Erdmantelxenolithe in der Lahn-und Dillmulde
Prof. Holger Adelmann, vom 01.11.2011
Der Vulkanismus im Rheinischen Schiefergebirge war besonders im Erdaltertum (Paläozoikum) vom Mitteldevon bis in das Unterkarbon im Zeitraum von ca. 385 bis 330 Millionen Jahren vor unserer Zeit aktiv und hat maßgeblich zum Aufbau dieses großen (jetzt allerdings stark abgetragenen) Gebirges beigetragen.
Dies gilt auch für das Lahn- und das Dill-Becken als heutige Bestandteile des Rheinischen Schiefergebirges. Das Gebiet befand sich damals auf dem südlichen Schelf (= küstennaher Kontinentalsockel) eines Urkontinents, des so genannten Old-Red-Kontinents. Durch eine Streckung und Ausdünnung der Erdkruste im Bereich des Schelf konnten vulkanische Schmelzen entlang von Störungen in der Kruste nach oben durchbrechen. Somit setzten mehrere Phasen eines intensiven Vulkanismus ein, die sich überwiegend untermeerisch abspielten. Nur selten tauchten die Vulkangebäude als Inseln über der Wasseroberfläche auf.
Geologische Karte der Region
Bei den Vullkangesteinen unterscheidet man grundsätzlich zwischen Vulkaniten (massiven Gesteinen aus primär bereits dichten Laven) und Vulkaniklastiten (erst sekundär verdichtete Gesteine aus ausgeworfenem vulkanischen Lockermaterial).
In den teilweise viele tausend Jahre dauernden Pausen zwischen den Ausbrüchen wurden die Vulkangebäude in dem damals tropischen Flachmeer mit mächtigen Korallenriffkomplexen bewachsen. Das erklärt die teilweise intensive Verzahnung von mächtigen Korallenkalklagen und vulkanischen Gesteinen.

Man kann aufgrund der Gesteine und ihrer zeitlichen Stellung einen Mittel-Oberdevon-Grosszyklus und einen Unterkarbon-Grosszyklus unterscheiden, wobei jeder dieser Zyklen wiederum in mehrere Phasen unterteilt werden kann.
Als Gesteine finden sich, wie bei vulkanischen Phasen üblich, Effusivgesteine (an der Erdoberfläche oder untermeerisch ausgeflossene Laven), sowie pyroklastische Gesteine, auch "Vulkaniklastite" genannt: durch Explosionen an die Oberfläche bzw. ins Meer geschleuderte Lavafetzen und vulkanische Asche.
Die unterseeisch ausgeflossene Lava bildete durch die Abschreckung im Wasser und das nachfolgende Aufbrechen der so oberflächenerstarrten Lavaschläuche mit erneutem Ausfließen der Lava die typischen Lavakissen ("Pillow-Laven").
In der Lahnmulde war der Vulkanismus im Devon weit ausgeprägter als im Unterkarbon, in der Dillmulde hingegen waren die unterkarbonischen Vulkanaktivitäten stärker. Beide Grosszyklen lieferten durchaus verschiedene Schmelzen und damit verschieden zusammengesetzte Gesteine. Der devonische Zyklus ist von alkalibasaltischen Vulkaniten geprägt, während der Unterkarbonzyklus kieselsäurereichere sog. tholeiitische Basalte lieferte.
Teilweise wurde die Lava direkt an die Oberfläche bzw. ins Meer gefördert (Unterkarbon-Zyklus), teilweise verweilte sie aber auch noch einige Zeit in Magmakammern in der Erdkruste (Mittel-Oberdevon-Zyklus).
Bei diesem Aufenthalt in den Magmenkammern kam es durch Gravitation zu einer Differenzierung: Die dunklen, schweren Minerale sanken an den Boden der Kammer, die leichteren Anteile der Schmelze stiegen nach oben. Somit sind die hiernach geförderten Gesteine recht unterschiedlich in Aussehen und Mineralzusammensetzung.
In den Spätphasen der oberdevonischen- und unterkarbonischen Zyklen stiegen kleinere Magmamengen als primitive (d.h. ursprüngliche, nicht durch Reifungsprozesse mineralisch differenzierte) Schmelzen sehr schnell an die Oberfläche auf und rissen dabei Stücke des Erdmantels aus ca. 50-70km Tiefe mit sich. Durch den schnellen Aufstieg sind diese Stücke nicht in der Magmaschmelze aufgegangen, sondern erscheinen als abgerundete "Bomben" in den Effusiva und pyroklastische Gesteinen, die allenfalls eine dünne Schmelzrinde zeigen. Die Wissenschaft bezeichnet diese Bomben als Erdmantel-
Xenolithe (griechisch: "fremder Stein", da sie ja eigentlich Fremdkörper in den Schmelzen darstellen).

Aus dem tertiären Vulkanismus der Eifel, des Vogelsberges und der Rhön sind ebenfalls solche Bomben aus dem Erdmantel bekannt, nur sind diese aufgrund des wesentlich geringeren Alters "frisch", d.h. noch nicht in ihrer Mineralzusammen- setzung verändert ("alteriert"). Diese jungen Xenolithe bestehen, wie auch der Erdmantel, zu einem hohen Prozentsatz aus Olivin, einem grünen Magnesium-Eisen-Silikat.
Die ungleich älteren Mantelfragmente aus der Devon- und Karbon-Zeit des Lahn-Dill Gebietes waren ursprünglich sicherlich ebenso zusammengesetzt, sind aber im Laufe von hunderten Millionen Jahren in ihrer Mineralzusammensetzung so stark alteriert, dass sie jahrzehntelang nicht als solche erkannt wurden. Allerdings konnte damals auch niemand erklären, um was es sich bei diesen harten und recht bunten "Kalkknollen" handelt und wie sie entstanden sind.
Auch die alten Vulkanite (und Vulkaniklastite) selbst sind so stark verändert, dass man sie über hundert Jahre lang mit eigenen Namen wie z.B. Diabas, Keratophyr und Quarzkeratophyr bezeichnete. Erst seit den 1970er Jahren ist klar das es sich um alterierten Basalt, Trachyt und Rhyolith handelt. Man trägt dieser Erkenntnis neuerdings dadurch Rechnung, dass man die Namen der Ausgangsgesteine beibehält und als Ausdruck der Alterierung die Silbe "Meta-" davor setzt. Diabas heißt heute also meta-Alkalibasalt, Keratophyr meta-Trachyt, und Quarzkeratophyr meta-Rhyolith.
Bild 1a

Erdmantelxenolithen aus dem tertiären Vulkanismus mit reichlich Olivin
Bild 1a zeigt einen typischen Erdmantelxenolithen aus dem tertiären Vulkanismus (mit ca 25 Millonen Jahre ein echter "Youngster"). Es handelt sich um das angeschliffene Stück eines Bohrkernes aus dem Vogelsberg. Man sieht sehr schön den reichlich vorhandenen grünen Olivin.
Über die vielen Jahrmillionen vom Devon/Karbon bis heute wandelten sich jedoch viele der ursprünglichen Erdmantelminerale in den Xenolithen des Erdaltertums um, ein Prozess, den man als Diagenese bezeichnet. Diese Erdmantel-Xenolithe aus dem Erdaltertum treten nicht häufig auf sondern wollen aus ziemlich versteckten Vorkommen geborgen werden. Hat man sie allerdings einmal gefunden und aufgeschnitten, kann man sich an den tollen Farben und der interessanten Struktur erfreuen, deren Feinbau sich allerdings erst im Mikroskop erschließt.
Bild 1b

Diagenetisch alterierter Xenolith in einer Matrix aus unterkarbonischen Vulkaniklastiten
Bild 1b zeigt einen solchen Xenolithen in unterkarbonischen Vulkaniklastiten. Fundstelle ist ein winziger, total vergessener und verwachsener, regelrecht verwunschener Steinbruch nördlich der Gemeinde Oberscheld östlich Dillenburg. Der Xenolith ist angeschlagen und offenbart seine intensive Farbe, die im krassen Gegensatz zu der grauen umliegenden Matrix aus Vulkaniklastiten steht.
Bilder 2 bis 4
Die Bilder 2 bis 4 zeigen Makroaufnahmen von Erdmantelxenolithen (oben) im umgebenden unterkarbonischen Vulkaniklastiten (unten). Diese schönen Stücke stammen aus einem ebenfalls winzigen, verlassenen Steinbruch nordwestlich des alten Bergwerks 'Tiefe Grube' bei Oberscheld. Man sieht sehr schön den weißen Calcit und die Drusen in der vulkaniklastischen Matrix (unten), sowie schöne metallische und rote, wohl sekundär/diagenetisch entstandene Vererzungen bei der Umwandlung des eisenhaltigen Olivins des Erdmantelxenolithen.
Bild 5

Bild 5 zeigt zwei Gross-Dünnschliffe (ca 50x65 mm) durch die Xenolithe aus Bild 2-4, ebenfalls in der Makroaufnahme.
Die Bilder 6 und 7 zeigen schließlich Details des Übergangs von Erdmantelxenolithen (oben) im umgebenden unterkarbonischen Vulkaniklastiten (unten) aus Bild 5, jetzt unter dem Mikroskop. Hierbei ist der ehemalige Olivin des Xenolithen jetzt vollständig chloritisiert und karbonatisiert (gelbgrüne Fächen), der ehemalige Pyroxenanteil des Xenolithen ist ebenfalls karbonatisiert (gekörnte graue Flächen). Die braunen schlauchartigen Kristalle bestehen aus frischem, d.h. nicht umgewandelten Chromspinell.
Die Bilder 8 bis 10 zeigen Details aus dem schönen drusigen Gestein des unterkarbonischen Vulkaniklastiten.
Und die Bilder 11 bis 13 zeigen Details aus dem Erdmantelxenolithen (Bild 11 zeigt eine Eisenvererzung, Bild 12 eine schöne geometrische Kristall- verwachsung, Bild 13 zeigt Chromspinellkristalle).
Alle Bilder in der folgenden Galerie.
Bilder 6 bis 13
Die oberdevonischen Erdmantelxenolithe sind nicht leicht zu finden. Mir ist nur ein einziger Fundort in der Dillmulde bekannt geworden -und das auch nur nach dreimaligem Anfahren eines gottverlassenen Waldtälchens südwestlich von Dernbach, jeweils mit elender Sucherei trotz geologischer Spezialkarte. Die raren Stücke verbargen sich schließlich unter dem verrottenden Wurzelstock eines vor mindestens 50 Jahren umgefallenen Baumes am Talhang.
Dort konnte ich wunderschöne oberdevonische Vulkaniklastite bergen, die farbenprächtige Erdmantelxenolithe enthielten. Das karbonatisierte Gestein erscheint trotz des hohen Alters von 380 Millionen Jahren noch erstaunlich dicht und 'frisch'.
Bild 14

Endlich am Ziel!
Bild 15

Eine Bombe nach dem Aufschlagen vor Ort.
Bild 16

Das Stück aus Bild 15 nach der Reinigung.
Literatur
[1] Paläozoischer Intraplattenvulkanismus im östlichen Rheinischen Schiefer-
gebirge - Magmenentwicklung und zeitlicher Ablauf
HD Nesbor, Geol. Jahrbuch Hessen 131: 145-182 (2004)
Alle Aufnahmen, soweit in der Bildunterschrift nicht anders benannt, von Holger Adelmann.