Laser-induzierte anti-Stokes-Lumineszenz
Dr. Horst Wörmann,
vom 27.05.2021,
Ein wohl bekanntes Sicherheitsmerkmal für Dokumente sind die fluoreszierenden Druckfarben; unter UV-Licht leicht erkennbar, aber nicht mit üblichen Druckern zu kopieren. Bei der neuen Euro-Banknotenserie beispielsweise leuchten die Sterne in der Flagge auf der Vorderseite, die kleinen Kreise, die großen Sterne sowie mehrere andere Stellen gelb. Zudem fluoreszieren die Melierfasern dreifarbig – rot, grün und blau. Auf der Rückseite leuchten ein Viertel eines gedachten Kreises und weitere Elemente grün, der Glanzstreifen rot-orange (siehe auch Artikel „
Mikroskopische Streifzüge auf Banknoten“ unter Bibliothek/Weitere Themen).
Nachteilig ist, daß die Zahl der verfügbaren, mit hoher Strahlungsausbeute fluoreszierenden Materialien begrenzt ist. Diese sind weit verbreitet, nicht nur auf Banknoten, und ihre Eigenschaften sind gut bekannt und beschrieben. Folglich können derartige Leuchtstoffe auch von Fälschern leicht beschafft und zum Nachdruck benutzt werden.
Eine Lösung des Problems sind „Upconversion“-Leuchtstoffe, die aufgrund der Zusammen-setzung und des Herstellungsprozesses ganz individuelle Emissionsspektren im Sichtbaren liefern. Diese Luminophore wurden erstmals 1974 für die Anwendung in Sicherheitsdokumenten patentiert.
Eine solche Anwendung soll am Beispiel einer 50-Rubel-Banknote aus dem Jahre 1997 hier vorgestellt werden.

Bild 1: Rubel-Banknote. Mit Upconversion-Pigmenten gedrucktes Detail hervorgehoben
Das Detail im hellen Rahmen (Bild 1) mit der Wertbezeichnung ist mit einer Farbe gedruckt, das geringe Mengen des Leuchtstoffs enthält.
Bei Bestrahlung dieser Fläche mit einem Infrarot-Laser bemerkt man mit bloßen Auge grünliche Lichterscheinungen. Sie sind sehr lichtschwach, man braucht deshalb einen starken Infrarot-Laser mit 980 nm Emission und 100 mW (hochwertige Laser-Schutzbrille unbedingt erforderlich!).
Nun kann man den Laser in die Auflichtbeleuchtung am Mikroskop einkoppeln und die Sache bei höherer Vergrößerung untersuchen.
Im mikroskopischen Bild sieht man die Upconversion-Partikel aufleuchten; aufgrund von Kornform und Korngrößenverteilung nehme ich an, dass sie durch Vermahlung hergestellt werden. Es sind keine Nanopartikel. Die Partikeldichte ist sehr gering, deshalb makroskopisch nur schwaches Aufleuchten. In den üblichen IR-Testkarten - die nach demselben Prinzip funktionieren - sind die Partikel dagegen sehr dicht verteilt, was beim o.a. 100-mW-Laser zu einem hell strahlenden Leuchtpunkt führt: Bild 3.

Bild 2: Im IR (980 nm) angeregte, selbstleuchtende Leuchtstoffpartikel im markierten Bereich der Banknote

Bild 3: Infrarot-Detektorkarte: intensiver grüner Fleck durch hohe Leuchtstoffdichte

Bild 4: Leuchtender Partikel in der Druckfarbe bei hoher Vergrößerung (Zeiss Epiplan NF 100x/0,90)
Dem Mikroskopiker ist geläufig, dass bei der Fluoreszenz das emittierte Licht grundsätzlich eine größere Wellenlänge als das Anregungslicht hat. Hier ist es umgekehrt: eine Umwand-lung von Infrarot in energiereicheres sichtbares Licht, eine anti-Stokes-Lumineszenz - deshalb „upconversion“ oder „Aufwärtskonversion“.
Mit der Mikrospektralphotometrie ist es nun möglich, selbst von so kleinen Partikeln wie in Bild 4 Spektren des emittierten Lichts zu erhalten.

Bild 5: Infrarot-Mikroskopie und Spektrometer. A: 980 nm/100 mW-Laserdiode am Auflichteingang; B Stromversorgung der Laserdiode (mit eigener Treibereinheit); C: Breitband-Spektrometer; D: hochauflösendes Spektrometer; E: Schieber mit IR-Sperrfilter für Beobachtung und Fotografie; F: Laser-Schutzbrille
Der Infrarotlaser A wird am Auflichteingang zentrierbar montiert; es handelt sich um einen China-Laser mit Treiberplatine und Kollimatorlinse, die so eingestellt wird, daß ein möglichst großes Gesichtsfeld ausgeleuchtet wird. Auflicht-Reflektorschieber und Objektive sind die für Auflicht-HD üblichen. Im Beobachtungsstrahlengang muß zwingend ein Infrarot-Sperrfilter eingebaut werden (E), als Augenschutz und für die Fotografie. Mangels passendem Filter wurde ein KG1 eingesetzt, was leider im UV abschneidet.
Die Spektrometer werden über Glasfaser angekoppelt, wie dies im Beitrag „Mikrospektral-photometrie“ auf unserer Webseite beschrieben ist. Das Breitband-Spektrometer C hat einen Meßbereich von 190 bis 1024 nm (Zeiss-MCS), das hochauflösende D ist ein ASEQ-HR1 mit thermoelektrischer Detektorkühlung, Auflösung nach Firmenangabe etwa 0,12 nm bei einem Meßbereich von 520 bis 670 nm. Beide Spektrometer sind nicht hinsichtlich der spektralen Empfindlichkeit korrigiert.

Bild 6: Übersichtsspektrum geringer Auflösung (2-3 nm) im Bereich 190 bis 930 nm, Partikel von Bild 4. Ohne IR-Sperrfilter
Man findet zwei wesentliche Emissionsgruppen im Grünen bei 550 nm und im Roten bei 650 nm, und sehr verwunderlich ist die starke Emission im UV bei 204 nm.
In der Hochauflösung zeigen sich äußerst scharfe Banden, insgesamt ein sehr komplexes Spektrum mit Fingerprint-Eigenschaften (Bild 7).

Bild 7: Hochaufgelöstes Spektrum der Emissionsgruppen 550 nm und 650 nm
Folglich liegt kein organischer Farbstoff vor, sondern ein Pigment mit Lanthanoiden, also „Seltenen Erden“, von denen bekannt ist, daß sie sehr scharfe Absorptions- und Emissions-banden liefern.
Die scharfen Absorptionsbanden des Erbium3+ in Lösung wechselwirken übrigens in bemerkenswerter Weise mit den Emissionsbanden einer Leuchtstoffröhre:

Bild 8: Erbiumperchloratlösung in Tageslicht (links) und im Leuchtstofflampenlicht (rechts).
Bei Tageslicht ist die Lösung fast farblos, bei Leuchtstofflampenlicht schön rosa.
Das Pigment ist wahrscheinlich ein Yttrium-Oxid oder Oxisulfid als Grundgittermaterial, dotiert mit Ytterbium und Erbium [1-4], [9]. Aus den Bandenlagen erkennt man, daß Erbium das emittierende Element ist. Beispielsweise entspricht die UV-Emission bei 204 nm einem Übergang vom angeregten Zustand 2H9/2 in den Grundzustand 4I15/2.
Nach Literaturangaben [5] konnten die Banden wie folgt zugeordnet werden:
Tabelle 1
![Zur Bezeichnung der Übergänge sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (Wikipedia „Energieniveau“ und [6]). Zur Bezeichnung der Übergänge sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (Wikipedia „Energieniveau“ und [6]).](../../_pics/12895/_550x106_0_7703081232492998_0_0x-3_ffffff/Bild_Tab.jpg)
Zur Bezeichnung der Übergänge sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (Wikipedia „Energieniveau“ und [6]).
Im Spektrum finden sich entsprechend mehrere Bandengruppen im UV (208 nm), im Kurz-welligen bei ca. 407 und zwei intensive Gruppen im Grünen von 526 bis 565 nm und im Roten bei 670 nm.
Die physikalische Ursache für den scheinbaren Energiegewinn ist die Absorption von zwei oder mehr Photonen. Sehr vereinfacht dargestellt aktiviert ein Photon ein Ytterbium-Ion (Yb3+) und bringt dieses auf einen höheren Energiezustand (Donor). Ytterbium hat ein relativ simples Energieniveau-Diagramm und ist als Donor bestens geeignet, weil es bei 980 nm gut angeregt werden kann und zu den Energieniveaus von z.B. Erbium, Terbium und Holmium paßt. Das Donor-Ion überträgt die Energie anschließend auf ein benachbartes Akzeptor-Ion (Erbium3+ ) und hebt dieses in einen relativ stabilen Metazustand. Wenn nun in der Zeit, in der sich das Erbium-Ion im Metazustand befindet, das Yb-Ion nochmals aktiviert wird, kann es seine Energie abermals auf das Erbium-Ion übertragen. Das hat somit eine höhere Energie als jedes einzelne der anregenden Photonen geliefert hat. Das angeregte Erbium-Ion relaxiert anschließend in ein etwas tieferes Niveau, von wo aus es beim anschließenden Übergang in den Grundzustand ein Photon entsprechend höherer Energie und damit kürzerer Wellenlänge emittiert. Die überschüssige Energie nimmt das umgebende Kristallgitter durch einen strahlungslosen Übergang auf (punktierte Linie im Anregunsschema). Das Kristallgitter spielt also eine wesentliche Rolle bei Intensität und Lage der einzelnen Emissionslinien. Deshalb findet man keine isolierte Emissionslinie, sondern immer Gruppen: das Wirtsgitter erzeugt eine Kristallfeldaufspaltung der Energieniveaus.

Bild 9: Anregungsschema: erstes Photon (blau) regt ein Elektron im Yb-Ion an, das die Energie auf das Erbium-Ion weitergibt (blauer Pfeil) und damit in einen ersten angeregten Zustand bringt. Das Ytterbium-Ion ist danach wieder im Grundzustand. Das zweite Photon (rot) wiederholt den Prozeß, sodaß das Erbium-Ion nunmehr auf einem doppelt so hohem Energieniveau liegt.
Die „Upconversion“ darf man nicht mit der Zwei-Photonen-Absorption verwechselt werden, die ja auch in der Mikroskopie eingesetzt wird. Der Effekt ist zwar der gleiche: Absorption zweier energiearmer Photonen und Emission energiereicher kürzerwelliger Strahlung. Dabei müssen die Photonen aber gleichzeitig absorbiert werden, im Gegensatz zur Upconversion, bei der ein Ion im Metazustand ist, in dem es Mikro- bis Millisekunden verbleiben und auf das zweite Photon „warten“ kann.
Für den Hochsicherheitsdruck steht damit ein Pigment zur Verfügung, dessen spektros-kopische Eigenschaften von den Gehalten der Dotierungsmittel sowie von den Herstellungs-bedingungen des kristallinen Pigments abhängen. Das verwendete Material ist schwierig herzustellen, teuer und hat nur wenige Anwendungsmöglichkeiten; es ist deshalb extrem schwierig für Fälschungszwecke zu beschaffen.
Die damit gedruckten Sicherheitselemente sind vollständig unsichtbar und lassen sich nur mit hohem Aufwand entschlüsseln, erfüllen also ein Merkmal des höchsten der von der EZB aufgestellten Ansprüche:
Level 3: Detaillierte Kenntnisse der Sicherheitsmerkmale erforderlich. Sie sind nur mit spezieller Laborausstattung oder Sensoren wie einem Mikroskop, einem Spektrometer oder einem Röntgengerät zu erkennen und zu prüfen.
Es ist bekannt, daß hochwertige Banknotenprüfgeräte die grünen und roten Banden über Filter hinsichtlich Intensitätsverhältnis prüfen. Die spektroskopische Auswertung bleibt den Zentral-banken vorbehalten. Diese prüfen dann auch die An- und Abklingzeiten der Lumineszenz, die wie oben erwähnt relativ lang ist [4], [7].
Auf den Euro-Banknoten wird dieses Sicherheitselement nicht eingesetzt, aus Gründen, die wir nicht erfahren werden. Ich vermute, daß die Euros statt der Upconversionspigmente ein vergleichbares Sicherheitselement enthalten, das legendäre „M-Feature“ (M= maschinen-lesbar), ein älteres Patent der Firma Giesecke + Devrient. Das ist immer noch top secret, funktioniert aber wahrscheinlich über die Blitz-Anregung von Leuchtstoffen und an-schließende Fluoreszenz-Lebensdauermessung.
Man fragt sich nun, warum ein unsichtbares, teures Sicherheitselement eingesetzt wird, das vom Laien niemals erkannt werden kann und dessen Informationen nur mit hohem technischen Aufwand und Sachkenntnis entschlüsselt werden können. Die Antwort liegt auf der Hand: Level 3 ist unzugänglich und dient dazu, Fälschungen im großen Stil durch andere Staaten zu erkennen und zu bekämpfen. Damit würde das Finanzsystem des angegriffenen Staates ruiniert. Die Notenbank des attackierten Staates erkennt aber die gefälschten Banknoten und kann sie aus dem Verkehr ziehen. Schon im 2. Weltkrieg wurden Pfundnoten im großen Stil gefälscht, um das englische Währungssystem zu unterminieren. Bekannt ist auch der „Superdollar“, perfekt gefälscht - niemand weiß von wem [10], [Wikipedia Stichwort „Superdollar“].
Zum Schluß sei noch auf die enorme Bedeutung von „Upconversing Nanoparticles“ in der Biologie hingewiesen (engl. Wikipedia-Artikel!), leider für den Hobby-Mikroskopiker uner-schwinglich (rund 290 €/ml), auf den aktuell erforschten Einsatz für die Photovoltaik, um auch den IR-Strahlungsanteil zu verwerten, und in der Forensik [8].
Literatur und Quellen
- Patentschrift DE 101 13 267 A1(2002): Anti-Stokes-Leuchtstoffe für die Anwendung in Sicherheitsdokumenten (Bundesdruckerei GmbH/Leuchtstoffwerk Breitungen GmbH)
- Patentschrift WO 2007/003531 A1 (2007): Holmium-doped anti-Stokes luminescent materials and security features with these luminescent materials (Bundesdruckerei GmbH, Leuchtstoffwerk Breitungen GmbH)
- Patentschrift AT 505 007 A4 2008-10-15: Verwendung eines Leuchtstoffs als Sicherheitsmerkmal, Sicherheits-Druckfarbe, Verfahren und Vorrichtung zum Überprüfen eines Dokuments sowie Dokument und Sicherheitsmerkmal (Österreichische Staatsdruckerei GmbH)
- Findeisen, Anna Maria; Aigner, Stephan: Seltene Erden und deren Anwendung im Hochsicherheitsdruck. Sicherheitspigmente aus Seltenen Erden und die Anti-Stokes-Lumineszenz bei Seltenen Erden im Hochsicherheitsdruck der OeSD. SIAK-Journal - Zeitschrift für Polizeiwissenschaft und polizeiliche Praxis (3), 70-79 (2012). doi: 10.7396/2012_3_G
- Sastri, V.S. & Bünzli, Jean-Claude & Rao, V. & Rayudu, G.V.S. & Perumareddi, J.R.. (2003). Spectroscopy of Lanthanide Complexes. 10.1016/B978-044451010-5/50022-5.
(S. 631, Abb. 8.28)
- Aufwärtskonversionsmechanismen im System LiYF4:Er:Yb. Dissertation Benno Spinger, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Düsseldorf 2001
- Podbielska, Halina; Strek, Wieslaw: Laser induced anti-Stokes luminescence for protection of documents and security papers. Date Published: 1 April 1998. PDF: 6 pages
Proc. SPIE 3314, Optical Security and Counterfeit Deterrence Techniques II, (1 April 1998); doi: 10.1117/12.304706
- Gee, William J.; Recent Trends Concerning Upconversion Nanoparticles and Near-IR Emissive Lanthanide Materials in the Context of Forensic Applications. Aust.J. Chem. 2019, 72, 164-173
- Wei Ren, Gungun Lin, Christian Clarke, Jiajia Zhou, and Dayong Jin:
Optical Nanomaterials and Enabling Technologies for High-Security-Level Anticounterfeiting. Adv. Mater. 2020, 32, 1901430. DOI: 10.1002/adma.201901430
- Klaus W. Bender: „Moneymakers: The Secret World of Banknote Printing“. Whiley-VCH 2006
Deutscher Titel: Klaus W. Bender: “ Geldmacher. Das geheimste Gewerbe der Welt.“
1. Auflage 2008 Wiley-VCH
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