Das Keyence VHX 500 Digitalmikroskop
Prof. Jan-Peter Frahm, vom 25.02.2012
Unter einem Digitalmikroskop versteht man im Alltag eines dieser stiftförmigen Geräte, die am Vorderende eine einfache Optik mit umgebenden LED Lämpchen haben, deren Bild mit einem CCD-Sensor aufgenom- men und über ein USB Kabel an einen Computer gegeben wird. Solche Geräte haben technisch und qualitativ wenig mit einem klassischen Mikroskop gemein. Es gibt aber auch professionelle Digitalmikroskope verschiedener Hersteller, die das gleiche Grundprinzip mit hochwertigen Komponenten um- setzen. Ein solches Gerät von der japanischen Firma Keyence möchte ich hier vorstellen.
Das Keyence VHX 500 System besteht aus einer Kamera mit einer Auflösung von 1600*1200 Pixeln, austauschbaren Objektiven (es gibt sogar ein
DIK System), einem Stativ mit Objekttisch sowie einem 17"-Monitor mit integriertem Rechner und den Bedienelementen (Maus, Tastatur und ein spezielles Panel zur Steuerung der Helligkeit, des Kontrastes, der Beleuchtungsart und der Aufnahme). Auf dem verbauten Rechner startet nur die Keyence-Software, die Installation eigener Programme ist nicht möglich. Als Schnittstellen stehen ein Netzwerkanschluss und ein USB-Port zur Verfügung, die eingebaute 80GB Festplatte bietet ausreichend Platz für ca. 400.000 komprimierte Bilder. Auch ein CD-ROM Laufwerk ist vorhanden. Als Lichtquelle dient eine 100W Halogenlampe (3500k) mit Lichtleiteranschlüssen.
Damit lässt das VHX 500 wie seine größeren Brüder mit Auflicht und Durchlicht betreiben. Für das Durchlicht wird ein Lichtleiter verwendet, der unter dem Objekttisch endet; einen Kondensor gibt es nicht. Für das Auflicht ist im Objektiv eine Ringleuchte eingebaut, die ebenfalls über Lichtleiter versorgt wird. Mit zusätzlichen Aufsätze ist auch eine schiefe Beleuchtung möglich.
Damit ersetzt ein Keyence ein normales Mikroskop, ein Stereomikroskop und aufgrund der hohen Schärfentiefe gestackter Aufnahmen sogar ein Rasterelektronenmikroskop im unteren Vergrößerungsbereich - jedoch in Farbe und ohne die aufwändige vorherige Präparation der Proben.

Das Keyence VHX 500 Digitalmikroskop mit Bildschirm und Steuerelementen.
Die eigentliche Besonderheit des Gerätes ist aber das Echtzeitstacking. Dazu startet man einen Menüpunkt und dreht mit dem Feintrieb den erwünschten Schärfebereich auf dem Bildschirm durch. Währenddessen macht das Gerät Aufnahmen in von der Vergrößerung abhängigen Höhenintervallen und verrechnet diese zu einem einzigen Bild. Normales Stacking mit der Aufnahme von Bildstapeln und anschließender Verrechnung ist auch möglich.
Während bei mikroskopischen Schnitten das Stacking nicht so wichtig ist, ist dies bei ganzen biologischen Objekten schon vorteilhafter und speziell im Auflicht unübertroffen. Im Makrobereich kann man zwar mit Makroobjektiven per Hand stacken, was recht aufwändig ist und nur bis Vergrößerungen von ca. 5x funktioniert. Stacken am Stereomikroskop verbietet sich wegen der schlechten fotografischen Qualität selbst von sogenannten Photomakroskopen. Mit dem Keyence bekommt man – zumal mit speziellen Seitenlichtvorsätzen – unglaubliche Bilder. Bei nicht zentrischen Objekten oder kleinen Verwacklungen sorgt eine automatische Kantenkorrektur für Schärfe. Die gestackten Bilder können auch als 3D Objekte dargestellt werden und darin Messungen durchgeführt werden.

Das Keyence VHX 500 im Durchlichtmodus. Mit dem Kartonstück im Strahlengang lässt sich auf einfache Weise eine schiefe Beleuchtung realisieren.
Die Stärken des Mikroskops liegen in der Software, die eine Verwackelungskorrektur und eine Reflexionsminderung (Reflexe werden „herausgerechnet“) ermöglicht.
Digital werden unterschiedliche Beleuchtungsweisen simuliert, unter denen man sich die optimale Wirkung aussuchen kann. Für Vergleiche können bis zu 4 Bilder gleichzeitig auf dem Bildschirm dargestellt werden. Des weiteren gibt es eine umfangreiche Messsoftware.
Das Spitzenmodell VHX 1000 erlaubt zusätzlich noch automatische Panoramen in X-Y-Richtung und kann so Bilder mit einer Auflösung von maximal 18 MPixel generieren.
Die CCD-Kamera lässt sich auch über einen C-Mount Adapter an die Fototuben von Mikroskopen oder Stereolupen setzen. Dann hat man eine Mikrofotoeinrichtung, die einer 2 Megapixel Mikroskopkamera mit entsprechender Messsoftware entspricht, aber den unschätzbaren Vorteil hat, dass man damit in Echtzeit automatisch stacken kann.
Die Verwendung an Stereomikroskopen hat den Schwachpunkt, dass der höhenverstellbare Zahntrieb beim Auf- oder Abfahren einen Versatz zeigt, den die Stacking-Software nicht mehr toleriert. Aus dem gleichen Grund ist auch die Idee, die Kamera über den C-Mount Adapter an ein Foto-Makroobjektiv anzuschließen und über einen Einstellschlitten zu stacken nicht realisierbar.

Der CCD Kopf des Digitalmikroskops kann über einen C-Mount Adapter auch an herkömmliche Mikroskope gesetzt werden.
Ein Digitalmikroskop ist nicht nur aufgrund des Aufbaus sondern auch in anderer Hinsicht nicht mit klassischen Mikroskopen vergleichbar. So gibt die Vergrößerung beim Lichtmikroskop die Vergrößerung des Zwischenbildes des Objektivs mal der Vergrößerung des Okulars an. Bei Digitalmikroskopen geht das nicht, da wird statt dessen die Vergrößerung des Objektes auf der Bildschirmdiagonale des Monitors angegeben. Dadurch fallen diese Werte viel höher aus, was eine höhere Vergrößerung suggeriert, die aber nicht zutrifft. So bekommt man bei einem Mikroskop und hundertfacher Vergrößerung eine Bildfelddiagonale von 1,5 mm dargestellt; bei dem VHX 500 Digitalmikroskop und der Einstellung „100x“ misst das in der Bildschirmdiagonale dargestellte Objekt 3,7 mm. Die Vergrößerungsangaben müssen daher für die vorliegende Konfiguration (CCD und Bildschirm) durch 2,4 geteilt werden, um mit einem Lichtmikroskop vergleichbar zu sein. Eine tausendfache Vergrößerung des VHX 500 entspricht also in etwa einer 400fachen beim Lichtmikroskop.
Zur Schärfentiefe finden sich in der Keyence-Dokumentation widersprüchliche Angaben von 3- bis 20-fach höheren Werten im Vergleich zu einem Lichtmikroskop. Eine um den Faktor 20 höhere Schärfentiefe bezieht sich sicher auf die Ergebnisse der automatischen Z-Stapel. Am einzelnen Bild konnte aber auch ein Faktor 3 nicht nachgemesen werden:
zur Überprüfung wurde unter die Kante eines Objektmikrometers ein Streichholz geklebt, wodurch das Präparat also gekippt wird. Dann wurde die Skala im Lichtmikroskop und Digitalmikroskop fotografiert, und zwar im selben Maßstab (Digitalmikroskop 240x, Lichtmikroskop 100x, s.o.) und bei offener Blende. Dabei ergab sich bei beiden Mikroskopen eine Schärfentiefe von 20 µm. Bei normalen Präparaten wirken die Objekte im Digitalmikroskop schärfer, was aber nicht an der Schärfentiefe liegen kann sondern vermutlich auf digitale Nachschärfung des Bildes zurückzuführen ist. Bei 100x Digitalmikroskopvergrößerung beträgt die Schärfentiefe 40 µm, was dann aber nicht mit der 100fachen Vergrößerung des Lichtmikroskops vergleichbar ist.
Beispielaufnahmen des Keyens VHX 500 im Durchlicht
Beispielaufnahmen der Kamera des Keyence VHX 500 am Lichtmikroskop (ebenfalls Durchlicht)
Beispielaufnahmen des Keyence 500 im Auflicht
Fazit
Wie die Bildbeispiele auf der Hersteller-Webseite und in den Prospekten zeigen, wird das Digitalmikroskop hauptsächlich für die Materialkontrolle verkauft; Aufnahmen biologischer Objekte fehlen. Dadurch entsteht ein völlig falscher Eindruck, denn bei biologischen Objekten eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten.
Leider zeigen viele Aufnahmen dabei besonders im Durchlicht noch recht stark ausgeprägte Artefakte der digitalen Nachbearbeitung durch die Software des Keyence VHX 500. Hier könnte die Anpassung der vermutlich auf die Situationen bei der Materialprüfung optimierten Algorithmen eine deutliche Verbesserung bewirken und somit den neuen Anwendungsbereich besser erschließen.
Literatur
Keyence im Internet:
www.keyence.de
Die Keyence VHX-Baureihe im Internet:
VHX-Systeme