Versilberung in der Ciliatenkunde
Thilo Bauer, vom 27.02.2021
Die Imprägnierung mit Silberpräparaten verschie- dener Art ist eine seit langem praktizierte Technik zur Dokumentation der vielen Arten von Ciliaten (Phylum: Ciliophora). Erste Publikationen erfolgten durch Klein (1926), nach dem das Klein'sche Silberliniensystem später benannt wurde. Spätere Methoden wurden von vielen Autoren, darunter etwa Chatton & Wloff, Dragesco & Tuffrau, Corliss oder auch Foissner abgewandelt, um nur einige zu benennen. Die verschiedenen Techniken färben dabei verschiedene Strukturen der Zellen an, welche mit dem motorischen Bewegungsapparat der Wimpertiere zusammenhängen: Die Anordnung eines Fibrillensystems zu deren Bewegung (Foissner, 1969; Foissner 1975), bzw. der Ansätze der Wimpern (Cilien) selbst.
Methoden der Versilberung
Die verschiedenen Methoden lassen sich grob einteilen in trockene und nasse Versilberungsmethoden. Den Begriff der "trockenen" Versilberung prägte W. Foissner, der die Methode der Klein'schen Versilberung verbesserte, wobei die Wimpertiere zunächst auf einer Schicht Eiweiß durch Trocknung fixiert und anschließend sofort auf nassem chemischem Wege weiter verarbeitet werden. Die nassen Methoden beginnen mit einer Fixierung der Zellen in einer Fixierlösung und lassen sich grob unterteilen in Methoden, welche ammonikalisches Silber oder Silbercarbonat nutzen und die Imprägnierung mit "Protargol". Nicht alle Methoden liefern Dauerpräparate, welche es gestatten Typusmaterial von Fundorten in Bibliotheken der Wissenschaft dauerhaft zugänglich zu machen. Einige Methoden, wie die Silbercarbonatmethode nach Fernandez-Galiano liefern nur ein über wenige Stunden beobachtbares Resultat, das rasch dokumentiert werden muss und ansonsten vergänglich bleibt.
Trockene Versilberung
Die trockene Methode, wie sie bei Foissner et al. (1991) beschrieben wird, kann von Amateuren mit vertretbarem Aufwand und recht gut angewandt werden. Ich selbst lernte sie zunächst von der Bonner Biologin Catherine Fehse (INRES, Universität Bonn). Kurze Zeit später hatte ich das Vergnügen diese Methode von Wilhelm Foissner selbst zu lernen, der sie im Rahmen einer Veranstaltung in Bodman am Bodensee einem Kreis von Amateuren vorstellte. Die Ciliaten werden dabei auf einer angetrockneten Eiweißschicht auf einem Objektträger aufgeklebt. Hierzu pipettiert man die Wimpertiere aus der Probe heraus, und tropft sie auf das fast trockene, dünn ausgestrichene Hühnereiweiß. Die Fixierung erfolgt nun durch einfaches Trocknen des Objektträgers. Dann werden die Präparate mit Silbernitrat überschichtet, belichtet, mit einem Gemisch aus verschiedenen Fotoentwicklern entwickelt und schließlich in Harz eingeschlossen. Diese trockene Versilberung des Silberliniensystems ist leider nur bei einigen wenigen Gattungen anwendbar, deren Zellen die Trocknung gut überstehen und dabei nicht zerplatzen oder anderweitig entstellt werden.
Nachdem ich einige Arten immer wieder verlor, und auf den angefertigten Präparaten nicht wieder fand, hatte ich den Vorgang der Trockung mikroskopisch kontrolliert. Ich konnte dabei beobachten, dass das verwendete Hühnereiweiß offenbar eine Art "allergischer" Reaktion bei vielen Gattungen auszulösen scheint. Man kann nämlich beobachten, dass nach dem Auftropfen der Probe mit den Wimpertieren, bei empfindlichen Arten offenbar kurz nach dem ersten Kontakt der Tiere mit der aufquellenden, dünnen Schicht Hühnereiweiß auf dem Objektträger ein Absterben und die Auflösung der Zellen begünstigt wird, noch lange bevor sie durch Trocknung fixiert werden können und anhaften. Ursachen sind eventuell ein osmotischer Schock durch die im Hühnereiweiß enthaltenen Salze, die sich nun in der Probe lösen, oder eine Art Eiweißschock. Einige robustere Arten, wie Paramecium sind jedoch auf diese Weise gut zu versilbern.
Hier gezeigt werden soll eine Fotografie eines älteren Dauerpräparats des Wimpertiers Paramecium caudatum, dem berühmten Pantoffeltier, bei dem wir zufällig auf das Mundfeld blicken. Oft sind Artefakte mit dieser Methode zu beobachten, wie etwa das gefärbte Hühnereiweiß als graue Umrandung in meiner Aufnahme. Andere Organellen der Wimpertiere, wie etwa gefüllte Nahrungsvakuolen und auch andere Organismen (z.B. Bakterienfilme, Flagellaten, Rädertiere) werden ebenfalls mit versilbert. Die mikroskopische Beobachtung und Interpretation erfordert daher etwas Übung und den Vergleich mit Abbildungen in der Literatur. Typischerweise werden für die Illustrationen wesentliche Strukturen der Ciliaten vom Bild abgezeichnet, ohne die tatsächlich versilberten Artefakte zu berücksichtigen.
Abbildung 1: Das Ergebnis der trockenen Versilberung nach Foissner eines Paramecium caudatum zeigt das Silberliniensystem dieser Art wie einen art-typischen, charakteristischen Fingerabdruck. Fokusstack aus ca. 15 Aufnahmen, Objektiv 40x.
Protargolmethoden
Protargol war der Handelsname eines Silberpräparats, das ursprünglich als medizinische Arznei mit anti-bakterieller Wirkung eingesetzt wurde (und heute in einigen Ländern wohl noch eingesetzt wird). Seine Anwendung zur Imprägnierung des Wimpersystems der Ciliaten ist sicherlich auf verschiedene Versuche verschiedener Forscher zurückzuführen alternative Silberpräparationstechniken zu finden, mit denen die Anordnung des motorischen Apparats der Wimpern oder Cirren (Wimpernbündel) gelingt. Im Gegensatz zur trockenen Versilberung, bei der offenbar fibrilläre Teile des Bewegungsapparat angefärbt werden, imprägniert Protargol Strukturen in der Region um die Basalkörper und stellt daher in der Regel die Ansätze der Wimpern oder Cirren dicht unter der Pellicula dar. Es ist bis heute nicht genau geklärt, was hier genau imprägniert wird. Dies ist erschwert durch die vielen Schritte der Imprägnierung, die ausgehend von der Fixierung, über einen Schritt der Bleichung der Zellen bis zur Imprägnierung und Entwicklung der Versilberung führt.
Verschiedene ältere Arbeiten stellen Mutmaßungen an, wie die hergestellten Silberalbumine mit den Zellen der Wimpertiere interagieren, oder welche Peptone als Ausgangsstoffe zur Herstellung eines brauchbaren Silber-Präparats geeignet sind. Versuch und Irrtum führt hier stets zu einem brauchbaren Präparat, dessen jahrelange Bevorratung offenbar die Weiterentwicklung zeitweilig aussetzte. Es wurde im Laufe der Zeit jedoch klar, dass bereits durch veränderte Herstellungsprozesse ein Präparat eines Herstellers, das einmal funktionierte, nach einigen Jahren keine brauchbaren Ergebnisse mehr lieferte. Neuerdings wird in der Literatur und aus berufenem Munde berichtet, dass ein brauchbares Präparat nicht mehr im Handel zu bekommen sei (H. Berger 2020, priv. eMail). Die Schwierigkeit der Findung eines Ersatzpräparats und die Herstellungsanweisung für einen brauchbaren Silberalbumin-Komplex wird sodann von Pana et al. (2013) neu diskutiert und erneut ausführlicher beschrieben. Das Silberalbumin wird aus Silbernitrat und Peptonen durch mehrfache mechanische Bearbeitung und Exktraktion mit Aceton gewonnen. Die Imprägnierlösung wird aus dem resultierenden nicht näher identifizierten Komplex von Silber mit verschiedenen, offenbar leichtgewichtigen Proteinen in wässriger Lösung gebildet, deren wirksame Komponenten bis heute nicht im Detail aufgeklärt sind. Die Wahl eines geeigneten Peptons als Ausgangsprodukt für die Herstellung im Hauslabor bleibt offenbar bis heute ein kritischer Faktor, den es auszuprobieren gilt. Die einschlägigen Firmen listen ungezählte solcher potentiell geeigneter Kandidaten von Peptonen, die vermutlich nicht alle brauchbar sind. In der Arbeit von Pana et al. (2013) werden lediglich fünf Peptone verschiedener Firmen als geeignet benannt. Der Silberalbuminkomplex wird in einer Lösung von 0,4-1,0% angewandt. Das nach neuerer Vorschrift hergestellte Präparat stellt offenbar ein effektives Mittel dar, für das eine Konzentration von 0,4% zur Imprägnierung empfohlen wird. Ein neueres Protargolpräparat für die Elektronenmikroskopie, das ich als fertige Lösung über eine Handelsplattform aus den USA (unbekannte Zusammenstellung, Konzentration 1%) beziehen konnte, liefert nach einigen Versuchen auch brauchbare Resultate.
Gezeigt ist hier eine neu entdeckte, grüne Art von Spirostomum sp. (Publikation in Vorbereitung). Die dominant goldbraune Färbung resultiert aus der Fixierung und Behandlung mit dem Protargolpräparat und ist typisch für diese Methode. In der Zellmitte ist etwas abgedunkelt der große Zellkern zu erkennen. Darum herum winden sich viele Reihen der Wimpern spiralig. Spirostomum Arten kontrahieren gerne bei der Fixierung, wobei die bei normalem Schwimmverhalten eher longitudinal angeordneten Wimperreihen nun spiralig kontrahiert erscheinen. Textiles Mikroplastik in mikroskopischen Präparaten ist heute fast unvermeidlich, wie die im Präparat eingeschlossene blaue Faser rechts oben in der Ecke zeigt.
Abbildung 2: Eine neu entdeckte Art eines Spirostomum sp., Protargolimprägnierung nach Fixierung und Anfertigung eines Dauerpräparats in Kanadabalsam. Man erkennt spiralig gewunden die Anordnung der Cilienreihen sowie den in vivo moniliformen Zellkern. Fokusstack aus 15 Aufnahmen mit einem Objektiv 40x.
Eine weitere Hürde für eine gelungene Imprägnierung ist die Wahl des richtigen Fixiermittels für die zu dokumentierende Spezies. Nicht alle Fixiermittel arbeiten für alle Gattungen gleich gut. Die meisten Methoden verlangen den Einsatz von Fixiermitteln auf Basis von Formaldehyd oder Glutaraldehyd. Weitere Ingredenzien der Fixiermittel sind Essigsäure sowie Pikrinsäure in wässriger Lösung oder Sublimat (Quecksilber-Chlorid). Ältere Methoden nutzen noch Fixierer, die Chromsäure oder Kobaltsalze enthalten. Für besonders heikle Arten wird eine Stabilisierung der Zellen durch Räucherung mit Osmium-Tetroxid (Vorfixierung) empfohlen. Diese Substanz wird üblicherweise auch in der Elektronenmikroskopie verwandt. Funktionierende Ersatzstoffe für die Fixierung sind bis heute nicht bekannt. Die Fixierung der Wimpertiere und ein guter Erhalt der Zellen ist für sich genommen ein hochgradig experimentelles Feld – vor allem bei neu entdeckten Arten. Man benötigt einen guten Zugang zur Fachliteratur, Kontakte zu der Institutseinrichtung einer Universität oder eine vergleichbare Möglichkeit. Darüberhinaus benötigt man Zeit zum Experimentieren, eine hohe Frustrationstoleranz und den Willen nicht aufzugeben.
Die Methode der Imprägnierung mit Protargol ist nichts für Ungeduldige. Wer diese Methode anwenden möchte, ohne sie in einem Praktikum unter kundiger Führung erlernt zu haben, sollte eines beherzigen: Aufgeben gilt nicht! In der momentanen experimentellen Phase gilt es den Entwickler noch zu verbessern, um in die Abbildungen der eigentlichen adoralen Membranellenzone meiner gefundenen Arten von Spirostomum spp. eventuell noch besser herauszuarbeiten.
Abbildung 3: Dasselbe Individuum von Spirostomum sp., wie in Abb. 2. Hier gezeigt jedoch eine Einzelaufnahme mit dem Bereich des Peristoms, das hier nach Kontraktion spiralig gewunden um den Körper erscheint. Bei dieser Art hat das Peristom etwa die halbe Körperlänge.
Fazit
Die verschiedenen Methoden der Färbung bzw. Imprägnierung mit Silber demonstrieren verschiedene Strukturen der Wimpertiere. Der Grund liegt in der unterschiedlichen chemischen Art und Weise, wie die verschiedenen angewandten Silberpräparate mit Fibrillensystemen oder Zellproteinen anderer Organellen interagieren. Daher sind sie untereinander nicht vergleichbar oder austauschbar. Ursprünglich glaubte man mit der trockenen Versilberung ein Nervensystem in den Ciliaten gefunden zu haben. Spätere, elektronenmikroskopische Untersuchungen legen jedoch nahe, dass es sich um gefärbte Fibrillen handelt, die teils dem intrazellulären Bewegungsapparat des Ciliensystems zuzuordnen sind. Protargolmethoden hingegen färben eher Strukturen der Basalkörper der Cilien und zeigen somit deren Anordnung. In der älteren Literatur zur Beschreibung der Arten, wie etwa zu lesen in der Monographie zu Tetrahymena spp. (Elliott, 1973), wurden meist noch Methoden angewandt, welche gänzlich anders funktionieren, etwa die Vorschriften von Chatton-Lwoff oder Corliss. Möchte man daher Strukturen einer bestimmten Art vergleichen mit Literaturbefunden, um die eigene Art genau zu bestimmen, falls deren Silberstrukturen bekannt sind, bleibt einem keine andere Wahl, als die entsprechende ältere Methode für diese spezielle Gattung ebenfalls zu erlernen. Daher ist die Notwendigkeit der Versilberung sicherlich auch kritisch zu betrachten, denn die verschiedenen über die Jahrzehnte entwickelten Methoden sind untereinander nicht vergleichbar.
Ausblick
Die Versilberung ist gefordert und dient der Dokumentation einer (zumeist neu beschriebenen) Spezies. So wird auch in der neueren Literatur die Versilberung angewandt, um die regionale oder auch globale Verteilung der Arten anhand von Typusbelegen für Erstfunde in anderen Regionen der Erde zu dokumentieren. Neben histologischen Färbungen sind Versilberungen auch die bislang einzigen Methoden, um dauerhaft Typusmaterial zu konservieren. Jede Art hält eine andere Herausforderung bereit und längst nicht jede Art wurde bis heute versilbert. Da eine Kultur für viele Ciliaten obendrein schwierig ist, hat man oft nur einzelne Exemplare zur Hand, mit denen man nicht weit kommen wird. Denn es gilt unter den bekannten Methoden obendrein diejenige zu finden, welche mit der gefundenen Art funktioniert. Von allen scheint die Protargolmethode in der Breite am besten zu funktionieren. Für die Differenzierung von Arten wie Tetrahymena benötigt man jedoch ältere Methoden. Vorsicht ist auch geboten, da gelegentlich Arten innerhalb der Gattung mit unterschiedlichen Methoden gefärbt gegenüber gestellt werden. Für die genaue Bestimmung der Arten einzelner, gefundener Ciliaten ist die Versilberung, entgegen der landläufigen Meinung, wenig praxistauglich. Längst erforscht man neue Methoden zur Darstellung der Strukturen von Ciliaten auch mit Mitteln der Fluoreszenzanalyse.
Danksagung
Besonderer Dank gilt Wilhelm Foissner (✝︎2020) und Catherine Fehse, bei denen ich die trockene Versilberung lernen durfte. Ebenfalls Dank gebührt Helmut Berger und seiner kundigen und freundlichen Beantwortung meiner Fragen zur Imprägnierung mit Protargol, die ich in privater Korrespondenz per eMail erhalten habe.
Literatur
- Klein B.M., 1926. Zool. Anz. 67, 1
- Foissner, W., 1969. Reaktionen des Silberliniensystems der Ciliaten auf mechanische Insulte
- Foissner, W., 1975. Der elekrtronenmikroskopische Nachweis der fibrillären Natur des Silberliniensystems bei peritrichen Ciliaten
- Foissner, W. et al., 1991: Taxonomische und ökologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems
- Pana, X., Bourland, W. A., Songa, W., 2013. Protargol Synthesis: An In-house Protocol. Journal of Eukaryotic Microbiology 60, 609–614
- Elliott, A. M., 1973: Biology of Tetrahymena. Dowden, Hutchinson & Ross Inc., Stroudsburg, Pennsylvania
Artikel auf der Webseite des Autors:
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