Die Blüte der Gewürznelke

Bild 1: Getrocknete Gewürznelken
Dr. Michael Miedaner, vom 28.09.2020
Wer nach einem interessanten Thema für unser unüberbietbar schönes und vielseitiges Hobby sucht, braucht nur in seine Küche zu gehen. Sie ist eine Fundgrube für mikroskopische Themen.
Heute gehen wir in die Gewürzabteilung und ent- nehmen ihr einige Gewürznelken (Bild 1). Sie war Heilpflanze des Jahres 2010.
Gewürznelken sind monate- bis jahrelang getrocknete, dedörrte Blüten- knospen des ursprünglich auf den Molukken beheimateten, immergrünen Gewürzbaumes (Syzygium aromaticum). Er gehört zur Familie der Myrtengewächse.
Ob es sich lohnt, verdorrte Blütenknospen zu präparieren?
Wir legen sie dazu (einige Stunden bis etwa einen Tag) in Wasser, um sie aufquellen zu lassen. Anschließend kann man, muss es aber nicht unbedingt, in AFE fixieren. Daraufhin betten wir die Gewürznelken in Paraffin ein und fertigen 8µ dicke Längsschnitte an, die wir seriell in W3A färben.

Bild 2: Längsschnitt durch eine Gewürznelke
Bild 2 zeigt den Längsschnitt durch die ganze Nelke. Das Bild wurde aus 16 Einzelbildern gesticht. Von oben nach unten erkennen wir die Blütenknospe. Von außen nach innen sehen wir die Kronblätter, dann die Filamente mit den Theken, die jeweils zwei Pollensäcke enthalten, in denen wir noch die Pollenkörner erkennen können.
Darunter folgen links und rechts die dreieckigen, fleischigen Spitzen der Kelchblätter und weiter innen der Fruchtknoten mit der Samenanlage, der über das zentrale, von unten nach oben verlaufende Leitbündel versorgt wird.
Nach unten folgt nur noch der Stil des „Nägelchens“. Wir sehen die Vielzahl der Ölbehälter, die sich im ganzen Schnitt finden, bevorzugt am Rand in den Kelch- und Kronblättern und dort oft zwei- bis dreireihig. In Ihnen befindet sich das Nelkenöl (Oleum caryophylli; hier durch die Paraffineinbettung herausgewaschen), das wir Mikroskopiker zum Aufhellen von Pflanzenschnitten verwenden, das aber in der Medizin und in der Küche vielfältige Verwendung findet. Sein Hauptwirkstoff ist Eugenol, das Nerven beruhigt (bei Zahnweh!), antioxidantisch und antibakteriell wirkt.
Bilder 3 & 4
Die Bilder 3 und 4 zeigen die schizogenen Ölbehälter in verschiedenen Vergrößerungen (25- und 200fach).
Die Blütenknospe zeigt uns noch viele Details.

Bild 5: Kelch- und Kronblatt
Im Bild 5 sehen wir links unten dir dreieckige Spitze des Kelchblattes. Nach innen hin steigt daneben das Kronblatt auf, das ebenfalls viele Ölbehälter enthält.
Dann folgen weiter nach innen die Filamente der Antheren, mit ihren Theken und Pollensäcken. Selbst in den Filamenten finden sich noch Ölbehälter.

Bild 6: Anthere
Bild 6 nun zeigt bei 200facher Vergrößerung eine Anthere, die im Schnitt vollständig und quer getroffen ist. In der Mitte das Konnektiv mit Leitbündelstrukturen, also die Stelle, an der das Filament die Pollensäcke versorgt. Links und rechts oben, orange gefärbt, die Schicht der Faserzellen, umgeben von der Epidermis. Die Faserschicht besteht aus Verdickungssträngen (vor allem rechts oben gut zu sehen), die sich bei der intakten Blüte mit Wasser füllen und zu trocknen beginnen, sobald der Pollen reif ist. Dadurch entsteht ein Kohäsionszug, der an einer bestimmten Stelle, an der zur gleichen Zeit hormonbedingt die Mittellamellen verschleimen, die Pollensäcke aufreißen lässt, sodass der reife Pollen ins Freie treten kann.
In den Pollensäcken sieht man die rot gefärbten Pollen.

Bild 7: Pollensack mit Pollen
Bild 7 zeigt bei 400facher Vergrößerung einen Pollensack mit Pollen. Ganz links außen liegt die Epidermis (grün). Nach innen folgt die Faserschicht (rötlich), dann kommt die Zwischenschicht (blau) und schließlich das Nährgewebe der Pollen, das sekretorische Tapetum (rot). Betrachtet man genauer einzelne Pollenkörner, sieht man, dass die rot gefärbten Exinen der Pollen von max. drei blauen Kernporen durchbrochen werden. Gewürznelken haben triporate Pollen! Und die W3A-Färbung differenziert das ganz genau.
Unterhalb der Blütenknospe befindet sich der unterständige Fruchtnoten, der mit seinem Griffel noch etwas in die Blütenkrone hineinragt und vom zentralen Leitbündel versorgt wird. Bild 8 (fünfzigfache Vergrößerung) zeigt das Zentrum, in dem sich die Samen entwickeln. Den Fruchtknoten durchzieht eine vollständige Scheidewand, in deren Mitte die Plazenta liegt, aus der die zahlreichen Samen hervorgehen.
In polarisiertem Licht sieht man, dass die ganze Gewürznelke, selbst das Zentrum des Fruchtknotens viele Calciumoxalatkristalle enthält. Auch das ergibt schöne Bilder.
Haben Sie jetzt auch mal Lust, in die Küche zu gehen, um ans Mikroskopieren, nicht so sehr ans Essen zu denken? Ausgehend von unserem Präparat könnte man sich auch noch mit der hochinteressanten Geschichte dieses Gewürzes befassen, wann und wie es denn nach Europa kam, warum es schon mal teurer als Gold gehandelt wurde oder was denn wirklich dran ist an der heilkräftigen Wirkung dieses begehrten Gewürzes.

Bild 8: Unterständiger Fruchtknoten
Dieses Präparat haben wir im diesjährigen Mikroskopikertreffen in Inzigkofen „Mikroskopieren – ein Workshop für Amateure“ hergestellt.