Seifenfilme - Dynamische Farbenpracht unter dem Mikroskop
Bildbeispiele, physikalische Erläuterungen, praktische Tipps und eigene Untersuchungen

Faszination Seifenfilme
Dr. Kai Böge,
vom 20.04.2023
Seifenblasen ziehen mit ihrem wundervollen, wech- selnden Farbenspiel Jung und Alt in ihren Bann. Diese Faszination lässt sich (für einige von uns :) noch steigern, wenn wir Aus- schnitte solcher Seifenbla- sen in Form kleiner Seifenfilme unter dem Mikroskop untersuchen. Dabei erschließt sich uns eine komplexe Welt aus Farbenspiel und Dynamik. Gerade die Veränderlichkeit der Bilder kann nachhaltig fesseln.
Artikelinhalt
Untersuchungsrtechnik
Zunächst ist allerdings etwas Technik und Know-how gefragt. Seifenfilme sind sehr transparent und damit eigentlich „unsichtbar“. Nur ein kleiner Teil des auftreffenden Lichtes wird an den Grenzflächen Luft-Seifenfilm und Seifenfilm-Luft reflektiert. Um nur diesen Anteil des Lichtes zu sehen, muss eine frontale Beleuchtung aus der optischen Achse heraus erfolgen. Dazu dient meist die klassische Auflicht-Hellfeld-Beleuchtung über einen Strahlenteiler. Ersatzweise kann bei kleiner Vergrößerung und großem Arbeitsabstand auch ein um 45° gekipptes Deckglas verwendet werden, welches von der Seite mit einer LED-Lampe angestrahlt wird. Einen entsprechenden Halter kann man mit einem 3D-Drucker herstellen. Der Hintergrund muss möglichst dunkel gewählt werden, der Kondensor sollte herausgenommen oder wenigsten in die tiefste Position gestellt werden und mit einem mit schwarzen Samt beklebten Plättchen abgedeckt werden. Als Objektive eignen sich besonders 4er bis 16er, für Übersichtsaufnahmen bietet sich ein 2,5er Objektiv an. Da kein Deckglas verwendet wird, sollte zumindest das 16er ein Epi-Plan-Objektive sein. Als Objektträger eignet sich ein Aluminiumblech mit den Maßen eines Objektträgers und einer mittigen, kegelförmigen Bohrung von ca. 8-15 mm Durchmesser an. Die zu untersuchende Lösung wird dann neben dem Loch platziert und mit einer Rakel (z.B. aus einem Stück Moosgummi) über das Loch (Seite mit dem kleineren Durchmesser) ausgestrichen. Der Seifenfilm ist dann am dünneren Teil der Bohrung und sollte nach oben zeigen.
Auf den Film wirken mehrere Kräfte. Wichtig ist neben der Oberflächenspannung, die für Bildung des Filmes verantwortlich ist und das Material des Films langsam zum Rand hin zieht die Grenzflächenspannung innerhalb des Filmes zwischen separierten Phasen oder Bereichen unterschiedlicher Konzentration. Durch solche Konzentrationsunterschiede kommt es zur Marangoni-Konvektion, bei daraus resultierenden Strömungen spielen Reibungskräfte eine formgebende Rolle. Die Gravitation ist eigentlich nur bei einem um 90° gedrehten Mikroskop bemerkbar.
Abbildung 1

Bei einem auf die Seite gelegten Mikroskop nimmt die Gravitation sichtbaren Einfluss auf die Form des Seifenfilms.
Als äußere physikalische Parameter zeigen sich Zeit, Luftfeuchtigkeit (Verdunstung oder Aufnahme von Wasser), Luftströmungen (schon das Atmen beim Mikroskopieren verändert den Film), Temperatur und natürlich die Rezeptur. So ändert sich lokal und global die chemische Zusammensetzung des Filmes, es kann zu Entmischungen (Phasenseparationen) oder zum Auskristallisieren kommen. Die Grenzflächenspannung führt generell zur Bildung rundlicher Strukturen (je kleiner, desto ausgeprägter ist die Kreisform), die Marangoni-Konvektion scheint hauptsächlich für die Dynamik verantwortlich zu sein. Zuletzt ist noch die Ostwald-Reifung zu erwähnen, die zur Bildung größerer „Kreise“ führt: Kleine runde Strukturen vereinigen sich zu größeren.
Abbildung 2

Nach starker Durchwirbelung eines bunten Seifenfilms bilden sich runde Strukturen. Die kleinen Gebilde wachsen zu größeren und großen zusammen.
Farben und Schichtdicken
Allzu oft ist in dem Zusammenhang die Rede von den „Regenbogenfarben“. Tatsächlich zeigt ein Regenbogen hauptsächlich (zumindest im „Hauptbogen“) die Spektralfarben, also eine Sortierung der einzelnen Farbeindrücke gemäß ihrer Wellenlänge. Bei den Seifenfilmen entstehen die Farbeindrücke - bei Beleuchtung mit weißem Licht - durch Interferenz (sog. Interferenz an dünnen Schichten). Die sich daraus ergebende Farbpalette ist von der Polarisationsmikroskopie bekannt (Michel-Lévy-Diagramm). Auffällig ist das Fehlen von reinem Rot und das Auftreten von Purpurtönen sowie braunen und silbrigen Bereichen. Außerdem kommt es zur Bildung farblos-transparenter Bereiche, die dann schwarz erscheinen. Bei ihnen ist die Schichtdicke so gering, dass sichtbares Licht nicht mehr interferieren kann.
Abbildung 3a

Vergleich der Farben eines Regenbogens und eines Seifenfilms mittels „Color Inspector 3D“ in ImageJ. Der Regenbogen enthält keine Purpurtöne. Hier der Regenbogen.
Abbildung 3b

Vergleich der Farben eines Regenbogens und eines Seifenfilms mittels „Color Inspector 3D“ in ImageJ. Der Regenbogen enthält keine Purpurtöne. Hier der Seifenfilm.
Da es „das“ weiße Licht nicht gibt, ist die Lichtquelle für die Nuancen der Farbeindrücke verantwortlich. Für visuelle Beobachtungen ist kaltweißes LED-Licht gut geeignet, für spektroskopische Untersuchungen jedoch nur Halogenlicht. Gemäß den Interferenzbedingungen bei dünnen Schichten hängt der Gesamtfarbeindruck von der Schichtdicke und dem Brechungsindex der Schicht ab. Beides kann sich bei einem Seifenfilm ändern.
Abbildung 4

In monochromatischem Licht ergeben sich nur hell-dunkel-Streifen. Ihre Position ist je nach Wellenlänge unterschiedlich. Legt man alle „Farben“ übereinander, kommt es durch additive Farbmischung zu dem bekannten Farbeindruck bei weißem Licht.
Abbildung 5

In monochromatischem Licht erscheinen die Filme als Bereiche heller und dunkler Streifen – Schichtdicken lassen sich so nicht erkennen. In der Weißlichtinterferenz kann zumindest begrenzt vom Farbwert auf die Schichtducke geschlossen werden. Zum Vergleich daneben die Aufnahme im differentiellen Interferenzkontrast (AL).
Drei Dickenbereiche können unterschieden werden. Zunächst die dicken Schichten (> 2000 nm), wie sie meist zu Beginn vorhanden sind. Hier überlagern sich so viele Wellenlängen, dass der Gesamteindruck gräulich ist. Dann kommen die eigentlichen „dünnen Schichten“, die markant gefärbt sind (ca. 200-1500 nm, besonders 200-700 nm). Zuletzt kommen die schwarzen Schichten, die am dünnsten sind (ca. 5-15nm).
Abbildung 6

Ein 'junger' Seifenfilm, direkt nach dem aufziehen. Dort, wo er dünner wird, erscheinen seine Farben markanter.
Supramolekularer Aufbau der Schichten
Der molekulare Aufbau der Schichten ist eigentlich ein supramolekularer Aufbau. Es handelt sich um Tensid-Doppelschichten, deren innerer Bereich unterschiedlich viel Wasser (und ggf. andere hydrophile Substanzen wie Glycerin oder Zucker) enthalten kann. Zwischen 0 und etwa 5 Moleküllagen Wasser erscheinen die Filme schwarz.
Der molekulare Aufbau der Schichten ist eigentlich ein supramolekularer Aufbau. Es handelt sich um Tensid-Doppelschichten, deren innerer Bereich unterschiedlich viel Wasser (und ggf. andere hydrophile Substanzen wie Glycerin oder Zucker) enthalten kann. Zwischen 0 und etwa 5 Moleküllagen Wasser erscheinen die Filme schwarz.
Wird eine solche Schicht durch dynamische Prozesse gedehnt, wird sie dünner und die Flächenkonzentration an Tensidmolekülen verringert sich. Dadurch steigt die Oberflächenspannung und es fließt im Inneren Substanz (Wasser) in diesen Bereich (Marangoni-Konvektion). Somit stellt sich eine konstant Schichtdicke ein. Der beobachtete Seifenfilm ist offenbar ein Stapel mehrerer solcher Doppelschichten. Dadurch ergeben sich die oft zu beobachtenden „Treppenstufen“-artigen Bereiche. Im Mikroskop kann man beobachten, wie sich diese Zonen bewegen, übereinander gleiten oder vereinigen.
Abbildung 7

Treppenstufen in einem Fall, fließende Übergänge in einem anderen. Die kleinen runden Gebilde im rechten Bild sind kleine, dicke Tröpfchen. Die dicht beieinanderliegenden Farbringe bedeuten eine große Steigung an der betreffenden Stelle.
Abbildung 8

Links im Bild haben die Stufen noch keine konstante Dicke, rechts im Bild ist das Gleichgewicht bereits erreicht.
Abbildung 9

Aus den Farbbildern lassen sich im Bereich der dünnen farbigen Schichten aus den Farbzusammensetzungen (RGB-Werte) die Schichtdicken rekonstruieren. Daraus können Höhenprofilbilder berechnet werden (Eigenprogrammierung plus ImageJ). Die Dicke jeder einzelnen Schicht beträgt hier ca. 6-8 nm. Dieser Wert lässt sich aus der Anzahl der Stufen zwischen zwei markanten Farben abschätzen (unter Annahme eines bestimmen Brechungsindices).
Seifenfilme reifen. Sie werden dadurch, dass sich die Substanz am Rand anreichert und durch Verdunstung von Wasser stets dünner. Am Ende kann der Film eintrocknen (erstarren), komplett schwarz werden oder natürlich auch zerreißen. Erstarrt ein Film, so werden die glatten Kanten der Strukturen eckiger, kristalliner. Es können auch Bestandteile auskristallisieren (fest oder als Flüssigkristalle, letztere erkennt man an der Restdynamik).
Abbildung 10

Größere Aggregate erscheinen im Auflicht hügelig. Im Polarisations-Durchlicht leuchten sie auf. Es handelt sich hier um Flüssigkristalle.
Abbildung 11

Erstarrter Film. Die Ränder der Strukturen erscheinen nicht mehr rund. Zusätzlich sieht man hier kristalline 'Ausblühungen'.
Jede Schicht für sich kann unterschiedlich viel Wasser enthalten. Setzt man einen Film im Stufenstadium (wasserarme Rezeptur) Wasserdampf aus, so ändern sich die Farben, sie scheinen sich zu verschieben. In der Abbildung kann man sehen, dass gewisse Strukturen jedoch am gleichen Ort bleiben. Die Schichten wandern also nicht, sie quellen auf. Zusätzlich bilden sich an den Kanten der Stufen kleine Tröpfchen.
Abbildung 12

Vortrag Seifenfilme Bild 12
Zum Schluss noch ein paar Bilder