättern, Aufnahme aus dem Botanischen Garten Bonn

Bild 8: Blätter im Detail

Bild 9: Ein stark vergrößertes Blatt von der Schattenseite der Pflanze aus Bild 2
Die Wollemie ist einhäusig getrenntgeschlechtlich (monözisch), was bedeutet, dass männliche und weibliche Zapfen am selben Baum wachsen, wobei immer ein Zapfen am Ende eines Seitenzweigs zu finden ist. Nach der Samenreife werden nicht nur die Zapfen, sondern der ganze Zweig abgeworfen.
Die männlichen Zapfen sind bei einer Dicke von ca. 3 cm etwa 7 bis 9 cm lang und tragen gelblichbraune Microsporophyllen, die im unreifen Zustand auf dem Zapfen ein fest geschlossenes Rautenmuster bilden.

Bild 10: Männlicher Zapfen von Wollemia nobilis
Die weiblichen Zapfen sind zylindrisch bis kugelig mit einem Durchmesser von 6 bis 8 cm. Die Megasporophyllen bilden je einen Samen und tragen an der Spitze einen Fortsatz, der beim reifen Zapfen braun eintrocknet. Wenn die Samen reif sind, fallen die Fruchtblätter ab und legen die zentrale Spindel des Zapfens frei.

Bild 11: Junger Weiblicher Zapfen von Wollemia nobilis

Bild 12: Reifer weiblicher Zapfen von Wollemia nobilis
In den ersten Jahren nach der Entdeckung der Art waren Exemplare in Kultur sehr selten, und es war eine ausgesprochene Besonderheit, wenn ein Botanischer Garten ein Exemplar der Wollemie pflanzen konnte.
Um das natürliche Vorkommen zu schützen, entschloss sich die Nationalparkverwaltung, die Wollemie mit einem Partner aktiv zu vermarkten und so "Raubexpeditionen" möglichst unattraktiv zu machen. Dazu hat der Botanische Garten Sydney ein Forschungs- und Erhaltungsprogramm gestartet, in dessen Rahmen mit verschiedenen Methoden Jungpflanzen gezüchtet werden. Am 23.10.2005 erbrachte die Versteigerung einer limitierten Anzahl von 292 Pflanzen der ersten Vermehrungs-Generation bei Sotherby's einen Erlös von 1,5 Millionen USD.
Und so hat z.B. die Firma Kientzler Jungpflanzen GmbH die Markteinführung der Wollemie in Deutschland im Mai 2006 in den Botanischen Gärten der Universität Bonn offiziell vorgestellt und dem Garten ein erstes Exemplar geschenkt.
Kurz zur Präparation
Die Proben in Form von Blättchen verschiedenen Alters und einem kleinen Sprossstück habe ich im Botanischen Garten Bonn genommen und in einem dicht schließenden Folienbeutel gemeinsam mit einem angefeuchteten Papiertaschentuch und möglichst wenig Luft transportiert. Zwischen Probenahme und Schnitt lagen nie mehr als 24 Stunden.
Geschnitten habe ich die frischen Blätter in Möhreneinbettung und den Spross freistehend auf dem Handzylindermikrotom mit Leica Einmalklingen im SHK-Klingenhalter. Die Schnittdicke beträgt rund 60 bzw. 50 µm. Nach einer Schnittfixierung in AFE für ca. 11 bis 16 Stunden wurden die Schnitte in Aqua dest überführt.
Zwischenzeitlich habe ich jeweils auch einige Aufnahmen von den frischen Schnitten gemacht.
Anschließend habe ich die Schnitte dann für etwa zwei Minuten mit Klorix (1:4 in Aqua dest. als Ersatz für Eau de Javelle) behandelt und nach sehr gutem Ausspülen für rund 12 bis 22 Stunden mit Chloralhydrat gebleicht (250g auf 100ml Aqua dest.). Danach war wieder gründliches Spülen angesagt.
Nach dieser recht aufwändigen Vorbereitung wurde dann mit
Dujardin Grün nach Rolf-Dieter Müller gefärbt.
Eingedeckt sind die Schnitte - nach gründlichem Entwässern in reinem Isopropanol - in Euparal.
Weitere Informationen zur Erstellung botanischer Dauerpräparate finden Sie auf der zugehörigen
Themenseite.
Die verwendete Technik
Alle Aufnahmen entstanden auf dem Leica DM E mit den Objektiven NPlan 5 und 40x sowie den 10x und 20x PlanApos. Die Kamera ist eine Canon Powershot A520 mit Herrmannscher Okularadaption. Zur Zeit nutze ich am Adapter ein Zeiss KPL 10x, das mit den Leica-Objektiven sehr gut harmoniert. Die Steuerung der Kamera erfolgt am PC mit dem Programm PSRemote und der Vorschub wird manuell anhand der Skala am Feintrieb des DM E eingestellt.
Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.
Der Spross unter dem Mikroskop
Wir beginnen unsere mikroskopischen Betrachtungen mit dem Spross, hier von einem zweijährigen Zweig. Die Schnittführung ergibt sich aus dem folgenden Bild:

Bild 13: Übersicht zu Schnittführung für Blatt (S1) und Spross (S2)
Wir sehen schon in Bild 13: das stiellose Blatt der Wollemie sitzt direkt am Spross an, wir werden also immer auch die Blattbasis mit im Schnitt haben. Beginnen wir mit den ungefärbten, frischen Schnitten, die Erläuterungen erfolgen dann anhand der Aufnahmen der gefärbten Schnitte. Immer wieder spannend, wie wenig Chloroplasten ausreichen, um makroskopisch einen satt grünen Farbeindruck hervorzurufen.
Informationen zu den Abkürzungen in den Bildern 14b & d sowie den folgenden beschrifteten Aufnahmen finden Sie wie immer in der Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen
hier auf unserer Webseite.
Bilder 14a-d: Ungefärbte Schnitte vom zweijährigen Spross
Durch die Färbung der Schnitte mit Dujardin Grün kommen die Details der unterschiedlichen Gewebe besser heraus:
Bilder 15a,b: Mit Dujardin Grün gefärbte Schnitte vom zweijährigen Spross
Wir sehen hier den gleichen Schnitt wie in den Bildern 14a & b, nur gefärbt und finden eine Holzteil mit einem Jahresring, der vom Aufbau her dem Holz der Eiben sehr ähnelt, das gilt auch für den oben liegenden Blattansatz, der hier noch komplett mit dem Spross verwachsen ist. Auffällig ist die Blattspur links unten (BS), aus der sich erst später die bis zu 9 parallelen Leitbündel des Blattes bilden.
Wie später im Blatt sehen wir zahlreiche Sekretgänge (SG) mit ihrem innen liegenden Drüsenepitel (DEp) sowohl im Spross als auch im Blatt. Sklerifizierten Idioblasten und die sklerenchymatischen Fasern oberhalb des Phloems sind ebenfalls zu entdecken.
Bilder 16a-d: Xylem, Cambium und Phloem vom zweijährigen Spross
Wir finden einen klassischen Aufbau: auf das Xylem folgt das nun am Ende der Wachstumsphase (Probenahme war Mitte Oktober 2016) direkt zwischen ausdifferenzierten Zellen liegende Cambium, darüber das Phloem, teils gefolgt von einem rötlich angefärbten disfunktionalen Teil und dann die skleren- chymatischen Fasern. Den Abschluss nach oben hin bildet ein Rinden- parenchym.
Besonders in den Bildern 16c & d sehen wir deformierte Phloemzellen, sie werden uns im Blatt wieder begegnen. Im Bild 16d sind einige besonders schöne Exemplare mit Pfeilen gekennzeichnet
Der Blattansatz zeigt die selbe Anatomie wie später die Querschnitte der Blätter selbst:
Bilder 17a,b: Detailaufnahme vom Blattansatz
Schön zu sehen die hier längs getroffenen, knochenförmigen Stomata und die stark ausgeprägte Cuticula auf der Epidermis sowie die teils sklerifizierte Hypodermis. Darunter ein schwach ausgeprägtes Assimilationsparenchym und eingelagert in das Mesophyll drei Leitbündel, Sekretgänge und Idioblasten. Das Phloem der Leitbündel sieht seltsam undifferenziert, ja verschwommen aus.
Um das Bild abzurunden, folgt ein genauerer Blick auf eine Blattspur und das Markparenchym:
Bilder 18a-d: Detailaufnahme vom Blattansatz
Auffällig ist der besonders neben der Blattspur große Anteil des - wenn auch deformierten - Phloems im Vergleich zum Xylem. Auch im Markparenchym finden wir sklerifizierte Idioblasten. Umgeben ist das Mark vom Primären Xylem und auf 8 und 2 Uhr lassen sich wiederum die Anfänge zweier Blattspuren erkennen.
Das Blatt unter dem Mikroskop
Schauen wir uns nun das Blatt der Wollemie näher an. Dazu werfen wir zunächst einen Blick auf die Blattober- und -unterseite. Die Makroaufnahmen einer vier Jahre alten Nadel zeigen einen ganz leichten harzigen Belag, der auf beiden Seiten des Blattes punktförmig auf den Vorhöfen der Stomata liegt.

Bild 19: Makroaufnahme von der Blattoberseite

Bild 20: Makroaufnahme von der Blattunterseite
Auf der Nadelunterseite zeigen die wesentlich dichter sitzenden weißen Pünktchen eine deutlich höhere Zahl an Stomata an.
Nun aber zu den Schnitten! Zur Übersicht hier noch einmal eine Wiederholung des Bildes 13 mit der Schnittführung:

Bild 21: Übersicht zu Schnittführung für Blatt (S1) und Spross (S2)
Wir beginnen unsere mikroskopischen Betrachtungen anhand von Querschnitten einer vier Jahre alten Nadel. Im Folgenden zeige ich wie beim Spross wo vorhanden zunächst ungefärbte Schnitte und dann die gleiche Situation im mit Dujardin Grün gefärbten Schnitt.
Bilder 22a-d: Blattrand eines vierjährigen Blattes von Wollemia nobilis im Querschnitt
Beginnend von der Blattoberseite finden wir eine einreihige Epidermis, auf der eine stark ausgeprägten Cuticula auf liegt. Darunter eine unterbrochene, teils zweireihige Hypodermis aus sklerifizierten Zellen. Weiter innen liegt dann das Palisadenparenchym, in dem in den ungefärbten Schnitten schön eine große Anzahl Chloroplasten zu erkenne ist. Unter dem Palisadenparenchym folgt dann das Schwammparenchym in loserer Anordnung mit großen Interzellularen und deutlich geringer Anzahl an Chloroplasten in den einzelnen Zellen. Wir haben also im Gegensatz zu den Nadeln der Kieferngewächse (Pinaceae) einen klassischen bifazialen Aufbau.
Eingelagert im Schwammparenchym finden wir zum einen große Sekretgänge, an deren Wänden innen ein Drüsenepitel zu finden ist. Bei den frischen Schnitten finden sich über den ganzen Schnitt verteilt kleine ölige Tröpfchen. Ich vermute, dass es sich dabei um den Inhalt der Sekretgänge handelt, der beim Schneiden ausgetreten ist. Zum anderen liegen hier aber auch die parallel verlaufenden kollateralen Leitbündel.
An der Blattunterseite finden wir dann wieder die Hypodermis und die Epidermis mit ihrer Cuticula, diesmal unterbrochen von zahlreichen Stomata in unterschiedlichster Orientierung. Leider habe ich von den an der Blattoberseite liegenden Stomata keines erwischt.
Bleibt zu erwähnen, dass sowohl die Cuticula als auch die Hypodermis am Blattrand besonders stark ausgeprägt sind.
Bilder 23a-d: Quer- und Längsschnitt in der Fläche des vierjährigen Blattes
Wir erkennen den gleichen Aufbau wie beim Schnitt durch den Blattrand in den Bildern 22a-d. Neu im Bild ist der sklerifizierte Idioblast (sklIb), den man wohl dank seiner langen Zellfortsätze auch als Astrosklereiden bezeichnen könnte. Hier ebenfalls erstmals benannt sind die Transfusionstracheiden (TTr), die in einzelnen Strängen am Leitbündel innerhalb der umgebenden Leitbündelscheide (Endodermis) verlaufen. Und wieder die deformierten Siebzellen im Phloem, die uns ach schon früher begegnet sind.
Im Längsschnitt erkennen wir die gleiche Abfolge, da hier eines der Leitbündel getroffen ist. Schön auch die Hoftüpfel der Tracheen (Ht), das oberhalb des Xylems verlaufende dunkelrote Band scheint ein Färbeartefakt (Art) zu sein.
Bilder 24a-h: Leitbündel und Palisadenparenchym des vierjährigen Blattes im Detail
In den ungefärbten Aufnahmen 24a 6 b wieder schön die Chloroplasten, in den gefärbten Aufnahmen 24c & d die Transfusionstracheiden und der Astrosklereid. In jedem Schnitt finden sich mehrere dieser Idioblasten, die somit recht häufig anzutreffen sind.
Im Längsschnitt zunächst noch einmal die Hoftüpfel der Tracheen (24f & g) sowie Siebfelder mit Siebplatten als Verbindung zwischen den Siebzellen (SP).
Schauen wir uns nun noch ein wenig in den Querschnitten um und beginnen mit der Cuticula am Blattrand:
Bilder 25a,b: Blattrand mit ausgeprägter Cuticula
In der Detailaufnahme vom Rand des Blattes erkennt man schön den dreilagigen Aufbau der Cuticula. So was kennen wir doch von der
Welwitschie (Welwitschia mirabilis - Bild 15d) und die mittlere Schicht sieht tatsächlich so aus, als ob auch hier kleine Calciumoxalatkristalle eingelagert wären - ein Verdacht, den wir später im Polarisationskontrast bestätigen können.
Am unteren Rand ein angeschnittener Sekretgang mit Drüsenepitel.
Bilder 26a,d: Einer der Idioblasten aus der Nähe
Leider lässt sich der Astrosklereid im Stapel nicht so schön darstellen, aber man kann den schichtförmigen Aufbau der Zellwand erahnen. Spannend: in den Interzellularen, außen auf den Zellwänden, finden sich rhomboedrische Calciumoxalatkristalle. Wieder eine
Parallele zur Welwitschie (Bilder 17a-b).
Die folgende animierte GIF-Datei empfindet quasi eine Fahrt durch das Präparat durch Fokussieren mit dem Feintrieb des Mikroskops nach. Es besteht aus den Einzelbildern des Stapels, aus dem die Bilder 26a & b berechnet wurden.

Bild 27: Der sklerenchymatische Idioblast als animiertes GIF mit 29 Einzelaufnahmen
Ein Blick auf die Stomata darf natürlich nicht fehlen:
Bilder 28a,b: Stomata an der Blattunterseite des vierjährigen Blattes
Die Stomata sind vom Coniferen-Typ und auch im substomatären Interzellularraum (sIZR) finden wir wieder Calciumoxalatkristalle außen an den Zellwänden.
"Compartemented Cells" - eine Besonderheit der Araukariengewächse
Eine Besonderheit in der Familie der Araukariengewächse bilden die sogenannten Compartemented Cells - Schleimzellen mit einer strukturierten Pektinfüllung, die ich - auch bedingt durch die Präparationsmethode - in meinen Schnitten zunächst übersehen hatte.
Eines der Ziele der Arbeit "Leaf Anatomy of Wollemi Pine (Wollemia nobilis, Araucariaceae)" (Burrow & Bullocks, 1999, [3]) war es, die systematische Zuordnung der Wollemie zu untermauern. In der Familie der Arau- kariengewächse (Araucariaceae) gibt es mit der Entdeckung der Wollemie drei Gattungen: Araucaria, Agathis und Wollemia. Wollemia wird dabei näher an der Gattung Araucaria gesehen und hat sich entwicklungsgeschichtlich früher entwickelt als Agathis, die somit die jüngste Gattung in der Familie ist.
Dies leiten die Autoren vom Vorhandensein der Compartemented Cells ab, da diese bei Araucaria und Wollemia vorhanden sind, nicht aber bei Agathis.
Für die Araukarien haben Mastroberti und de Araujo Mariath diesen speziellen Zelltyp genauer beschrieben [4] & [5]. Die erste korrekte Beschreibung geht jedoch schon auf Bamber et al. (1978) zurück, während sie Barsali (1909) noch als große Interzellularräume interpretiert hat.
Große Interzellularräume bzw. große Zellen mit dünnen Zellwänden im Schwammparenchym? Das kennen wir auch von den hier gezeigten Schnitten, z.B. im Bild 22d:

Bild 29: Compatemented Cells im Blattquerschnitt - gut versteckt doch nicht zu übersehen :)
Die Pfeile weisen auf einige der großen Zellen im Schwammparenchym - leider sind sie völlig leer ...
Die Compatemented Cells sind Zellen, die ein Pektin produzieren und einlagern, bis das gesamte Lumen der Zelle damit gefüllt ist. Dann sterben sie ab. Dabei erhält die Pektinschleim-Füllung eine Struktur, die an eine Unterteilung des Zellinneren erinnert, daher der Name. ([4], S. 269, Fig. 5 & [3], S. 801, Fig. 5). Da diese Zellen einen sehr großen Raum im Mesophyll einnehmen, müssen sie für die Araukarien einen großen Vorteil gebracht haben. Vermutet wird eine Funktion als Wasser- und/oder Stoffwechselprodukt-Speicher.
So, und wo sind diese Zellen mit ihrer seltsamen Schleimfüllung nun in meine Schnitten? Ich hab sie alle fein säuberlich ausgeputzt ... :)
... wirklich alle? Nein, mit etwas Glück konnte ich in zwei etwas dicker geschnittenen Präparaten einige Zellen finden, auf die die Beschreibung passt und die auch noch Reste der Schleimfüllung enthalten. Die Strukturen, die zum Namen Compartemented Cells geführt haben sind jedoch verschwunden: sicherlich ein Effekt der Behandlung mit Klorix und Chloralhydrat.
Bilder 30a,b: Compartemented Cells im Blattquerschnitt
CC steht hier natürlich für Compartemented Cell. Mittig eines der Exemplare mit den Resten der Schleimfüllung, leider aber etwas geschrumpft und eben strukturlos. Im Detail schaut das dann so aus:
Bilder 31a-c: Compartemented Cells im Detail
Auch bei den Detailaufnahmen der Compartemented Cells zeigen sich sehr schön die Calciumoxalatkrostalle in den Interzellularräumen.
Auffälligkeiten im Phloem und Calciumoxalatablagerungen
An verschiedenen Stellen des Artikels war bereits die Rede von den seltsam verschwommen dargestellten Siebzellen im Phloem. Was könnte es damit auf sich haben? Naheliegend ist ja erst einmal ein Präparationsartefakt, vielleicht im Zusammenspiel mit den Behandlungen der Schnitte mit Klorix (Wirkstoff Natriumhypochlorit) und Chloralhydrat. Und wenn es sich nicht um ein Artefakt handelt: hat das Vorhandensein dieser disfunktionalen Phloemzellen etwas mit dem Alter der Blätter zu tun? Das bisher betrachtete Blatt ist mit 4 Jahren ja schon relativ alt.
Interessant ist auch, dass es in den mir vorliegenden Aufsätzen zu Blattanatomie von Wollemia nobilis keinen entsprechenden Hinweis gibt ([3] und [5]). Zu erwarten wäre gemäß dieser Arbeiten ein normal gebildetes Phloem, typischerweise nur mit Siebzellen, das über ein Cambium jährlich neu gebildet wird (die Wollemie hat in den Blättern also offen kollaterale Leitbündel). Altes, disfunktionales Phloem zeigt sich dann halbmondförmig zusammengepresst und an der Endodermis anliegend am unteren Rand des Leitbündels ([3], S. 801, Fig. 6).
![Bild 32: Fig. 6 aus dem Artikel 'Leaf Anatomy of Wollemi Pine (Wollemia nobilis, Araucariaceae)' von Geoffrey E. Burrows and Suzanne Bullock [3]. Der rote Pfeil markiert das halbmondförmig zusammengeschobene disfunktionale Phloem (cp) am unteren Rand eines Leitbündels im Blatt von Wollemia nobilis. Bild 32: Fig. 6 aus dem Artikel 'Leaf Anatomy of Wollemi Pine (Wollemia nobilis, Araucariaceae)' von Geoffrey E. Burrows and Suzanne Bullock [3]. Der rote Pfeil markiert das halbmondförmig zusammengeschobene disfunktionale Phloem (cp) am unteren Rand eines Leitbündels im Blatt von Wollemia nobilis.](../../_pics/8675/170114_Wollemia_nobilis_Blatt_quer_Leitbuendel_Burrows_3_600.jpg)
Bild 32: Fig. 6 aus dem Artikel 'Leaf Anatomy of Wollemi Pine (Wollemia nobilis, Araucariaceae)' von Geoffrey E. Burrows and Suzanne Bullock [3]. Der rote Pfeil markiert das halbmondförmig zusammengeschobene disfunktionale Phloem (cp) am unteren Rand eines Leitbündels im Blatt von Wollemia nobilis.
Wie nun weiter vorgehen? Den Ausschluss eines Artefaktes bietet eine alternative Präparationsmethode und natürlich der Blick auf einen frischen Schnitt, den wir in den Bildern 24a&b ja schon hatten. Dann müssen wir uns einmal jüngere Blätter ansehen, um das Alter des Blattes als Ursache zu bestätigen oder auszuschließen. Zu guter Letzt stellt sich noch die Frage, ob das Phänomen in allen 8 bis 9 parallelen Leitbündeln eines Blattes gleichermaßen auftritt. Hört sich nach viel Arbeit an, also los.
Zum Einstieg noch einmal ein Leitbündel aus dem vierjährigen Blatt als Vergleichsmaßstab. Die Bilder zeigen schön die deformierten Zellen, die entgegen der Situation in Bild 32 über das ganze Phloem verteilt liegen. Der Halbmond ist nicht zu erkennen und im Phloem selbst gibt es einige Stränge scheinbar funktionaler Siebzellen:

Bild 33: Unser Referenzleitbündel vom vierjährigen Blatt in Dujardin Grün Färbung; Vergrößerung 400x, Stapel aus 12 Bildern
Schauen wir zunächst einmal, wie das Phloem in den Leitbündeln unterschiedlich alter Blätter aussieht. Dazu hier Aufnahmen von Querschnitten eines einjährigen Blattes. Bei der Gelegenheit ergibt sich natürlich auch noch einmal der Blick auf einen frischen Schnitt.
Bilder 34a-h: Schnitte vom einjährigen Blatt
Was zunächst nach einer Bestätigung der "Alte Nadel Theorie" aussah, hat leider keinen Bestand. Das ausgewählte Bündel zeigt zwar sowohl im ungefärbten als auch im gefärbten Schnitt signifikant weniger deformierte Siebzellen, wie im Vergleichsbild 33 (Bilder 34 a-f). Aber schon die direkt daneben liegenden Bündel unterscheiden sich nicht vom Vergleichsbild (34g & h), was schon die Übersichtsaufnahme bei 100x erkennen lässt.
Besonders die Bilder mit eintausendfacher Vergrößerung (34g & h) zeigen uns aber etwas vom genauen Aufbau der disfunktionalen Zellen: wir sehen in dunklem Blau die Zellmembran, die von der aufgequollenen Zellwand quasi nach innen zusammen geschoben und eingefaltet wurde. Allerdings ist das Lumen der betroffenen Siebzellen hier (noch?) nicht ganz geschlossen.
Was haben wir gelernt: Ein Artefakt scheidet wahrscheinlich aus, da die ungefärbten Schnitte sich genau so darstellen, wie die mit Dujardin Grün gefärbten. Ausserdem gibt es im einjährigen Blatt sowohl Leitbündel mit gut durchlässigem als auch mit annähernd vollständig zugequollenem Phloem.
Versuchen wir also zur Sicherheit noch einmal eine sanftere Präparation ohne Bleiche und mit W3Asim II Färbung und nehmen mehr Leitbündel des Querschnitts unter die Lupe:
Bilder 35a-n: Schnitte vom zweijährigen Blatt
Die Bilderserie 35a-n zeigt, dass die Situation beim zweijährigen Blatt sich nicht von der beim ein- bzw. vierjährigen Blatt unterscheidet. Die beiden am Außenrand des Blattes verlaufenden Bündel haben in der Regel ein etwas durchlässigeres Phloem, bei den innen liegenden Bündel sind nur ganz wenige Siebzellen offen. Artefakte können wir nun sicher ausschließen, da sich die Schnitte nicht unterscheiden, egal, ob sie frisch, mit Dujardin Grün und Bleichen oder W3Asim II ohne Bleichen gefärbt sind.
An diesem Punkt habe ich Herrn Dr. Geoffrey E. Burrows, einen der Autoren des Artikels zur Blattanatomie der Wollemie [3] angeschrieben, und ihm meine Funde vorgestellt. Er hat zunächst noch einmal frische Schnitte von der Wollemie aus seinem Garten gemacht, die aber den gleichen Leitbündelaufbau wie in seinem Artikel zeigten (siehe Bild 32). Auch er hatte keine Erklärung für das weitestgehend disfunktionale Phloem in den Blättern der Bonner Pflanze.
Exkurs: Die unterschiedlich alten Blätter boten jedoch auch eine gute Gelegenheit, einmal zu schauen, wie es sich mit der Ablagerung des Calciumoxalats verhält:
Bilder 36a-h: Calciumoxalatablagerungen abhängig vom Alter des Blattes
Die Bilder der Serie 36a-h zeigen schön, dass die Einlagerung des Calciumoxalats in den Zellzwischenräumen quasi im zweiten Lebensjahr eines Blattes erfolgt. Vom Ende der Wachstumsperiode im zweiten Jahr bis zum gleichen Zeitpunkt im vierten Jahr gibt es kaum noch Änderungen.
Wie schon weiter oben beschrieben, enthält auch die mittlere Schicht der Cuticula eingelagerte Calciumoxalatkristalle. Diese sind aber bereits am Ende der ersten Wachstumsperiode, hier beim einjährigen Blatt vorhanden und bleiben in den späteren Jahren unverändert.
Fazit
Nach dem kleinen Exkurs zum Calciumoxalat in der Cuticula und den Interzellularräumen wieder zurück zum Phloem. Wo stehen wir hier und welche Vermutungen können wir nun auf Basis der gemachten Untersuchungen anstellen? Fassen wir noch einmal zusammen:
- Sowohl im Phloem des Sprosses als auch in dem der Blätter finden wir bei Wollemia nobilis einen sehr großen Anteil disfunktionaler Siebzellen, die wie zugequollen wirken. Der Effekt beruht auf stark verdickten Zellwänden der Phloemzellen, ohne dass z.B. eine Sklerifizierung vorliegen würde.
- In den Blättern sind die äußeren der 8 bis 9 parallelen Leitbündel durchlässiger als die in der Mitte, aber alle Leitbündel haben im Phloem auch durchlässige Siebzellen.
- Aussehen und Anordnung des Phloems widerspricht den Beschreibungen in den einschlägigen Artikeln (siehe insbesondere Bild 32 und [3])
- Eine Präparationsartefakt konnte durch die Betrachtung frischer Schnitte und einer alternativen Färbung ausgeschlossen werden.
- Die Deformation ist unabhängig vom Alter der Blätter (Eingeflossen sind die Ergebnisse von Schnitten durch Blätter im Alter von einem, zwei und vier Jahren)
- Zeitpunkt der Probenahme war Mitte Oktober, also am Ende der Wachstumsperiode
Nach Diskussion mit Dr. Detlef Kramer besteht die Möglichkeit, dass es sich hier um eine reversible Veränderung zum Schutz vor Feuchtigkeitsverlust und Erfrierungen in der kalten Jahreszeit handelt. Was bedeutet, dass Blätter aller Altersstufen mit Beginn der neuen Wachstumsperiode im Frühjahr wieder ein normales Phloem zeigen müssten.
Alternativ kommt eine krankhafte Veränderung oder eine Veränderung aufgrund eines ungünstigen Standorts in Betracht.
Dies lässt sich einfach prüfen: im kommenden Frühjahr werde ich noch einmal Proben von den Bonner Wollemien untersuchen und auch schauen, wie es sich bei den Wollemien im Botanischen Garten der TU Darmstadt verhält. Ich hoffe, dann eine Lösung zu finden oder wenigstens eine der Theorien erhärten zu können und werde wieder berichten.
Nachtrag auf Basis weiterer Untersuchungen vom 08.04.2017
Auf dem diesjährigen
Kornrade-Treffen in Darmstadt ergab sich die Gelegenheit, weitere Wollemien zu beproben und deren Blätter auf das beobachtete Phänomen der deformierten Phloemzellen zu untersuchen. Die Pflanzen standen jedoch Anfang April 2017 zur Überwinterung im Kalthaus und befanden sich noch in der Ruhephase.

Bild 37: Probenahme im Kalthaus des Botanischen Gartens Darmstadt
Wie im Programm der 14. Kornrade angekündigt, gab es neben einem Vortrag, der im Wesentlichen die Erkenntnisse aus dem vorliegenden Artikel darstellte, auch einen Schnippel-Workshop mit frischen Proben von den Wollemien im Botanischen Garten der TU Darmstadt. Es ist nicht selbstverständlich, sich als Laie so frei an den Pflanzen bedienen zu dürfen, daher auch meinen Dank an Herrn Schneckenburger und Herrn Werner!
Die Präparation erfolgte direkt nach der Probenahme in gewohnter Workshop-Manier, also nach einem verkürzten Rezept. Geschnitten wurde von den Teilnehmern des Workshops auf verschiedenen Handzylindermikrotomen, dem Haga Kastenmikrotom und auch einem Schlittenmikrotom. Nach diesmal kurzer Schnittfixierung von rund 20 Minuten und erfolgte die Überführung der Schnitte in Aqua dest., wo sie kurz mit Klorix (1:4 in Aqua dest.) gebleicht wurden. Anschließend dann die Färbung mit W3Asim II von Rolf-Dieter Müller. Nach einer kurzen Differenzierung in Ethanol 70% wurde in reinem Isopropanol gründlich entwässert und in Euparal eingedeckt.
Die minimalen Einwirkzeiten führet allerdings zu Präparationsartefakten vom nicht gänzlich entfernten Harz aus den großen Harzgängen, die sich auch in den Bildern der Schnitte wieder finden.
Bilder 38a-c: Präparation der Blätter im Rahmen des Workshops auf der Kornrade 14
Um es kurz zu machen: auch in den Blättern der Wollemien aus Darmstadt findet sich das auf gleiche Weise deformierte oder "aufgequollene" Phloem, das wir schon an den Bonner Pflanzen beobachten konnten.

Bild 39: Das Phloem der Darmstädter Pflanzen zeigt die gleichen Deformationen wie bei den Bonner Proben, Vergrößerung 400x
Der Vergleich z.B. mit dem Bild 33 sowie den Serie 34a-h und 35a-n weiter oben im Artikel zeigt keinen Unterschied.
Bilder 40a-c: Übersicht und Details
Somit haben wir bei zwei verschiedenen Bonner Pflanzen und zwei Darmstädter Pflanzen jeweils das gleiche Bild. Wir erinnern uns: Herr Burrows hatte Ende letzten Jahres freundlicherweise seine eigene Wollemie in Australien geprüft und ein normales Phloem vorgefunden.
Wie ist das zu deuten? Eine krankhafte Veränderung kann meines Erachtens ausgeschlossen werden, da sie über alle beprobten Pflanzen sehr unwahrscheinlich ist. Was bleibt, wäre eine Schutzreaktion der Siebzellen in der Ruhephase, die mit Beginn der nächsten Wachstumsphase zurück gebildet wird.
Dazu war es diesmal noch zu früh, ich werde also ab Mitte Mai noch mal Proben in Bonn nehmen und auch die Kollegen aus Darmstadt wollen dann noch einmal schauen.
Es gibt aber noch ein weiteres Ergebnis. Wie in dem Artikel "Leaf Anatomy of Wollemi Pine (Wollemia nobilis, Araucariaceae)" von Geoffrey E. Burrows and Suzanne Bullock beschrieben, nehmen die Transfusionstracheiden (TTr) an der Blattspitze mehr Raum ein, als in der Blattmitte - ein Umstand, den ich bei den vorangegangenen Proben nicht betrachtet hatte und den ich hier nun dank der Schnitte von Rolf-Dieter Müller gut darstellen kann:
Bilder 41a,b: Transfusionstracheiden in der Blattspitze der Wollemie
Das zeigt, dass es durchaus nicht ausreicht, einen Schnitt an beliebiger Stelle z.B. eines Blattes zu machen und darauf auf den Bau des gesamten Blattes zu schließen. Auch interessant: in der Blattmitte finden wir 11 Leitbündel, im Schnitt von der Spitze sind es nur noch 3.
Alles in allem ein weiterer Cliffhanger, Ende Mai lesen wir uns - hoffentlich - wieder.
Nachtrag vom 24.09.2017: Nacréwände - das Rätsel ist gelöst!
Im Mai? Nun, es hat etwas länger gedauert - nicht zuletzt auch, weil ich das Ergebnis der Reise nicht vor dem Treffen auf dem Dörnberg Ende August diesen Jahres preisgeben wollte, um den Spannungsbogen meines Vortrags dort nicht zu beeinträchtigen. Die Verzögerung möge man mir also verzeihen.
Zunächst haben Rolf-Dieter Müller und ich noch einmal Proben von den Wollemien im Botanischen Garten der Universität Bonn genommen. Es war schön zu beobachten, wie sich mit dem frischen Austrieb die Polkappe an der Sprossspitze der Wollemien löste, und wir konnten Material von den noch nicht ausdifferenzierten Blättern sammeln.
Kurz und knapp: die verdickten Zellwände zeigten sich wie in allen anderen Funden bisher auch in den Siebelementen dieser Proben. Die Theorie, dass die Zellwandverdickungen eine Schutzfunktion in der Ruhephase sein könnten, war somit klar widerlegt.
Bilder 42a,e: Bilder vom frischen Austrieb der Wollemien in Bonn

Bild 43: Auch im Phloem der noch nicht ausdifferenzierten Blätter zeigen die Siebelemente die bekannten Wandverdickungen ... und nun?
Wenn gar nichts mehr hilft, ist ein Blick in die Literatur vielleicht angebracht ...
Und siehe da, dort wird man z.B. bei Esau auf der Seite 206 in einem kleinen Abschnitt mit der Überschrift "Wandstruktur" fündig. Es ist die Rede von der Nacréwand (franz. perlmuttartig glänzend), die so dick sein kann, dass sie das Zelllumen verstopft. Seinerzeit (1969) war das Thema wohl noch recht neu, es wurde zumindest für die Abietoidae unter den Coniferales angenommen, dass es sich um eine echte Sekundärwand handelt.
Soweit ganz kurz und knapp aus dem Esau ... zu "perlmuttartig" passt sehr gut das folgende Bild vom frischen Schnitt eines zweijährigen Blattes:

Bild 44: Leitbündel eines frischen Schnittes. Die Siebelemente erscheinen perlmutartig gefärbt - handelt es sich um Nacréwände?
Auf der Suche nach jüngerer Literatur zu den Nacréwänden wird man in Eschrichs "Funktioneller Pflanzenanatomie" von 2004 auf Seite 143 fündig. Dort heißt es:
Zitat:
In den Siebzellen der Farnpflanzen kann die Zellwand stark anschwellen, so dass das Zelllumen fast verschwindet. Solche Zellwände haben im Lichtmikroskop Perlmuttglanz, man bezeichnet sie als Nacré-Wandschichten (Abb. 5.8). Die Nacréwand stellt nur ein Übergangsstadium dar, denn im ausdifferenzierten Zustand besitzen die Siebzellen der Pteridophyten kaum dickere Zellwände als die Parenchymzellen (Warmbrodt 1980, Evert 1984).
In Coniferennadeln, die mehrere Jahre funktionsfähig bleiben (Picea abies), behalten die Siebzellen des sekundären Phloems ihre Nacréwände bis zu Obliteration (Blechschmidt u. Huber 1952). Dickwandige, obliterierte (= abgestorbene, Anm. des Autors) Siebelemente bilden den Knorpelbast (Holdheide u. Huber 1952), der auch als Hornbast, Hornprosenchym oder Keratenchym bezeichnet wurde (Esau 1969).
Und zur Funktion heißt es bei Eschrich in der Fortsetzung des vorangestellten Zitates:
Zitat:
Die Aufeinanderfolge cytologischer Veränderungen in den jungen Siebelementen spricht dafür, dass lytische Vorgänge die Funktionsbereitschaft dieser Stoffleitungsbahnen vorbereiten. Offenbar werden nicht mehr benötigte Cytoplasmabestandteile duch das Plasmalemma in die gequollene Zellwand geschleust, dort aufgelöst, mit dem Apoplastwasser entfernt und anderen Geweben nutzbar gemacht. Das Vorkommen von Lomasomen (multivesicular bodies) oder Lysosomen spricht für diesen Ablauf. Für die reifen, ausdifferenzierten Siebelemente ist characteristisch, dass sie im Lichtmikroskop leer erscheinen.
So weit die Literatur. Schaut man sich die Leitbündel aus den Schnitten unserer Wollemie an, scheinen die Beschreibungen gut zu passen. Wollemia gehört in der Familie der Araucariae zu den Coniferales und ihre Siebelemente könnten also auch über Nacréwände verfügen. Bei den höheren Pflanzen ist die Lyse der nicht benötigten Zellbestandteile der Siebröhren ein Prozess im Rahmen der Ausdifferenzierung der Gewebe. Reife Siebröhren zeigen so keine Wandverdickungen. Bei den Coniferales bleiben die Nacrewände aber teilweise bis zur Obliteration, also bis zum Absterben der Siebelemente, erhalten. Vielleicht sehen wir darin einen frühen Entwicklungsstand hin zu der am weitesten entwickelten Phloemanatomie mit Siebröhren und Geleitzellen, die bei den Coniferales, die nur über Siebelemente verfügen, noch nicht erreicht ist.
Insbesondere mit Blick auf die Abbildung 5.8 auf Seite 144 aus der Funktionellen Pflanzenanatomie betrachte ich das Rätsel um die aufgequollenen Zellwände der Siebelemente bei Wollemia nobilis damit als gelöst. Nacréwände finden sich also auch bei den Araucariae.
Bild 45: Abb. 5.8 aus Funktionelle Pflanzenanatomie, Eschrich 2004, Seite 144

Bild 45: Abb. 5.8 aus Funktionelle Pflanzenanatomie, Eschrich 2004, Seite 144
Zwischenzeitlich hatte ich im Kontakt mit Prof. Geoff Burrows von ihm noch eine kleinen Zweig seiner Wollemie erhalten, der die Flugreise in einem geschlossenen Plastikbeutel gut überstanden hat. Auch hier zeigt sich das gleiche Bild wie wir es schon von den deutschen Pflanzen kennen. Herzlichen Dank an Geoff Burrows für den netten Kontakt und die Unterstützung!
Bilder 46a,c: Die Probe aus Australien
Zum Abschluss hier nun die Bilder der neuesten Schnitte aus Deutschland und Australien mit korrekter Beschriftung der Nacréwände in den Siebelementen:
Bilder 47a-n: Nacréwände bei Wollemia nobilis
Dank
Herrn Dr. Geoffrey E. Burrows vielen Dank für den freundlichen Austausch und die schnelle Prüfung anhand von extra angefertigten Schnitten seiner eigenen Wollemie. und auch für die Zusendung eines Zweiges von seinem Baum zur vergleichenden Präparation.
Many thanks to Dr. Geoffrey E. Burrows for the friendly consideration of my questions and the review of my findings doing slices from the leaves of his own Wollemi Pine. And also for sending a specimen of his tree for analysis and comparison.
Mein Dank gilt auch der Leitung der Botanischen Gärten von Bonn und Darmstadt, mit deren Erlaubnis ich die entsprechenden Proben von den Wollemien an beiden Standorten nehmen konnte.
Literatur und Links
[1] Wollemia nobilis, a new living Australian genus and species
in the Araucariaceae.
W. G. Jones, K. D. Hill & J. M. Allen
Telopea 6, S. 173–176 (1995), ISSN 0312-9764
(Erstbeschreibung)
[2] An Anatomical Assessment of Branch Abscission and Branch-base
Hydraulic Architecture in the Endangered Wollemia nobilis
G. E. Burrows, P. F. Meagher and R. D. Heady, 2006
[3] Leaf Anatomy of Wollemi Pine (Wollemia nobilis, Araucariaceae)
Geoffrey E. Burrows and Suzanne Bullock
Australian Journal of Botany 47(5), 1999, S. 795 - 806
[4] Leaf anatomy of Araucaria angustifolia
(Bertol.) Kuntze (Araucariaceae)
ALEXANDRA A. MASTROBERTI and JORGE E.A. MARIATH
Revista Brasil. Bot., V.26, n.3, p.343-353, jul.-set. 2003
[5] Compartmented cells in the mesophyll of
Araucaria angustifolia (Araucariaceae)
Alexandra A. Mastroberti and Jorge Ernesto de Araujo Mariath
Australian Journal of Botany, 2003, 51, 267–274
[6] Botany for Degree Students - Gymnosperms
Vasishta
, Sinha, Kumar, S.Chand Reprint 2016
[7] Wollemia nobilis im Botanischen Garten Bonn
Webseite des Botanischen Gartens Bonn
[8] Botanische Schnitte mit dem Zylindermikrotom
Jörg Weiß, MBK 2011
[9] Dujardin Grün - eine alte Färbung für botanische Schnitte
im neuen Gewand
Dujardin Grün Färbung von Rolf-Dieter Müller, MKB 2011
[10] Tabelle der Abkürzungen zur Pflanzenanatomie
Jörg Weiß, MKB 2011
[11] The Wollemie Pine
James Woodford, 2000
Die Geschichte der Entdeckung der Wollemie
Bildquellen
- Bild 1: Zwei ausgewachsene Wollemien aus der Luft
Geoffrey Burrows und Suzanne Bullock,
aus "Wollemia nobilis, a new living Australian genus
and species in the Araucariaceae"
- Bild 3: Polkappe am Haupttrieb von Wollemia nobilis
Aufnahme von Tony Rodd, private Verwendung frei
- Bild 10: Männlicher Zapfen von Wollemia nobilis
Aus Wikipedia, User Velela, CC BY-SA 3.0
- Bild 11: Junger weiblicher Zapfen von Wollemia nobilis
Aus photy.org, public domain, Autor nicht angegeben
- Bild 12: Reifer weiblicher Zapfen von Wollemia nobilis
Aus http://www.growingontheedge.net von Kev Spence, UK
- Bild 32: Leitbündel im Blatt von Wollemia nobilis
Geoffrey Burrows und Suzanne Bullock,
aus "Leaf Anatomy of Wollemi Pine (Wollemia nobilis, Araucariaceae)"
- Bild 46: Siebzellen von Farnpflanzen
Zitat aus "Funktionelle Pflanzenanatomie", Eschrich 2004, S. 144
- Alle anderen Aufnahmen vom Autor des Artikels
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