MEMS und Chips: lohnende mikroskopische Objekte
Dr. Horst Wörmann vom 23.04.2020
Chips, also integrierte Schaltungen im weitesten Sinne sind ein durchaus spannendes und ästhetisches Feld der Auflicht-Mikroskopie. Und auch hier gibt es immer etwas zu entdecken, wie der folgende Artikel von Dr. Horst Wörmann zeigt.
Artikelinhalt
Bezugsquellen für Chips
Internet-Plattformen: dort werden gelegentlich ganze Wafer zu vernünftigen Preisen angeboten.
Im Arithmeum Bonn liegen oft Chips zum Mitnehmen aus, allerdings sind das oft Chips aus neuester Produktion; zur Eignung siehe Abschnitt 4.3.
Computerschrott aufarbeiten und die integrierten Schaltungen (ICs) ausbauen. Insbesondere ältere CD- und DVD-Laufwerke enthalten spezielle Fotodetektor-ICs, die gut geeignet sind (siehe Kap. 5).
Die Firma B+W Optik Langner-Voss bietet ein „Testpräparat“ mit einem zentralen Testfeld, dessen Strukturen von der Firma ausgemessen wurden.
Kollegen des MKB können auch weiterhelfen!
Präparation
Im Idealfall hat man den Wafer selbst oder ein IC mit Fenster, wie sie an UV-löschbaren EPROMs waren, ansonsten muss der Chip freipräpariert werden.
Methoden:
In Kunststoff gekapselte ICs (ein oder zwei Stück) in einem kleinen Erlenmeyerkolben 2 cm hoch mit 96% Schwefelsäure 10 Minuten kochen.
Abkühlen lassen, in eine große Menge Wasser geben (Eimer) und durch ein Sieb filtrieren. Präparation dann unter dem Stereomikroskop (1).
Achtung: zwingend unter einem professionellen, geschlossenen Abzug auf einer regelbaren Heizplatte - Gefahr bei Siedeverzug und durch Glasbruch. Hier ist es sinnvoll, zunächst mechanisch so viel wie möglich vom Chipgehäuse zu entfernen, um Kochzeit und Materialeinsatz so gering wie möglich zu halten. Diese Arbeitsschritte dürfen auf gar keinen Fall in einem "Küchenlabor" durchgeführt werden. Der Autor ist Vollchemiker und hat die notwendigen Arbeiten in einem Universitätslabor durchgeführt.
Es gibt auch ICs mit einem aufgeklebten Deckel, den man nach Einspannen im Schraubstock mit einem scharfen Meißel absprengen kann.
Diese und weitere Methoden sind beschrieben in (2), ein etwas älteres Buch, in dem die neuesten Techniken mit z.b. FIB (Focussed Ion Beam) noch nicht enthalten sind - was aber für den Hobbymikroskopiker sowieso nicht zugänglich ist.
Beobachtungstechnik
Weil es sich um Oberflächenstrukturen handelt, ist Auflichtbeleuchtung zwingend erforder-lich. Polarisation ist nicht nötig, die Strukturen sind optisch isotrop. DIK ist schön und wünschenswert, aber nicht zwingend. Für höhere Vergrößerungen ist die Apertur der Trocken-Auflichtobjektive und damit die Auflösung üblicherweise zu gering. Man versuche ein Durchlicht-Immersionsobjektiv einzubauen, auf den Chip einen Tropfen Immersionsöl zu geben und ein Deckglas auflegen; dann Beobachtung mit der Ölimmersion. Das Deckglas ist wegen der optischen Korrektur erforderlich (Immersionsobjektive sind mit Deckglas gerechnet).
Ausgewählte Beispiele
4.1 Querschliffe durch Leiterplatten und Chips
Gerd Günther, ein Meister der Chip-Präparation, hat mir einen Anschliff zur Verfügung gestellt, von dem ich mit seiner Erlaubnis hier zwei Bilder zeigen möchte.
Abbildung 1: Querschliff durch eine Leiterplatte mit Kondensator (Quelle: Gerd Günther). (Zeiss Epiplan Neofluar 5x/DIK, HF Auflicht)
Hier bei geringer Vergrößerung ein Querschnitt durch einen SMD-Kondensator, gut erkennbar die einzelnen Kondensator-„Platten“. Die rötlichen Bänder sind die Leiterbahnen der mehrlagigen Platine, im Basismaterial erkannt man die Glasfaserverstärkung im Längs-(oberes Drittel) und Querschnitt (Mitte).
Interessant wird es beim Anschliff des Chips selbst: man sieht nur ein paar Kupferleitungen, die Transistoren sind zu klein, um noch aufgelöst zu werden, und das mit einem 100er Objektiv, Optovar 2x und DIK (also förderliche Vergrößerung ein wenig überschritten).
Unten (hell) das Siliciumsubstrat, die rechteckigen Leiterbahnen haben eine Breite von ca. 1 µm und eine Dicke von 0,6 µm.
Abbildung 2: Querschliff durch einen Chip (Präparation: Gerd Günther). Plan-Neofluar 100x/1,30 Öl, Optovar 2,00, DIK, Auflicht Hellfeld Öl)
4.2 Alte Chips
Chips aus den Anfängen der Chip-Technologie - also ab etwa 1965 - sind besonders dankbare Objekte: die Schaltungen sind wenig komplex, die internen Schaltpläne waren damals in den Datenblättern enthalten, und die einzelnen Elemente sind vergleichsweise riesengroß.
4.2.1 Schaltung und Chipdesign eines bipolaren Operationsverstärkers
Durch Freilegen des Chips, Verfolgen der Signalleitungen, anschließende Freilegung weiterer Schichten durch Ätzen ist es möglich, die Chip-Struktur zu analysieren und den zugrunde liegenden Schaltplan zu ermitteln. Hierzu gibt es einige Beispiele auf YouTube (Ken Shirriff ist einer der Experten, (2); es gibt aber auch Firmen, die „Chip Reverse Engineering“ kommerziell betreiben, speziell - wen wundert es - in China. Zahlreiche weitere Informationen sind im Internet zu finden, z.B. (4); man suche nach „chip reverse engineering“.
Ich habe mich mal an einem der allerersten Operationsverstärker (OpAmp) versucht, dem 709 von 1965, mit 14 Transistoren und 15 Widerständen, also gut überschaubar. Die einzelnen Komponenten sind dem Schaltplan gut zuzuordnen.
Abbildung 3 zeigt den freigelegten Chip nach Aufsägen des runden Metallgehäuses, Abbildung 4 den zugehörige Schaltplan.
Abbildung 3: OpAmp 709, Übersicht; Chipgröße 966 x 960 µm. Auflicht Hellfeld
Abbildung 4: OpAmp 709, Schaltplan (Quelle: Datenblatt des 709)
Abbildung 5: OpAmp 709; Zuordnung der Einzelkomponenten zum Schaltplan. Nicht alle Widerstände sind eingezeichnet. Etwas überkontrastiert, damit man die rechteckigen Einzelelemente besser erkennt. Auflicht DIK
Die Widerstände identifiziert man sofort anhand der schmalen, streifenförmigen Mäander, z.B. R1 und R2 mit je 25 kOhm.
Deutlich komplexer sind die Transistoren, hier mal vergrößert und um 90° gedreht die beiden npn-Eingangstransistoren Q1 und Q2 aus der Ecke unten links (Abb. 6). Auf der linken Seite schematisch der innere Aufbau des npn-Transistors aus verschieden dotierten Zonen.
Abbildung 6: Op Amp 709, Eingangstransistoren Q1 und Q2; Auflicht Hellfeld. Links vereinfachter Querschnitt, nicht maßstäblich.
Diese Struktur ist nicht eben, wie das folgende Stereobild zeigt. Die hellen Aluminium-Leiterbahnen scheinen über dem Substrat zu schweben. Sie liegen in Wirklichkeit auf der in Bild 4 in schwarz angedeuteten transparenten SiO2-Isolierschicht. Gut erkennbar die Vertiefungen zur Kontaktierung der Halbleiterzonen. Alles recht einfach zu deuten (und hoffentlich richtig…).
Abbildung 7: Stereobild rot/cyan; Stack 10 Bilder, Stackhöhe 5,18 µm, Ebenenabstand ca. 0,52 µm, picolay
Die gut sichtbaren Kanten zwischen den Elementen werden durch unterschiedliche Dicken der p-, n-dotierten Layer erzeugt; sie sind nicht auf Brechungsindexunterschiede durch die Dotierungen zurückzuführen. Die Dotierungskonzentrationen in typischen n- und p-Bereichen sind zu klein, um deutlichen Einfluss auf den Brechungsindex zu haben. Was man auf solchen typischen IC Bildern sieht, ist ein Effekt der unterschiedlichen Schichtdicken des Siliziumoxids. Daß die Schichtdickenunterschiede mit den Strukturen (Implantationen, Isolationen) der Transistoren zusammenfallen liegt daran, dass die Si02-Schicht während der Fertigung des IC mehrfach photolithographisch strukturiert und geätzt wird, um als Maske für den darauf folgenden Implantationsschritt zu dienen. Da nicht nur Si02 sondern auch für bestimmte Strukturen das Silizium selbst geätzt wird, hat man es dann am Ende mit einer Kombination aus Unebenheiten der Oberfläche und entsprechenden Unebenheiten im Übergang zwischen Si und Si02 zu tun (2).
4.2.2 Weitere elektronische Komponenten
Kondensatoren
Der 709 hatte reichlich Nachteile, die Frequenzkompensation mußte extern verdrahtet werden; manchmal funktionierte das sogar. Der verbesserte Nachfolger von 1968, der den Älteren unter uns wohlbekannte 741 enthält denn auch schon einen internen Kondensator zur Kompensation, erkennbare als große metallisierte Fläche:
Abbildung 8: OpAmp 741 - Kondensator (Bildbreite 1103 µm). Die Kapazität beträgt immerhin 30 pF bei nur 0,163 mm² Fläche.
Abbildung 9: NPX 161 Kondensator, „common centroid structure“ (nach (6))
Widerstände
Diese sind erkennbar an den mäanderförmigen Strukturen, der Widerstand wird über Länge und Querschnitt eingestellt: Bild 5, R1 und R2, etwas modener in Bild 10. Der Nachteil sowohl der Widerstände als auch der Kondensatoren ist der große Flächenverbrauch, diesen versucht man also möglichst zu vermeiden.
Die bläulichen Rechtecke in Bild 11 sind ebenfalls Widerstände: 50 kOhm-Pinch-Widerstände. Die Verbindung zwischen den Alubahnen besteht aus einer p-Siliciumschicht, die Rechtecke sind aus n+-Silicium, sie engen den Stromfluß gewissermaßen ein - weniger Fläche, höherer Widerstand.
Außerdem gibt es noch schaltungstechnische Kniffe wie Stromspiegel, die das passive Baulement Widerstand durch aktive, viel kleinere Elemente, nämlich Transistoren, ersetzen.
Abbildung 10: Widerstand (NPX161)
Abbildung 11: OpAmp 741 Pinch-Widerstände
Induktivitäten
Diese sind nicht realisierbar, sie werden mit Transistorschaltungen nachgebildet.
Passermarken
Diese dienen zur Maskenjustierung. Hier auf einem alten NE555 aus DDR-Produktion mit etwas verrutschten Masken:
Abbildung 12: NE555; Justiermarken (Passermarken). Bildbreite 198 µm.
4.3 Neue Chips
Neuere Chips haben extrem kleine Strukturen. Das folgende Bild zeigt ein Bruchstück des Mikroprozessors Intel Core 2 Duo E8400 / 3 GHz/ Jan. 2008 (Die Size 107 mm²). Man sieht einige Verdrahtungsebenen - etwa sieben sind im Originalbild noch erkennbar. Mehr ist nicht drin, die Transistor-Strukturen liegen in der Größenordnung 65 nm, also weit unterhalb der Auflösungsgrenze des Lichtmikroskops.
Was man sieht, sind die metallischen Leiterbahnen, die die einzelnen Funktionseinheiten verbinden. Die Transistorebene ist die unterste, diese sind mit unseren Mitteln nicht mehr erkennbar.
Abbildung 13: Bruchstück eines modernen Prozessor-Chips bei maximaler Vergrößerung: Plan-Neofluar 100x1,30 Öl und Optovar 1,25x, Auflicht Hellfeld ohne Pol, kein DIK
Warum sind Chips bunt?
Die Farbigkeit entsteht nicht etwa durch Anisotropie der Halbleiterschichten im polarisierten Licht; alle hier gezeigten Bilder sind ohne Polarisation entstanden. Die Farben entstehen vielmehr durch zwei unterschiedliche Effekte, nämlich Beugung und/oder Interferenz.
5.1 Beugung
Speziell bei Speicherchips und bei neuen Chips wie in Abb. 13 mit vielen gitterähnlichen Strukturen entsteht die Farbigkeit durch Beugung. Das erfordert jedoch anders als die nachstehend beschriebene Dünnschichtinterferenzen stark gebündeltes Licht und ist durch die hohe Winkelabhängigkeit unterscheidbar, wie z.B. auf den Hologrammstreifen der Banknoten leicht nachvollziehbar.
Eindrucksvolle Bilder dieser bunten Chips sind in der aktuellen Ausstellung im Bonner Arithmeum zu sehen: "Mathematik und Ästhetik des Chip-Designs". Das nachstehende Bild 14 kann nur einen schwachen Eindruck vom plakatgroßen Original wiedergeben. Die Bilder sind von einem Fotofachmann, Patrick Rocca, der die fotografische Technik hierzu im Ausstellungskatalog ausführlich beschrieben hat.
Zur Zeit ist die Ausstellung geschlossen; als Ersatz gibt es im Internet (7) eine Reihe von Kurzfilmen zum Design, also zum „Placement“ der Komponenten, zum „Routing“, der Planung der Verbindungsleitungen, und zum "Timing" , der optimalen Taktung des Chips. Angesichts der Milliarden Transistoren sind das Aufgaben, die nur noch von Rechenprogrammen bewältigt werden können, wie sie im Bonner Institut für Diskrete Mathematik entwickelt werden.
Abbildung 14: Chip neuester Produktion. Foto: ©Patrick Rocca, Arithmeum, Rheinische-Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
5.2 Interferenz
Auch bei normaler, unpolarisierter Hellfeldbeleuchtung erscheinen die Chips immer in bunten Pastellfarben wie in der Galerie
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Wafer im Auflicht gezeigt; oder auch beim folgenden Sensor, bei dem sofort die dunkelblauen Quadrate auffallen:
Abbildung 15. Photodetektor aus DVD-Brenner.
Dieser Chip aus einem DVD-Brenner dient zur Spurlagen- und Fokuskorrektur sowie der Signalgewinnung. Er ist als Teil des optischen Systems mit einem perfekt planen Fenster abgedeckt, das einen unverzerrten Blick auf die Innereien erlaubt (anders als bei den Speicher-ICs, deren Abdeckung das Lösch-UV nur irgendwie durchlassen muss).
Die drei Photodioden sind dunkler als die Umgebung und intensiv blau. Das Spektrum des von den Dioden reflektierten Lichts sieht so aus:
Abbildung 16: Reflexionsspektrum der Photodioden von 400 bis 1020 nm
Unter 400 nm ist das Spektrum nicht auswertbar, weil die Halogenlampe der Auflichtbeleuchtung kein kurzwelliges Licht liefert. Zum Kurzwelligen - blauen - steigt die Reflexion stark an, deshalb die Blaufärbung der Dioden. Das Minimum der Kurve liegt zwischen 660 und 820 nm, hier wird besonders wenig Licht reflektiert, die Diodenflächen absorbieren stark und erscheinen dunkler als der Rest. Das ist so beabsichtigt, weil die Laser bei 645-660 nm (DVD) bzw. 770-790 nm (CD) emittieren und die Dioden in diesem Bereich hohe Empfindlichkeit haben müssen.
Erreicht wird das durch Aufbringen einer Antireflexschicht. Silicium hat einen hohen Brechungsindex von 3,882, nach den Fresnelschen Gleichungen wäre die Reflexion an einer unbeschichteten Oberfläche hoch und die Effizienz der Diode ohne die Antireflexschicht schlecht.
Am unteren linken Rand des Chips wird es bunt, allerlei Pastelltöne. An einem der von Gerd Günther vorgestellten MEMS-Mikrofone (Infineon IM69D12) habe ich diese Farben spektroskopisch vermessen. Das zugehörige Spektrum (Bild 18, grüne Kurve) zeigt die Reflexion in Abhängigkeit von der Wellenlänge - also das Verhältnis des reflektierten zum eingestrahlten Licht, 100% bedeutet vollständige Reflexion.
Abbildung 17. Ecke eines MEMS-Mikrofons, der rote Fleck ist die Abbildung der Meßblende des Spektrometers auf der Chipoberfläche (Durchmesser 48 µm).
Abbildung 18: Reflexionsspektrum zu Abb. 17, siehe Text.
Das ist ein recht komplexes Interferenz-Spektrum. Im Zusammenwirken von Beleuchtungscharakteristik, Interferenzmuster und Augenempfindlichkeit entsteht der farbige Eindruck, der je nach Schichtaufbau des Chips variiert.
Die blaue Kurve ist zum Vergleich das Spektrum eines Libellenflügels bei gleichen optischen Aufnahmebedingungen: geringere Amplitude, die Farben sind schwächer und nur vor dunklem Untergrund erkennbar.
Die wellenlängenabhängigen Oszillationen der Reflexintensität sind keine (!) Sinuskurven, das sieht nur so aus. Offensichtlich sind zwei „Schwingungen“ überlagert: eine mit kurzer und eine mit langer Periode, verursacht durch einen an dieser Stelle zweischichtigen Aufbau mit unterschiedlichen Dicken bzw. Brechungsindizes. Sie entstehen durch Reflexion an den Grenzflächen und Interferenz der reflektierten Wellen.
Man lernt zwar in der Schule die Deutungen der Interferenz an Seifenblasen, ist auch eine schöne Anwendung der Winkelfunktionen, aber leider nur die halbe Wahrheit. Damit kann man allenfalls die Maxima erklären. Hier hören auch die meisten Physik-Lehrbücher auf. Die vollständige Formel und deren Ableitung möge mir der Leser an dieser Stelle ersparen. Jedenfalls lassen sich damit Dickenbestimmungen durchführen, je nach Problemstellung nach mehreren Rechenmethoden; für Spektrum Abb. 18 ist die Fouriertransformation gut anwendbar, die folgendes Diagramm liefert:
Abbildung 19: FFT des Spektrums aus Bild 18. Abszisse: optische Dicke n*d
Für zwei Schichten ergeben sich die erwarteten drei Peaks; das Ergebnis ist leider nur die optische Dicke n*d, für die Schichtdicke d muss man den Brechungsindex n kennen.
Bei der gelochten Gegenmembran oben links im Bild 17 sind die Verhältnisse einfacher, weil nach Literaturangabe aus Polysilicium mit N = 3,882 bestehend und 3 µm dick; nach der vorstehenden Methode wurde rund 2,5 µm berechnet, was m. E. recht gut passt.
Glassivierung
Zur Präparation wurde gesagt, dass einige Chips in Schwefelsäure gekocht werden müssen (Abzug!), um an das Die zu gelangen. Warum werden in heißer, oxidierender Schwefelsäure die Aluminium-Leiterbahnen nicht aufgelöst, die ja als oberste Lage auf dem Chip liegen und als silbergraue Bahnen im Mikroskop erscheinen? Die Lösung bringt die Mikrospektralphotometrie.
Bild 20 zeigt einen Ausschnitt aus einem älteren IC 82C55. Mit Vcc und Gnd sind die Stromversorgungsleitungen gekennzeichnet, der auf Vcc markierte rote Kreis ist die Abbildung der Messblende des Spektrometers, hier mit einem Durchmesser von 43 µm.
Abbildung 20: IC 82C55 im Auflicht. Gnd und Vcc sind die Stromversorgungsleitungen aus Aluminium. Roter Kreis: Einspiegelung der Meßblende des Spektrometers.
Das folgende Bild 21 zeigt das zugehörige Spektrum (rote Kurve): ein typisches Spektrum der Interferenz dünner Schichten. Auf dem Aluminium ist also eine dünne Schicht aufgebracht, als Schutz gegen mechanische Beschädigung und Korrosion, die auch den oxidativen Gehäuse-Abbau übersteht. Diese Passivierungsschicht ist mikroskopisch nicht sichtbar! Sie ist nur indirekt mittels Spektroskopie nachzuweisen.
Zu diesem IC gibt es glücklicherweise ein Datenblatt mit Angaben zu „Metallization: Silicon-Aluminium 11 kÅ“ und „Glassivation Type SiO2 8 kÅ“. Damit ist das Material und der Brechungsindex gegeben, man kann die Schichtdicke also aus den spektroskopischen Daten nachrechnen. Die Rechnung ergab aber 1,08 bis 1,10 µm, also höher als die angegebenen 800 nm. Beim Vergleich mit rechnerisch simulierten Kurven (siehe Bild 21) passt die für 1000 nm berechnete Kurve am besten zu den Messergebnissen.
Abbildung 21: Gemessenes Spektrum im Meßfleck Abb. 20 (rote Kurve). Gerechnete Vergleichsspektren für Siliciumdioxid auf Aluminium, Dicken 800 nm (gepunktet), 1000 nm (durchgezogen blau) und 1100 nm (gestrichelt grün).
Zu beachten ist bei solchen Rechnungen, dass Interferenzmessungen nur das Produkt n * d ergeben, also die optische Dicke. Im vorliegenden Fall ist n aus dem Datenblatt bekannt, in den allermeisten Fällen aber nicht. Es ist deshalb nicht möglich, Höhenlagen bzw. Schichtdicken im Chip mikroskopisch zu bestimmen, wenn keine Materialangaben vorliegen.
Bildquellen
- Abbildung 14: Chip neuester Produktion.
Aufnahme: ©Patrick Rocca, Arithmeum, Rheinische-Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Mit freundlicher Genehmigung des Arithmeums Bonn
- Alle anderen Aufnahmen vom Autor des Textes
Literatur
1. Carsten Wieczorrek, Forumsbeitrag 01.04.2020.
(Zurückgezogen wegen der Arbeiten mit konzentrierter Schwefelsäure,
daher hier kein Link.)
2. Beck, Friedrich. Präparationstechniken für die Fehleranalyse an integrierten Halbleiterschaltungen. s.l. : Wiley-VCH; Auflage: 1988; 134 Seiten.
3. https://www.youtube.com/watch?v=TKi1xX7KKOI. Ken Shirriff, Hackaday Supercon - : Studying Silicon: Reverse Engineering Integrated Circuits. abgerufen 15.04.2020 : s.n.
4. Thomas, O und Nedospasov, D.: On the Impact of Automating the
IC Analysis Process.
https://www.blackhat.com/docs/us-15/materials/us-15-Thomas-Advanced-IC-Reverse-Engineering-Techniques-In-Depth-Analysis-Of-A-Modern-Smart-Card-wp.pdf.
[Online] 2018. [Zitat vom: 21. 04 2020.]
5. Dr. Hans Krüger, SiLAB, Physikalisches Institut der Univ. Bonn. Pers. Mitt. 12.03.2020.
6. Maloberti, Franco. Layout of Analog CMOS Integrated Circiuts, Part 3 Passive Components: Resistors, Capacitors.
http://ims.unipv.it/Courses/download/AIC/Layout03.pdf. [Online] [Zitat vom: 23. 04 2020.]
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