In der Welt der Seggen (Carex pseudocyperus und X)
Jörg Weiß, vom 14.04.2013
Vor einiger Zeit habe ich von Bodo Braunstorfinger (auch hier noch einmal meinen herzlichen Dank!) eine Reihe von Schnitten verschiedener Pflanzen in Ethanol erhalten. Eines der Röhrchen war mit Ziergras beschriftet, Genau- eres zur Gattung und Art war unbekannt und ist an der Probepflanze in dieser Jahreszeit auch nicht zu ermitteln.
Trotzdem reizte mich der m-förmige Querschnitt der Grasblätter, die Präparation zu beenden und zu schauen, was sich alleine anhand der Schnitte zu dem Gras sagen lässt.
Präparation
Den Schnitt der nicht bestimmten Grasblätter hat Bodo Braunstorfinger auf dem Schlittenmikrotom vorgenommen. Die Schnittdicke betrug 30 µm. Die in 70%igem Ethanol liegenden Schnitte wurden mit
AFE fixiert.
Gefärbt habe ich hier nach W3Asim II von Rolf-Dieter Müller. Entsprechende Arbeitsblätter können im
Downloadbereich herunter geladen werden. Eine ausführliche Beschreibung der Färbung finden Sie in der Bibliothek "
Botanische Mikrotechnik" hier auf unserer Webseite.
Übersicht zur Lage der Detailbilder im Blattquerschnitt des unbekannten Ziergrases

Was liegt wo? Übersicht als Makroaufnahme des Präparats mit der Canon PS S3is mit einkopierten Detailbildern. Ein Klick ins Bild zeigt die Montage in Originalgröße.
Nun zu den Detailaufnahmen aus dem Querschnitt des unbekannten Ziergrases. Erläuterungen finden sich jeweils in der Bildunterschrift.
Was gibt es in den Schnitten des Ziergrases zu sehen?
Was können uns die Bilder von den Schnitten des unbekannten Ziergrases nun sagen?
Am augenfälligsten sind sicher die bulliformen Zellen über dem Mittelnerv. Diese ermöglichen einen einfachen Klappmechanismus: bei zu geringer Wasserversorgung durch Trockenheit des Bodens oder hohe Verdunstung infolge starker Sonneneinstrahlung schrumpfen die Zellen und ziehen so die beiden Innenschenkel des Blattes zusammen. Somit wird ein großer Teil der Blattoberfläche quasi aus der Sonne genommen.
Dies ist eine typische Trockenanpassung, die sich so besonders schön auch bei den
Blättern des Strandhafers findet, die sich regelrecht zu einer Röhre einrollen können.
Dazu passt die Epidermis, deren sehr große Zellen an der Oberseite eine starke Cuticula tragen. Dies ist auch eine Adaption zur Verringerung des Wasserverlustes (Cuticula) und zum Schutz vor zu starker Sonneneinstrahlung. Einen ähnlichen Aufbau findet man z.B. bei den Blättern des Gummibaumes.
Ganz anders die Blattunterseite. Hier sind die Epidermiszellen kleiner aber ein großer Anteil zeigt eine deutliche Ausstülpung. Dies ähnelt dem Aufbau der Epidermis bei der Frucht der Banane. Hier wird sich vermutlich morgendlicher Tau besonders gut niederschlagen und dann das Blatt hinab zu Boden rinnen, um von der Pflanze aufgenommen zu werden.
Im Bau der Epidermis der Blattober- und Unterseite zeigt sich meines Erachtens auch eine Anpassung an eher trockene, helle Standorte.
Und dann ist da noch die Leitbündelscheide um die Leitbündel, die im ersten Moment an eine C4 oder CAM-Pflanze denken lässt. Allerdings fehlen in den Zellen der Scheide die Chloroplasten, die dort in diesem Falle vorhanden sein müssten. Hier danke ich Dr. Detlef Kramer für die Diskussion und den entscheidenden Tipp.
Alles deutet auf eine Trockenpflanze hin. Dumm nur, dass sich das Ziergras mit nassen Füßen - uups Wurzeln - am Gartenteich pudelwohl fühlt. Was nun?
Die Blattform und die zunächst gemachte Annahme eines C4 oder CAM Stoffwechsels haben mich in Richtung Segge schauen lassen. Das dreifach gefaltete Blatt (m-Form) ist bei den unterschiedlichen Seggenarten recht häufig anzutreffen und die sehr variable Gattung aus der Familie der Sauergräser (Cyperaceae) beheimatet viele Arten, die tatsächlich einen C4-Stoffwechsel haben.
Das Netz bietet da einiges an Anschauungsmaterial, so zum Beispiel auf den Seiten von
Günther Blaich.
Aber eine sichere Bestimmung ist so natürlich nicht drin.
Der Zufall hilft ...
Beim Besuch im örtlichen Pflanzenhandel viel mir ein Töpfchen mit einer arg gestutzten Segge in die Hände. Es war das Scheinzypergras (Scheinzypergras-Segge) Carex pseudocyperus. Die Schnittkanten der Blätter waren auch nahezu m-förmig - gesehen, gekauft, geschnitten und:
Übersicht zur Lage der Detailbilder im Blattquerschnitt der Scheinzypergras-Segge

Was liegt wo? Übersicht als Makroaufnahme des Präparats mit der Canon PS S3is mit einkopierten Detailbildern. Ein Klick ins Bild zeigt die Montage in Originalgröße.
Nun zu den Detailaufnahmen aus dem Querschnitt der Scheinzypergras-Segge Carex pseudocyperus. Erläuterungen finden sich jeweils in der Bildunterschrift.
Was gibt es in den Schnitten des Scheinzypergrases zu sehen?
Präparation Carex pseudocyperus
Die Präparation der Proben von der Scheinzypergras-Segge ist auf gleiche Weise erfolgt, wie bei dem vorangegangenen Material. Eine Ausnahme bildet der Schnitt: ich habe das gefaltete Blatt mit dem Zylindermikrotom und Leica Einmalklingen im SHK-Halter etwa 50 µm dick frisch geschnitten. Dabei kam eine Möhreneinbettung zum Einsatz. Anschließend habe ich in AFE fixiert, nicht ohne vorher die zwei oben gezeigten Bilder vom Frischmaterial aufzunehmen.
Informationen zur Scheinzypergras-Segge

Die Scheinzypergras-Segge (Carex pseudocyperus) aus der Familie der Cyperaceae ist eine ausgemachte Feuchtigkeitsliebhaberin. Und das, obwohl wir in den oben gezeigten mikrosko- pischen Bildern vom Blatt- querschnitt einige Elemente finden, die man eher Pflanzen mit Trockenheits- anpassung zuschreiben würde. Am auffälligsten sind da vielleicht die beiden Cuticularhörnchen an den Schließzellen, die einen stomatären Vorhof bilden, was normalerweise die Verdunstung durch die Blattspalte herab setzt.
Sie ist eine immergrüne, mehrjährige, krautige monokotyle Pflanze, die Wuchshöhen von etwa 40 bis 100 cm erreicht. Die auffallend gelbgrün gefärbte nicht behaarte Seggenart bildet keine Ausläufer und kommt in lockeren Horsten vor. Ihre Stängel sind unten scharf dreikantig und sie besitzt 5 bis 15 mm breite doppelt gefaltete Laubblätter, deren basale Blattscheiden hellbraun gefärbt und teilweise purpurrot überlaufen sind. Durch Quernerven erscheint das Blatt häufig gitternervig und nicht (wie sonst bei Seggen die Regel) fasernetzartig.
Die Hüllblätter des Blütenstandes sind sehr lang, so kann das unterste Hüllblatt eine Länge von bis zu 50 cm erreichen. Der Blütenstand selbst ist etwa 5 bis 12 cm lang und besteht aus nur einer, selten zwei männlichen Ähren an der Spitze und drei bis sechs dicht beieinander stehenden weiblichen Ähren, die meist lang gestielt und weit überhängend sind. Die Spelzen der weiblichen Blüten laufen in eine lange, deutlich gesägte Granne aus und sind meist nur in der oberen Stängelhälfte zu finden. Sie werden 7 bis 10 mal so lang wie breit. Die unterste weibliche Ähre ist häufig etwas abgesetzt.
Die Blüten werden vom Wind bestäubt und die schwimmfähigen Samen meist durch das Wasser ausgebreitet. Die Segge vermehrt sich jedoch auch vegetativ mit Hilfe ihres Rhizoms.
Die Scheinzypergras-Segge blüht im Juni und Juli. Man findet sie an sehr feuchten und teils überfluteten Großseggenrieden, in Röhrichtgesellschaften und im Verlandungsbereich stehender oder selten langsam fließender Gewässer. Selten auch an den Rändern von Erlenbruchwäldern. Sie ist in ganz Deutschland häufig, nur in den Alpenregionen kommt sie seltener vor. Auch im übrigen Europa, im nördlichen Asien und Teilen des östlichen Amerikas ist sie teils weit verbreitet.
Eine schöne Illustration zur Scheinzypergras-Segge

Aus Flora Batava of Afbeelding en Beschrijving van Nederlandsche Gewassen; Janus Kops, 1849. Quelle: www.biolib.de (Kurt Stüber, GFDL, 2007).
Und noch eine Gegenüberstellung
Vor dem Fazit möchte ich die korrespondierenden Aufnahmen aus den beiden Blattquerschnitten noch einmal direkt gegenüber stellen. Jeweils links das Bild von der Scheinzypergras-Segge und rechts die Aufnahme vom unbekannten Ziergras. So werden die schon beschriebenen Gemeinsamkeiten und Unter- schiede noch einmal schön verdeutlicht.
Fazit
Die Unterschiede in der Blattanatomie machen natürlich sofort deutlich, dass es sich bei dem zuerst vorgestellten Ziergras und der Scheinzypergras-Segge um zwei unterschiedliche Pflanzenarten handelt. Anhand der vorgefundenen Gemeinsamkeiten gehe ich jedoch davon aus, dass auch das unbekannte Ziergras zur Gattung der Seggen gehört.
Ob ich da richtig liege, wird das nun hoffentlich wärmer werdende Wetter an den Tag bringen: nämlich, wenn das Gras an Bodo Braunstorfingers Teich wächst und in Blüte steht. Dann sollte eine einwandfreie Bestimmung möglich sein.
Ergänzung:
Auf der Kornrade 10 konnte die unbekannte Segge mit der Hilfe von Dr. Detlef Kramer anhand der Bilder, des von Bodo Braunstorfinger mitgebrachten Herbarmaterials und Vergleichspflanzen aus dem Botanischen Garten der TU Darmstadt eindeutig als Sumpf-Segge (Carex acutiformis, auch Scharfkantige Segge) bestimmt werden.
Literatur
[1] Funktionelle Pflanzenanatomie
Walter Eschrich, Springer 1995.
[2] Anatomy of Seed Plants, 2nd Edition
Katherine Esau, Wiley-India Reprint 2011.
[3] Pflanzenanatomisches Praktikum I
Braune, Leman, Taubert, Spektrum 2007.
Anatomischer Bau der Laubblattspreite
[4] Mikroskopisch-Botanisches Praktikum
Gerhard Wanner, Thieme 2004.
Kap. 12 (Blatt) und 13 (Spross)
Bildquellen
- Aufnahme der Pflanze mit dem Fruchtstand aus der Wikipedia von H. Zell unter GDFL
Bildseite in der Wikipedia
- Illustration aus dem Band Flora Batava of Afbeelding en Beschrijving van Nederlandsche Gewassen aus der Biolib von Kurt Stüber unter GDFL
www.biolib.de
- Alle anderen Aufnahmen vom Autor des Textes
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