Spirostomum minus - eine oder viele Arten
Thilo Bauer, vom 06.03.2020
Spirostomum, genauer die Art Sp. ambiguum ist den Mikroskopikern, die sich mit sumpfigen Gewässern beschäftigen, sicherlich als "Sumpfwurm" aus dem Buch "Das Leben im Wassertropfen" bekannt. Natürlich handelt es sich nicht um einen Wurm sondern um einen recht großen Einzeller, genauer eine Art aus der Familie der Heterotichida. Hier soll es nun um Spirostomum minus gehen. Der Ciliat ist, wie der Beiname "minus" andeutet, sozusagen der kleinere Bruder des "Sumpfwurms". Die Ähnlichkeit ist frappierend, die kleinere Größe von maximal 600-700 µm ist daher ein wichtiges Artmerkmal.
Bestimmung der Art mittels Fluoreszenzfärbung
Spirostomum minus ist eine der Spezies von Ciliaten für die man einen Artenkomplex annimmt. Grund hierfür ist die große morphologische Variabilität innerhalb des Genus Spirostomum minus, welche in der Literatur diskutiert wird (z.B. Foissner, 1992). Leider sind neuerdings einige Arbeiten zu der genetischen Einstufung von Spirostomum minus veröffentlicht, ohne irgendwelche morphologischen Merkmale zu beschreiben oder abzubilden. Daher ist eine solche genetische Klassifizierung dieser "ähnlichen" Arten innerhalb des Komplexes sicherlich so fragwürdig, wie die Benennung als eine "einzelne" Art selbst. Die genetische Ähnlichkeit wird oft anhand eines winzigen DNA Abschnitt der ribosomalen DNA belegt (z.B. Subunit "18S" der rDNA). Gegenüber der Gesamtzahl von Basenpaaren, die verschiedene Arten von Ciliaten besitzen können, nämlich bis zu 100 Milliarden Basenpaare (Prescott, 1994), ist ein solch kleiner Genabschnitt von knapp 3.000 Basenpaaren der ribosomalen DNA nur ein winziger Ausschnitt des gesamten Erbguts. Bestenfalls kann dieser Genabschnitt wohl als Beleg für eine evolutionäre Entwicklung verschiedener Arten dienen. Dies kann eventuell ein weiterer Fund belegen, der einen "Sp. minus" zeigt, welcher farbig erscheint und daher und aufgrund weiterer Merkmale morphologisch von dem hier gezeigten Sp. minus abgegrenzt werden kann (ohne Abb., Publikation in Vorbereitung).
Fund und erste Aufnahmen
Hier möchte ich zunächst nur einige Bilder der etwa 600 µm großen Gesellen zeigen, die ich in einem Sumpf hier in der Region um Hürth im Raum Köln/Bonn gefunden habe. Die Spezies ist morphologisch ganz sicher dem Komplex Sp. minus zuzurechnen.
Dieser Fund ist insofern bemerkenswert, als ich nur ein einzelnes Exemplar fand, das zwischen sehr vielen(!) Sp. teres herumschwamm, einer ähnlich großen Art, die leicht zu verwechseln ist. Sp. minus hat - im Gegensatz zu Sp. teres - einen moniliformen, also rosenkranzförmigen Macronucleus. Dieser ist bereits mit geringer Vergrößerung als lange Kette von einzelnen Kernfragmenten erkennbar. So habe ich den "Wurm" unter dem Mikroskop mit einem Objektiv 5x einzeln heraus pipettiert und in Kultur gegeben, in der Hoffnung, dass er viele Nachkommen haben werde. Der kleine Kerl hatte offenbar einen ziemlichen Überlebenswillen. Gestern habe ich erste Proben aus der inzwischen dichten Kultur dem Erlenmeyerkolben entnommen und gefärbt. Das Ergebnis ist unten abgebildet. Sp. teres war einfacher zu isolieren, erfreut sich ebenfalls guter Gesundheit und bevölkert eine weitere Kultur.
Eine genaue Beschreibung der Abgrenzung von anderen Spirostomum Arten habe ich eben angelegt:
Artenschlüssel von Spirostomum. (Link zur Webseite des Autors)
Aufnahmedaten
Aufnahmen mit Zeiss Axio Lab.A1 FL-LED, Objektiv Zeiss C-Apochromat 40x/1,2 W, Kondensor 1,2 und Wasserimmersion. Hellfeld: Optimale schiefe Beleuchtung. Fluoreszenzaufnahme: Doppelfärbung mit Ho342 und Acridinorange, Triple-Band-Filtersatz F66-412, UV Anregung 385 nm. Kamera: Canon EOS 77D.
Abbildung 1: Das Peristom von Sp. minus ragt etwa bis zur Mitte der Körperlänge. Der moniliforme Macronucleus zeichnet sich, wenn auch nicht sehr deutlich bereits ab. Gut sichtbar ist die adorale Membranellenzone und die orale Bewimperung bis zur Öffnung des Peristoms. Aufnahme im Hellfeld mit optimaler schiefer Beleuchtung.
Abbildung 2: Darstellung des moniliformen Macronucleus (Ma), der zahlreichen Micronuclei (Mi) und der grün gefärbten Phagosome (Ph). Am Rand sichtbar ist die pelliculäre Granula. Siehe auch Beschreibung zu Abb. 3. Fluoreszenzaufnahme mit Doppelfärbung (Ho342 + AO). Zeiss C-Apochromat 40x/1,2 W.
Abbildung 3: Gleiches Individuum wie in Abb 2, Fokuslage jedoch auf die Pellicula. Die in 2-3 Reihen verlaufende, pelliculäre Granula, welche in der Hellfeldaufnahme erkennbar ist, ist eventuell sauer, da eventuell rot gefärbt von Acridinorange. Die Granula verläuft hier in 2-3 Reihen dicht unter der Pellicula. Darunter befindet sich eine weitere Granula, eher statistisch verteilt, welche jedoch ungefärbt erscheint. Sieht man sich beide Fluoreszenzaufnahmen genauer an, so zeichnet sich die ungefärbte, grobe Granula hier durch ihren Linseneffekt und kleine ringförmige Schatten ab gegenüber den darunter liegenden, unscharf abgebildeten Organellen.
Literatur
Boscaro, V., Carducci, et al., 2014. Focusing on genera to improve species identification: revised systematics of the ciliate Spirostomum. Protist, 165(4), 527-541.
Foissner, W. et al., 1992. Taxonomische und ökologische Revision der Ciliaten des Saprobiensystems, Informationsberichte des Bayer. Landesamts f. Wasserwirtschaft.
Prescott, D. M., 1994. The DNA of ciliated protozoa. Microbiol. Mol. Biol. Rev., 58(2), 233-267.
Diskussionsmöglichkeit im Mikro-Tuempler-Forum unter
https://mikro-tuemplerforum.at/viewtopic.php?f=23&t=789
Bildquellen